Thorsten Schäfer-Gümbel (links) und Horst Seehofer. dpa/watson-montage
Deutschland
29.05.2018, 06:3229.05.2018, 13:29
Der Asyl-Skandal um das Bremer Bamf (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) verschärft sich weiter. In Berlin geht es nun um die Aufklärung der Affäre.
- Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) soll an diesem Dienstag im Innenausschuss des Bundestages Auskunft zur Affäre um falsche Asylbescheide des Bamf geben.
- Den Fragen der Abgeordneten muss sich in dieser Sondersitzung auch die Bamf-Präsidentin Jutta Cordt stellen. Danach dürfte sich entscheiden, ob es einen Untersuchungsausschuss geben wird.
- Nach der FDP und der AfD wollten das auch die oppositionellen Grünen und die mitregierende SPD nicht mehr ausschließen.
Worum geht es in dem Bremer Asyl-Skandal?
Hintergrund ist ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Bremen gegen die ehemalige Leiterin der Außenstelle des Flüchtlingsamts in der Hansestadt. Unter ihrer Letung sollen zwischen 2013 und 2016 mindestens 1200 Ausländer unrechtmäßig Asyl erhalten haben. Zu den weiteren Beschuldigten in dem Ermittlungsverfahren gehören auch Anwälte und ein Dolmetscher. Die Vorfälle in Bremen haben die Aufmerksamkeit auch auf andere Außenstellen der Behörde gerichtet, in denen die Schutzquoten für Asylbewerber stark vom bundesweiten Durchschnitt abweichen.
Mehr zu der Bamf-Affäre findest du hier:
SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel warnte Seehofer. Er müsse "glaubwürdig aufklären, wann er von welchen Vorgängen Kenntnis
erlangt hat", sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks
Deutschland (RND, Dienstag). "Aufklären und Konsequenzen ziehen – davon wird auch abhängen, wie die weitere Aufarbeitung aussieht",
betonte Schäfer-Gümbel. "Wenn Herr Seehofer die Aufklärung so gar
nicht voranbringt, kann man die Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses als Ultima Ratio nicht mehr ausschließen."
Die Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Renate Künast
(Grüne), sagte watson: "Bei uns ist die
Tür grundsätzlich immer offen für einen parlamentarischen
Untersuchungsausschuss, weil er das Werkzeug der Opposition ist."
FDP und AfD hatten sich schon zuvor für die Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses ausgesprochen. Es gebe viel aufzuklären, und
ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss des Bundestages sei
dafür das beste Instrument. "Die Strukturen des Bamf müssen auf den
Prüfstand", sagte FDP-Chef Christian Lindner der "Passauer Neuen
Presse" (Dienstag). Wenn jetzt nicht aufgeklärt werde, spiele das der
AfD in die Hände.
- Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des Nachrichtenportals t-online zufolge befürworten 74 Prozent der Deutschen einen Untersuchungsausschuss.
Was sagen die Bamf-Mitarbeiter über den Asyl-Skandal?
Beschäftigte des Bundesflüchtlingsamts machten die frühere
Behördenleitung für fehlerhafte Asylentscheide mit verantwortlich.
Zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 und 2016 sei der Druck auf
die Asylentscheider groß gewesen, möglichst rasch den Berg von
Asylanträgen abzuarbeiten, sagte der Chef des Hauptpersonalrats,
Rudolf Scheinost, der Deutschen Presse-Agentur.
Damals lagen beim
Bamf bis zu 1,4 Millionen Anträge. Grundsätzlich litten bundesweit
Entscheidungen aus dieser Zeit darunter, dass der damalige
Behördenleiter Frank-Jürgen Weise die Bamf-Entscheider angehalten
habe, "Schnelligkeit über Sorgfalt und Qualität" zu stellen. Ähnlich
hatte sich Scheinost zuvor bei der Funke-Mediengruppe geäußert.
Weise wies die Kritik zurück. "Die Aussage des Personalrats ist
der durchsichtige Versuch, zu alten Strukturen zurückzukehren", sagte
er der "Rheinischen Post" (Dienstag).
"Unser Krisenmanagement hat dazu geführt, dass das Bamf überhaupt eine Chance hatte, den Anforderungen gerecht zu werden."
Der frühere Bamf-Chef Frank-Jürgen Weise
Scheinost und sein Vize Paul Müller wiesen auch der heutigen
Behördenchefin Jutta Cordt eine Mitschuld an den Problemen zu. Viele
Bamf-Mitarbeiter hätten "kein Verständnis", dass es nach
Bekanntwerden der Affäre in der Bremer Bamf-Außenstelle am Willen zur
Aufklärung ebenso mangle wie am Willen, nötige Konsequenzen zu
ziehen, zitierte die "Süddeutsche Zeitung" (Dienstag) aus einem
Schreiben des Gesamtpersonalrats an Cordt. Sie möge klarstellen, "dass für die berechtigte Kritik der Öffentlichkeit an der Arbeit des
Bundesamtes nicht die Kolleginnen und Kollegen verantwortlich sind",
zitierte die "Bild" aus dem Brief.
Als Konsequenz aus der Affäre dürfen alle Bamf-Außenstellen
Verfahren aus anderen Regionen nicht mehr eigenmächtig bearbeiten. In
einer Antwort des Bundesinnenministerium auf eine Kleine Anfrage des
FDP-Bundestagsabgeordneten Stephan Thomae heißt es: "Als unmittelbare
Reaktion auf die Feststellungen der Internen Revision des Bamf wurden
die Regelungen zum Wechsel von Bearbeitungszuständigkeiten
verändert."
Ab sofort dürften Zuständigkeiten nur noch nach
Rücksprache mit der Zentrale in Nürnberg und in begründeten Fällen -
etwa wenn es sich um mehrere Mitglieder einer Familie handele -
übernommen werden.
(pb/dpa)
Rolf Mützenich ist der Fraktionschef der SPD. In zahlreichen Debatten spricht er für seine Partei im Bundestag. Mützenich ist bekannt für seine Friedenspolitik, gleichzeitig half er aber auch bei der Durchsetzung des Sondervermögens für die Bundeswehr.