Es ist Freitagabend, ein kühler Frühlingstag im Berliner Stadtteil Neukölln. Ein 28-Jähriger beschädigt vor einer Polizeiwache im Rollbergviertel ein Polizeiauto, hantiert dabei mit einem Messer. Der Mann wollte zuvor nach Angaben der Polizei eine Anzeige auf der Wache erstatten, wurde dort aber um Geduld gebeten.
Ein Polizist einer Einsatzhundertschaft will ihn kontrollieren, dann kam es laut Staatsanwaltschaft zu einer körperlichen Auseinandersetzung. Der Mann verletzt den Beamten lebensgefährlich mit dem Messer. Nur durch eine Notoperation kann der Polizist gerettet werden.
106.000 Beamt:innen sind laut Bundeskriminalstatistik im Jahr 2023 Opfer einer gegen sie gerichteten Gewalttat geworden. Allein in Berlin gab es im vergangenen Jahr etwa 10.500 Fälle von solchen Angriffen gegen Einsatzkräfte.
"Es gibt Tage, da steigen wir mit der Waffe an der Hand aus dem Auto", sagt ein Hauptkommissar dem "Tagesspiegel". Diese komme zwar selten tatsächlich zum Einsatz, doch der aktive Schutz der eigenen Person werde immer wichtiger.
Der Polizist berichtet, dass es auch in Berlin mal ruhige Tage gebe. In manchen Fällen müsse man jedoch direkt mit dem Mannschaftswagen ausrücken. Oft geschehe dies, wenn es sich um Bandenmitglieder handelt, die in großen Gruppen unterwegs sind.
Eine weitere Berliner Hauptkommissarin bestätigt diese Ansicht. "Ab fünf, sechs Männern wird’s häufig heftig. 'Fotze', 'Hure' – alles schon gehört", sagt sie dem "Tagesspiegel". Wenn die Beamt:innen zu zweit unterwegs sind, sei es demnach aber oft schwierig, die Personalien für eine Anzeige festzustellen.
Sie äußert sich in ihrem Bericht auch zur Wahrnehmung durch verschiedene Gesellschaftsgruppen. "Junge Männer, die aus dem Nahen Osten stammen, sind uns gegenüber am aggressivsten. Viele von denen sind deutsche Staatsbürger, betonen aber, dass sie sich von einer Frau nichts sagen lassen", erklärt die Polizistin.
Der anonym zitierte Kommissar bringt unterdessen erneut die Ausstattung der Polizei ins Gespräch. "Mal direkt gesagt: Es kotzt mich an, dass wir mitunter immer noch eins zu eins gegen Angreifer kämpfen müssen, quasi wie im Mittelalter. Und dabei sportlich nicht immer besser sind", sagt er.
In seinen Augen ließen sich viele Vorfälle durch den Einsatz von Tasern verhindern. "Kein Kollege, den ich kenne, boxt sich gern – auch wenn das einige Politiker nicht glauben wollen", meint der Polizist weiter.
Die Polizeigewerkschaften fordern seit Jahren, Streifenpolizist:innen flächendeckend mit Tasern auszustatten. Befürworter:innen führen an, dass ein Taser im Vergleich zur Schusswaffe ein relativ harmloses Mittel sei.
Gerade bei Älteren, Schwangeren und Menschen mit Herzproblemen können Taser allerdings auch tödliche Folgen haben. Laut Amnesty gab es in dem Zusammenhang in Deutschland seit 2021 sogar mindestens zehn Todesfälle.
(mit Material der dpa)