Transparenzhinweis
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Wer mitreden darf, wenn es um Milliarden für Klimaschutz geht, entscheiden nicht nur Wähler:innen. Recherchen zeigen jetzt: Drei Lobbyverbände waren bei den SPD-Verhandlungen zur Klima- und Energiepolitik dabei – und zwar exklusiv. Und das zu einem Zeitpunkt, als längst an konkreten Formulierungen gefeilt wurde.
Bei den Verhandlungen zum Bereich Klima und Energie saßen demnach nicht nur SPD-Politiker:innen am Tisch, sondern auch Lobbyvertreter:innen. Ihr Einfluss ging offenbar weit über das korrekte Maß hinaus.
Am 17. März 2025, also mitten in den laufenden Koalitionsverhandlungen, traf sich die SPD-interne Verhandlungsgruppe für Klima und Energie, die sogenannte AG 15.
Mit dabei: Vertreter dreier Lobbyverbände. Und nicht etwa in allgemeiner beratender Funktion. Es ging offenbar um "Textpassagen", also konkrete Inhalte für den späteren Koalitionsvertrag. Das berichtet das ZDF-Magazin "frontal". Besonders pikant: In einem Fall kam die Einladung direkt vom SPD-Parteivorstand.
Eingeladen wurde unter anderem der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), der die Interessen der Stadtwerke vertritt. Der Verband bestätigte gegenüber dem ZDF, dass ein Vertreter an dem Treffen teilgenommen hat, auch auf Einladung der Parteispitze. Laut der Recherche investierte der VKU im vergangenen Jahr rund 8,2 Millionen Euro in Lobbyarbeit. Damit gehört er zu den zehn ausgabestärksten Lobbygruppen in Deutschland.
Ein Sprecher der SPD rechtfertigte demnach das Vorgehen so: "Gerade in einem so komplexen Bereich wie der Klima- und Energiepolitik ist es wichtig, sich mit verschiedenen Fachperspektiven auseinanderzusetzen." Die Entscheidungen würden aber weiterhin "im Rahmen eines demokratischen Verhandlungsprozesses" getroffen.
Noch ungewöhnlicher wird es bei SPD-Verhandler und VKU-Präsident Ulf Kämpfer. Der Kieler Oberbürgermeister berichtete später in einem Interview mit der Verbandszeitung von einem KI-Chatbot, der Vorschläge für den Koalitionsvertrag ausarbeitete. Dies sei basierend auf E-Mails von Lobbygruppen geschehen. Kämpfer nannte das "beeindruckend" und sagte, es habe "die Arbeit erleichtert".
Sarah Schönewolf, Sprecherin von Abgeordnetenwatch, schlägt angesichts solcher Aussagen Alarm. Sie spricht gegenüber dem ZDF von "gezielter Einflussnahme": "Da geht es um politische Leitlinien, da fallen Entscheidungen für die nächsten Jahre. Und ja, das ist wirklich sehr schwierig, wenn da einzelne Lobbyverbände und deren Position so bevorzugt werden."
Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) saß am 17. März mit im Raum. Der Verband erklärte gegenüber frontal, dass bei dem Treffen "Textpassagen der SPD zum Thema Wärme diskutiert" wurden – diese seien "für unseren Mitarbeiter sichtbar" gewesen.
Der BDEW gehört mit rund 9,3 Millionen Euro Lobbyausgaben im Jahr 2024 zu den finanzstärksten Interessenverbänden des Landes.
Für die Grünen-Politikerin Lisa Badum ist das alles ein Skandal. Im Gespräch mit dem ZDF sagte sie: "Es zeigt, wo die Loyalitäten dieser Bundesregierung liegen: nicht beim Klimaschutz oder bei der Entlastung der Verbraucher:innen, sondern zuallererst beim fossilen Kartell."
Auch der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) war beteiligt – allerdings digital und kürzer. Nach eigenen Angaben wurde eine Vertreterin "durch einen Mitarbeiter der SPD-Fraktion" eingeladen, hielt ein kurzes Eingangsstatement und beantwortete anschließend Fragen. Der BEE gab im Vergleich zu den anderen beiden Verbänden deutlich weniger Geld aus: rund 800.000 Euro im Jahr 2024.
Ein vergleichbares Treffen mit der Union gab es laut Angaben aller drei Verbände nicht. Zwar habe man, so der BDEW, "mit Vertretern von CDU/CSU im Austausch" gestanden – aber offenbar nicht auf Einladungsebene. Auch der VKU sagte laut ZDF, man habe Fachfragen aus dem Kreis der Verhandler:innen "nach bestem Wissen und Gewissen" beantwortet. Die Unionsparteien hätten selbst nicht reagierten auf wiederholte schriftliche Anfragen reagiert.
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VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebig zeigte sich nach den Gesprächen rundum zufrieden. In einem Interview vom 24. April 2025 in der Verbandszeitung sagte er: "Ich finde eine ganze Reihe konkreter Punkte" aus dem eigenen Positionspapier im finalen Koalitionsvertrag wieder.
Der Vertrag ist längst unterschrieben. Doch wie viele seiner Zeilen auf Input externer Akteure zurückgehen, das dürfte noch länger für Diskussionen sorgen. Nicht zuletzt über die Absichten, die dahinter stecken.