Außenministerin Annalena Baerbock: Russland nimmt offenbar massiv Einfluss auf die Meinungsbildung in Deutschland.Bild: imago images / dts Nachrichtenagentur
Deutschland
Das Auswärtige Amt unter der Leitung von Annalena Baerbock (Grüne) hat eine alarmierende russische Desinformationskampagne auf der Kurznachrichtenplattform X aufgedeckt. Die Expert:innen des Ministeriums identifizierten laut einem Bericht bei ihren Untersuchungen mehr als 50.000 gefälschte Nutzerkonten.
Sie betrieben koordiniert Stimmungsmache gegen die Bundesregierung und verbreiteten insgesamt mindestens über eine Million deutschsprachige Tweets. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass die Drahtzieher aus Russland stammen.
Das Auswärtige Amt unter Leitung von Baerbock hat die Untersuchungen durchgeführt.Bild: imago images / Chris Emil Janßen
Die Untersuchungen zeigen auch, wie einflussreich die Fake-Kampagne bereits war und welches enorme Ausmaß sie annahm. So verbreiteten sich Falschinformationen mit scheinbaren Äußerungen hochrangiger Akteur:innen aus der Politik, wie etwa von Außenministerin Baerbock. Aber auch täuschend echt gefälschte Artikel von namhaften deutschen Medien sind involviert. Die Untersuchungen befeuern die Sorge vor der Einflussnahme auf politische Vorgänge durch Russland.
Untersuchungen zeigen massive Ausmaße der Russland-Kampagne
Im Fokus der Desinformationskampagne stand eine gefälschte Vorhersage der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock im September. Auf X, ehemals Twitter, verbreitete sich die Nachricht, dass der Krieg in der Ukraine "in drei Monaten" vorbei sein werde.
Die gefälschte Nachricht wurde geschickt getarnt, mit einem Profilfoto und angeblich authentischen Profil der Ministerin. Zudem gab es passende Hashtags, um die Reichweite zu erhöhen. Von gefälschten Konten wurde die Nachricht geschickt weiter verbreitet. Der Schwindel wurde erst durch eine genaue Analyse und einen Fehler entlarvt: ein kyrillisches Zeichen am Rand des Eintrags, der laut "Spiegel" auf die Urheberschaft aus Russland hinwies.
Das Ausmaß der Desinformationskampagne ist enorm.
Die vertrauliche Analyse liegt dem "Spiegel" laut eigenen Angaben in Auszügen vor. Die Expert:innen des Auswärtigen Amts machten demnach allein im Zeitraum vom 20. Dezember bis 20. Januar mehr als 50.000 gefälschte Nutzerkonten aus. Diese verbreiteten täglich rund 200.000 deutschsprachige Tweets – laut Analyse mit dem klaren Ziel, die öffentliche Meinung zu manipulieren.
Vorwürfe gegen die Bundesregierung waren dabei besonders präsent: So gab es zahlreiche "User" auf X, die darüber schimpfen, dass die Ampel angeblich die eigenen Bürger:innen vernachlässige, um die Ukraine zu unterstützen. Einige der Tweets erreichten eine beachtliche Anzahl von Retweets und trugen so zur Verbreitung der gefälschten Nachrichten bei.
Baerbock-Ministerium entdeckt viele Hinweise auf Russland als Drahtzieher
Bereits im Jahr 2022 wurde eine Desinformations-Kampagne unter dem Namen "Doppelgänger" erstmals erkannt. Russland steht im Verdacht, diese groß angelegte Operation orchestriert zu haben. Meta, der Mutterkonzern von Facebook, sperrte zahlreiche beteiligte Konten, und die EU sanktionierte zwei russische IT-Dienstleistungsfirmen wegen ihrer Beteiligung an der Kampagne.
Die Drahtzieher nutzen eine bewährte Doppelgänger-Strategie, bei der sie die Namen bekannter Medienmarken missbrauchen und deren Webseiten nachahmen. Die gefälschten Seiten imitieren beispielsweise den "Spiegel", die "Welt" und die "Süddeutsche Zeitung". Durch falsche Domain-Bezeichnungen und Links, die zu Nachahmerseiten führen, werden die Leser in die Irre geführt.
Denn auch sie sehen täuschend echt aus. So gab es etwa einen "Spiegel"-Beitrag über eine vermeintliche "soziale Explosion" in Deutschland. Dieser wurde mehr als 3700-mal retweetet. Auffällig ist, dass demnach oftmals an Wochenenden oder an russischen Feiertagen die Aktivität auf vielen Fake-Accounts stillstand.
Symbolbild: Die gefälschte "Spiegel"-Webseite sah täuschend echt aus.Bild: imago images / Pond5 Images
Sorge vor Beeinflussung der Wahlen durch Russlands Fakenews
Besonders besorgniserregend ist die Feststellung der Expert:innen, dass ein großer Teil der Kampagne offenbar automatisiert abläuft. Eine Detailanalyse von 4000 identifizierten Nutzerkonten von Beiträgen am 29. Dezember zeigt etwa, dass diese gleichzeitig und im gleichen Takt deutschsprachige Inhalte posteten. Ein Hinweis auf eine algorithmische Steuerung. Dies verstärkt die Befürchtung, dass künstliche Intelligenz zunehmend für digitale Desinformationskampagnen eingesetzt wird.
Die Enthüllungen des Baerbock-Ministeriums sorgen besonders im Hinblick auf die anstehenden Europawahlen und Landtagswahlen in ostdeutschen Bundesländern für Unruhe. Es besteht die Sorge, dass Russland erneut versuchen könnte, Einfluss auf die Wahlen zu nehmen. Das Ministerium hat seine Erkenntnisse bereits mit dem EU-Kompetenzzentrum "EU vs Disinfo" geteilt, um sie von unabhängigen Expert:innen überprüfen zu lassen.
Watson ist jetzt auf Whatsapp
Jetzt auf Whatsapp und Instagram: dein watson-Update! Wir versorgen dich
hier auf Whatsapp mit den watson-Highlights des Tages. Nur einmal pro Tag – kein Spam, kein Blabla, nur sieben Links. Versprochen! Du möchtest lieber auf Instagram informiert werden?
Hier findest du unseren Broadcast-Channel.
Die Plattform X von Multimilliardär Elon Musk gerät ebenfalls in die Kritik. Musk hatte zwar angekündigt, gegen das Bot-Problem vorzugehen, doch die jüngsten Enthüllungen zeigen, dass die Urheber von Zehntausenden von Fake-Konten auf der Plattform weiterhin aktiv sind. Das Center für Monitoring, Analyse und Strategie warnt davor, dass Musks mangelndes Interesse an Plattformintegrität ein ernsthaftes Problem darstellt. Infolge der neuen EU-Gesetze über digitale Dienste könnte X der erste große Anwendungsfall werden, der rechtlichen Konsequenzen gegenübersteht.
(mit Material von AFP)
Der Gazastreifen liegt in Schutt und Asche, das Sterben gehört dort zum Alltag, Kinder leiden massiv: Der Nahost-Konflikt und das brutale Agieren Israels im Gazastreifen spaltet die Gesellschaft. Es hagelt seit Monaten Kritik zur ungeheuren Brutalität, mit der das Land unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in der Enklave vorgeht. Auch in Israel wird der Widerstand größer.