Man könnte jetzt sagen, dass Friedrich Merz am Dienstagnachmittag den Grundstein für seine Kanzlerschaft und eine zukünftige schwarz-rote Koalition gelegt hat. Dass er in alter christdemokratischer Tradition den Pragmatismus über alles andere gestellt hat, und seine Partei mit Schwung, Entschlossenheit und hohem Risiko durch eine politische Stromschnelle gesteuert hat.
Man könnte aber auch sagen, Friedrich Merz habe sich tölpelhaft verhalten. Vorschnell, vorlaut, großspurig, mit mangelndem Fingerspitzengefühl. Denn obwohl der Bundestag am Dienstag das historische Schuldenpaket von rund einer Billion Euro verabschiedet hat, musste Friedrich Merz teures Lehrgeld zahlen. Insbesondere an die Grünen.
"Ich hab nicht verstanden, wie er sich in so ein Schlamassel bringen konnte", sagt Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge dem "Spiegel". "Erst alles zu Ende zu verhandeln und dann hoffen, dass eine Partei, die nicht Teil seiner Regierung ist, dem einfach so zustimmen würde."
Zum Hintergrund: Union und SPD haben sich in den Sondierungsgesprächen auf die Aufnahme enormer Schulden geeinigt. Das beinhaltete ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden für die Infrastruktur sowie die Aussetzung der Schuldenbremse bei Verteidigungsausgaben über einem Prozent des Bruttoinlandprodukts.
Das Problem: Dafür brauchte es eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Und da man im neugewählten Bundestag auch noch die Zustimmung der Linken benötigt hätte, entschieden sich die Sondierer dazu, die Vorhaben im alten Bundestag zur Abstimmung zu geben.
Die Union dachte sich: Da werden die Grünen sicherlich ohne Zögern mitmachen, der Vorstoß deckt sich schließlich mit vielen eigenen Positionen. Aber, Pustekuchen.
Merz bezog die Grünen nicht in die Verhandlungen mit ein, sprach der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann zur Nachbesprechung lediglich auf den Anrufbeantworter, tönte im Bundestag dann "Was wollen Sie denn noch mehr?" – und einigte sich schließlich hinter den Kulissen.
Nicht wenige sagen, dass die Grünen in den Verhandlungen schon mehr erreicht haben als in der gesamten Ampel-Regierung: 100 Milliarden Euro mehr für den Klima- und Transformationsfonds, im Infrastruktur-Sondervermögen steht das wichtige Wort "zusätzlich" vor Investitionen. Dem Verteidigungsetat ist ein breiter Sicherheitsbegriff zugrunde gelegt und zum ersten Mal ist im Grundgesetz die Klimaneutralität bis 2045 festgeschrieben.
Kann man also, fragt "Spiegel"-Journalist Markus Feldenkirchen Katharina Dröge, Friedrich Merz wirklich einen Strategen nennen? Dröge: "Gemessen an dem, was er letzte Woche gemacht hat, war das nicht sonderlich strategisch."
Mehr im Oppositionsduktus antwortete Jan van Aken, Parteivorsitzende der Linken. Man merke jetzt, dass Merz keine Regierungserfahrung hat: "Ich bin gespannt, ob er es jetzt schnell lernt. Aber er hat ja wirklich jeden Fehler gemacht, den man als Anfänger machen kann."
Dröge konnte dem nur zustimmen: "Wer Kanzler der Bundesrepublik Deutschland sein möchte, der muss da noch eine andere Verhandlungstaktik an den Tag legen, sonst wird das auch auf internationaler Ebene schwierig."
Und Otto Frick, als haushaltspolitischer Sprecher der FDP zwar nicht mehr im kommenden Parlament, zumindest aber im Gespräch vertreten, teilte mit, dass Merz' berüchtigter "Was wollen Sie denn noch mehr?"-Ausruf innerhalb der Fraktion als "Maoam-Moment" bezeichnet wird.