Derzeit haben sich CDU und CSU ganz furchtbar lieb. Bleibt die Frage: Wann kommt der Eisberg?imago/watson-montage
Deutschland
Warum sich AKK und die CSU plötzlich so lieb haben
06.01.2019, 17:39
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So viel Umarmung in der Union ist neu. Als Annegret
Kramp-Karrenbauer nach langer Anreise durch das oberbayerische
Schneegestöber endlich im Kloster Seeon ankommt, wird die neue
CDU-Chefin von der CSU-Landesgruppe im Bundestag geradezu gefeiert.
Küsschen hier, Küsschen da und dazu Glühwein für die liebe Annegret.
AKK und Alexander Dobrindt wollen unbedingt locker wirken.
Zwei Politiker, eine Glocke.Bild: reuters
Und AKK, wie sie in der Union mit ihren Initialen kurz genannt wird,
bleibt über Nacht bis zum Abschluss der Klausur am Samstagnachmittag.
Extra für die CSU-Bundestagsabgeordneten hat die 56-Jährige ihren
Urlaub unterbrochen.
Es ist ungewöhnlich, dass eine CDU-Vorsitzende so lange Gast einer CSU-Klausur ist.
Ein klares Signal für eine neue Zeit und eine neue
Zusammenarbeit zwischen CDU und CSU. AKK spricht von einem "ganz
besonderen Termin" und auch Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, im
Unionszwist noch einer der Hardliner, kommt aus dem Schwärmen kaum
heraus. Am Ende beschwört er den "Geist von Seeon" herbei. Damit hebt
er das Treffen auf eine historische Dimension, in Anspielung auf den
für die CSU noch immer sagenumwobenen "Geist von Kreuth" von 1976.
Warum haben sich die Schwesterparteien so gerne?
Geschlossenheit ist die Devise vor der Europawahl im Mai und vor den wichtigen Landtagswahlen im Osten - Brandenburg, Thüringen und Sachsen - im Herbst. Und nach den Wahlpleiten von CDU und CSU in den vergangenen Jahren hat die Union das auch nötig. Für Dobrindt ist die Union eine "Schicksalsgemeinschaft". Doch wie lang kann die inszenierte Harmonie halten? Oder anders gefragt: Was hält sie aus?
Söder am 3. Januar in Seeon.Bild: reuters
Als AKK im Klosterkeller gefeiert wird, ist der andere neue starke
Mann in der Union, der designierte CSU-Chef und bayerische
Ministerpräsident Markus Söder, schon lange wieder weg. Am Samstag
feiert er lieber ganz privat seinen 52. Geburtstag. Dass AKK und
Söder sich verpassen, hat nichts zu bedeuten, heißt es. Immerhin sei
Söder ja auch noch nicht zum Parteichef gewählt worden. Dies steht
erst am 19. Januar bei einem CSU-Sonderparteitag an. Da will dann
auch Kramp-Karrenbauer zum Gratulieren nach München kommen.
Wie ist das Verhältnis von AKK und Söder?
Dennoch pflegen die beiden neuen Unionschefs offensichtlich schon
jetzt einen engen Draht. Zum Beginn der Klausur am Donnerstag beeilt
sich Söder klar zu machen, dass er bereits mehrmals mit der neuen
CDU-Vorsitzenden und auch mit SPD-Chefin Andrea Nahles telefoniert
und sich abgesprochen habe. Ein Hinweis auf die immer wieder
beschworene neue Personal-Konstellation in der großen Koalition mit
seinen drei "Kraftzentren": Kabinett, Fraktionschefs und
Parteivorsitzende. Nur Nahles hat noch eine Doppelfunktion als
Partei- und Fraktionsvorsitzende. Dem Kabinett gehört aber auch sie
nicht an.
Die Absprachen dürften damit einen Tick schwieriger werden, machte
Dobrindt deutlich. Der Koalitionsausschuss wird eine neue Rolle
bekommen. Er soll nicht mehr nur bei Krisen einberufen werden. Hier
will man künftig auch längerfristig anstehende Themen erörtern. In
dem Ausschuss sitzen die Partei- und Fraktionsvorsitzenden. Auch
Angela Merkel (CDU) soll ihm weiter angehören, wie versichert wird,
aber eben "nur noch" als Kanzlerin. Wer wen wie stark in dieser neuen
Konstellation beeinflussen kann, wird sich zeigen. Die beiden neuen
Parteichefs Kramp-Karrenbauer und Söder scheinen jedenfalls
entschlossen, sich nicht die Butter vom Brot nehmen zu lassen.
Wohin geht die Reise für die Union in den kommenden Wochen?
Die Vorsitzenden der Schwesterparteien dürften in den nächsten
Monaten aber auch einiges damit zu tun haben, wieder Ruhe in die
eigenen Reihen zu bringen. Die CDU muss sich nach 18 Jahren Merkel an
der Parteispitze neu sortieren. AKK will sich dabei offensichtlich
von ihrer Amtsvorgängerin absetzen und auch auf Wünsche des
Wirtschafts- und des konservativen Flügels in der Partei eingehen.
Denn die wollen sich immer noch nicht mit der knappen Niederlage von
Friedrich Merz bei der Vorsitzendenwahl abfinden. Für etliche scheint
auch eine Kanzlerkandidatur von Merz noch nicht erledigt.
Welche Rolle spielt Horst Seehofer (noch)?
Bei der CSU muss nach der Ära von Horst Seehofer vor allem das
Zusammenspiel zwischen der Landes-CSU und den Bundestagsabgeordneten
neu justiert werden. Nicht zu unterschätzen ist dabei die "Herzkammer
der CSU" im Bayerischen Landtag. Die Fraktion dort verspricht sich in
der neuen Konstellation mit einem Parteichef Söder, der im Land fest
verankert scheint und gern seine Distanz zu Berlin unterstreicht,
noch mehr Einfluss auf die Ausrichtung der gesamten Partei und damit
auch auf die Politik der CSU-Landesgruppe im Bundestag.
Als wolle er solche Hoffnungen dämpfen, sagte Seehofer bei seinem
Abschied vor den CSU-Bundestagsabgeordneten in Seeon nach Angaben von
Teilnehmern: "Ihr seid als Landesgruppe die Speerspitze der CSU. Ihr
steht in der höchsten Verantwortung in unserer Partei, in einer
doppelten Verantwortung, für Bayern und unseren bundespolitischen
Anspruch." Bis sich also die neue Konstellation eingespielt hat,
dürfte es noch Reibereien geben.
Was bedeutet die neue Lage für die Union – und was für die GroKo?
Am Schluss droht dann doch zu viel der Harmonie. AKK und Dobrindt
machten nach der Klausur daher sicherheitshalber deutlich, dass CDU
und CSU auch künftig um den richtigen Weg streiten werden. Dobrindt
spricht - beschönigend - von einer "kooperativen Konkurrenz". CDU und
CSU hätten 70 Jahre lang immer miteinander gestritten, sagte
Kramp-Karrenbauer. Aber der Ton macht eben die Musik.
Sie untermauerte das mit einer Erinnerung an ihre Kinderzeit und ihre
Geschwister: "Man streitet sich. Aber wenn die Nachbarskinder kommen,
dann hält man zusammen." Und nachdem die CSU zuletzt das
Erscheinungsbild der Union wesentlich bestimmt hatte, lässt AKK in
Seeon auch wieder den Führungsanspruch der CDU unter den
Schwesterparteien durchblicken.
Und die große Koalition? Bei CDU und CSU besteht die Angst, dass
Nahles nach einem schlechten Ergebnis bei der Europawahl vor dem Aus
steht - und damit auch die Koalition. Sollte die GroKo die Europawahl
aber überstehen, steht Ende 2019, wie im Koalitionsvertrag auf
SPD-Betreiben festgeschrieben, eine Revisionsklausel im Raum.
Pessimisten sehen darin auch eine Ausstiegsklausel und damit eine
weitere Soll-Bruchstelle für die Koalition. Die neuen Optimisten AKK
und Dobrindt dagegen eine Chance.
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