Im Fall der getöteten 14-jährigen Susanna hat der im Irak festgenommene Verdächtige Ali B. die Tat offenbar gestanden. Das berichtet die "Bild"-Zeitung am Samstag unter Verweis auf irakische Sicherheitskreise.
Der abgelehnte Asylbewerber B. soll die Schülerin aus Mainz im Mai getötet und sich später in den Irak abgesetzt haben. Er war dort in der Nacht zu Freitag festgenommen worden. Die Auslieferung gestaltet sich aber schwierig, weil Deutschland und der Irak kein gegenseitiges Rechtsabkommen haben.
"Das mit der Auslieferung läuft jetzt nach den internationalen Regeln", hatte Innenminister Horst Seehofer am Freitag erklärt. "Mit dem Irak betreten wir da ein Stück weit Neuland. So ein Verfahren kann mehrere Tage, aber auch mehrere Wochen oder gar Monate dauern", teilte die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft mit.
Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), forderte eine lückenlose Aufklärung der Umstände der Tat. Zugleich warnte sie vor überstürzten politischen Reaktionen. "Ich warne vor Schnellschüssen", sagte die Staatsministerin im Kanzleramt dem Deutschlandfunk.
Die Verantwortlichen müssen die volle Härte des Rechtsstaates erfahren. "Und dennoch gilt gleichzeitig, dass wir es nicht zulassen dürfen, dass durch diese Tat Hass in unserem Land gesät wird, dass ganze Gruppen unter einen Generalverdacht gestellt werden." Es komme darauf an, den Angehörigen gerecht zu werden und eine solche schreckliche Tat nicht politisch zu instrumentalisieren.
Susanna war diese Woche in Wiesbaden tot aufgefunden worden. Ein zweiter, in Hessen festgenommener, Verdächtiger ist mittlerweile wieder auf freiem Fuß, da sich der Tatverdacht nicht erhärtete.
Ali B. war nach Polizeiangaben im Oktober 2015 nach Deutschland eingereist. Zuletzt lebte er mit seinen Eltern und den fünf Geschwistern in einer Unterkunft in Wiesbaden. In seinem Asylantrag gab er an, von der PKK bedroht worden zu sein. Der Antrag wurde im Dezember 2016 abgelehnt. Weil ein Anwalt gegen die Entscheidung Klage einreichte, läuft das Verfahren noch.
Der 20-jährige B. habe die Polizei seit Anfang des Jahres "intensiv beschäftigt", sagte Polizeipräsident Stefan Müller bei einer Pressekonferenz in Wiesbaden. Im März soll er eine Stadtpolizistin angerempelt und um sich gespuckt haben. Dafür kam er in Gewahrsam. Im April soll er außerdem mit einem Komplizen einen Mann mit einem Messer bedroht und dessen Wertsachen geraubt haben.
Auch geriet er im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Vergewaltigung einer Elfjährigen in Verdacht. Das Mädchen, selbst Flüchtling, gab laut Polizei an, von einem Mann namens Ali aus der Flüchtlingsunterkunft in Wiesbaden-Erbenheim, in dem auch B. wohnte, vergewaltigt worden zu sein. Die Hinweise hätten sich aber nicht erhärten lassen, so Müller. Nur der Name Ali sei gefallen, in der Unterkunft hätten aber vier Männer mit dem Vornamen Ali gewohnt. Es habe daher keine Gründe für eine Inhaftierung gegeben.
Vergangenen Donnerstag sollen B. und seine Familie überstürzt abgereist sein. Bewohnern sollen sie erzählt haben, ihnen drohe die Abschiebung, deshalb die Flucht. Am Düsseldorfer Flughafen buchte die Familie unter falschem Namen Tickets. Sie führte so genannte Laissez-passer-Dokumente – eine Art Passierschein – in arabischer Sprache mit Passbildern mit sich, sowie deutsche Papiere. Beim Abgleich fielen den Beamten die unterschiedlichen Namen offenbar nicht auf. Unklar ist, wie die Familie damit durch die Sicherheitskontrolle kam.
Die Flüchtlingsbeauftragte Widmann-Mauz sagte, es müsse geklärt werden, wie der Verdächtige habe ausreisen können. "Wir müssen klären, warum er nicht in Untersuchungshaft war, damit wir auch die Antworten an die Bevölkerung geben, die sie brauchen, damit am Ende auch wieder Vertrauen entsteht und Akzeptanz für ein gutes Zusammenleben in unserem Land gewährleistet ist."
Von Düsseldorf reiste die Familie schließlich nach Istanbul und von dort aus weiter ins irakische Erbil. Die kurdischen Sicherheitsbehörden waren daraufhin von der Bundespolizei gebeten worden, den Verdächtigen festzunehmen, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bei der Innenministerkonferenz in Quedlinburg.
Susanna soll sich öfter in der Flüchtlingsunterkunft in Erbenheim aufgehalten haben und den Bruder von Ali Bashar gekannt haben, sagte Müller. Ein Zeuge will die 14-Jährige dort auch mit dem Tatverdächtigen gesehen haben.
Susanna war am 22. Mai von ihrer Mutter als vermisst gemeldet worden. Sie war mit Freunden in der Wiesbadener Innenstadt unterwegs gewesen und abends nicht wie abgesprochen in ihr Elternhaus in Mainz zurückgekehrt. Tagelang suchte die Polizei mit Hubschraubern, Spürhunden und Dutzenden Beamten nach der 14-Jährigen – vergebens.
Erst der Hinweis eines 13-jährigen Jungen brachte den entscheidenden Hinweis. Der Junge, ebenfalls ein Flüchtling, meldete sich am 3. Juni bei der Polizei. Er gab an, Ali Bashar habe ihm von der Vergewaltigung und dem Mord an Susanna erzählt. Auch den mutmaßlichen Tatort nannte er.
Am Mittwoch schließlich entdeckten die Beamten die Leiche von Susanna. Sie lag in einem Erdloch in einem schwer zugänglichen Gelände bei Wiesbaden, zwischen einer Bahnlinie und der Bundesstraße 455, bedeckt mit Blättern und Reisig.
Ein zunächst ebenfalls verdächtigter türkischer Asylbewerber kam am Donnerstagabend wieder frei. Angesichts von Ermittlungsergebnissen bestehe kein dringender Tatverdacht mehr gegen den 35-Jährigen, teilte die Polizei in Wiesbaden mit. Die Staatsanwaltschaft habe daher ihren Haftbefehlsantrag bei einem Termin beim Ermittlungsrichter zurückgenommen.
Die Wiesbadener Kriminalpolizei bat in der Mitteilung erneut um Zeugenhinweise zu der Tat, die am 22. oder 23. Mai begangen worden sein soll. Am Donnerstag hatte es zunächst geheißen, zwei Männer würden verdächtigt, Susanna vergewaltigt und getötet zu haben, darunter der 35-jährige Türke.
Vor allem in Mainz und Wiesbaden trauern viele Menschen um Susanna. «Ihr Tod schmerzt uns sehr und die Umstände der schrecklichen Tat machen uns wütend», teilte der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) mit. "Ich wünsche mir, dass die Ermittlungen dazu führen, dass der oder die Täter mit der vollen Strenge des Gesetzes zu Rechenschaft gezogen werden können und für dieses abscheuliche Verbrechen büßen."
Die Integrierte Gesamtschule im Mainzer Stadtteil Bretzenheim gedachte der 14-Jährigen mit einer Schweigeminute. "Wir sind sehr betroffen", sagte Schulleiter Roland Wollowski. "Erstmal bricht alles über einem zusammen." Krisenseelsorger und Schulpsychologen sind im Einsatz.
Für die kommenden Tage sind in Mainz etliche Demonstrationen geplant. Schon im Frühjahr hatte die rechtspopulistische AfD den Mord an einer Schülerin im pfälzischen Kandel instrumentalisiert. Das Mädchen war mutmaßlich von ihrem Ex-Freund, einem Flüchtling, erstochen worden.
(mit Reuters, dpa)
Dieser Artikel ist zuerst auf t-online erschienen.