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Deutschland
22.05.2018, 06:1622.05.2018, 10:39
Die Affäre um mutmaßlich unzulässige Schutzbescheide für
Asylbewerber zieht immer weitere Kreise. Im Fokus steht zwar die
Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge
(Bamf). Einen Monat nach Bekanntwerden der Affäre werden die
Überprüfungen aber ausgeweitet.
Und es tauchen immer mehr Fragen dazu
auf, wie das Bundesamt und das übergeordnete Innenministerium unter
seinem neuen Chef Horst Seehofer (CSU) mit Informationen über die
Unregelmäßigkeiten umgangen sind.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) schließt in der Affäre personelle Konsequenzen mittlerweile nicht mehr aus. Er werde alles tun, "damit die Dinge ohne Ansehen von Personen oder Institutionen aufgeklärt werden, denn sie haben das Vertrauen in das Bamf beschädigt", sagte der CSU-Chef der "Mittelbayerischen Zeitung".
Auf Nachfrage ergänzte Seehofer: "Ich werde in der nächsten Woche Entscheidungen über organisatorische und gegebenenfalls auch personelle Konsequenzen treffen."
Worum geht es in dem Bamf-Skandal genau? Ein Überblick:
Was ist in Bremen passiert?
Unter ihrer damaligen Leiterin soll die Bremer Bamf-Stelle zwischen
2013 und 2016 mindestens rund 1200 Menschen Asyl gewährt haben, ohne
die Voraussetzungen ausreichend zu prüfen. Die Bremer
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Frau und fünf weitere
Beschuldigte - darunter Anwälte - wegen Bestechlichkeit und
bandenmäßiger Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung.
Wie kamen das Bamf und die Ermittler den Vorgängen auf die Spur?
Erste interne Hinweise soll es beim Bamf schon 2014 gegeben haben.
2016 erhielt die Ombudsperson des Bundesinnenministeriums einen
anonymen Hinweis. Zunächst soll es sich nur um 26 Verdachtsfälle
gehandelt haben. Es kam zu einem Disziplinarverfahren gegen die
Außenstellenleiterin, sie musste ihren Posten räumen, das Bamf
stellte Strafanzeige.
Tausende Asylverfahren, bei denen zwei
verdächtige Anwaltskanzleien involviert waren, wurden überprüft. Auch
als die Leiterin von ihrer Funktion entbunden wurde, blieb sie mit
anderen Aufgaben in Bremen. Als Grund nannte Bamf-Präsidentin Jutta
Cordt in interner Sitzung des Bundestagsinnenausschusses deren
schwerbehindertes Kind.
Wie wurden die fraglichen Asylbescheide erstellt?
Vielfach sollen die Antragsteller im Eiltempo durchs Asylverfahren
geschleust worden sein. Dokumente wurden laut Cordts
Ausschuss-Aussage nicht oder erst nach dem Bescheid überprüft.
Auskünfte über die Antragsteller wurden teils nur von den
involvierten Kanzleien ausgefüllt.
Die Bremer Leiterin soll laut "Spiegel" Verfahren der Anwälte massenhaft vorgezogen haben.
Asylbewerber sollen an Anwälte zum Beispiel 1000 Euro gezahlt haben.
War Bremen ein Einzelfall?
Nach bisherigen Erkenntnissen in diesem Ausmaß schon. 18000 Bremer
Entscheidungen sollen in den nächsten drei Monaten überprüft werden.
Inzwischen durchleuchtet die Bundesbehörde aber auch zehn weitere
Außenstellen: Sie fielen auf, weil sie über- oder
unterdurchschnittlich oft Schutz gewährt haben. In Stichproben sollen
8500 Fälle aus dem Jahr 2017 überprüft werden.
Wie konnte es zu dem Bremer Fall kommen?
Bamf-Präsidentin Cordt wies in interner Ausschusssitzung auf die "Ausnahmesituation" ihrer Behörde hin, die wegen des massiven
Flüchtlingszuzugs 2015 rasch von knapp 2000 auf 10.000 Mitarbeiter
anwuchs und jetzt bei rund 7000 liegt.
Vieles lag auch an der
Bamf-Organisation - so werden Verfahren von einer in andere
Außenstellen zur Bearbeitung übertragen. Wie das Bamf mit den Bremer
Vorgängen umging, ist nicht ganz aufgeklärt. So wurde bekannt, dass
ein Gruppenleiter per Mail eine "geräuschlose" Prüfung anordnete.
Wie versucht das Flüchtlingsamt, den Problemen Herr zu werden?
Im September 2017 wurden neue Qualitätssicherungssysteme eingeführt.
So sollte fortan unter anderem jeder Bescheid per Vier-Augen-Prinzip
geprüft werden. Als Konsequenz aus Bremen sollen nun unter anderem
auch Qualitätsprüfer in den Außenstellen rotieren.
Waren die Probleme beim Bamf ein Sicherheitsrisiko?
Ja. In Bremen winkte die Behörde laut "Spiegel" viele Flüchtlinge aus
Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder Bayern durch, ohne ihre
Identität ordentlich zu prüfen. Auch Menschen mit Papieren aus
damaligen Gebieten der sogenannten Terrormiliz "Islamischer Staat" und Straftäter
waren wohl darunter.
Was wusste Seehofer von den Vorgängen?
In der Bremer Außenstelle des Bamf wurde Josefa Schmid als Interims-Leiterin installiert. Die Juristin aus Bayern stellte eigene Ermittlungen an und informierte darüber Seehofers Innenstaatssekretär Stephan Mayer (beide CSU). Doch der reagierte nicht. So stattete Seehofer - angeblich - ohne Vor-Information seine Antrittsbesuch beim Bamf ab.
Kurz darauf wurde Schmid abberufen und nach Bayern zurückvesetzt. Pikant: Die ehrenamtliche Bürgermeisterin kandidiert in Bayern für die FDP für die Landtagswahl.
Innenstaatssekretär Mayer (CSU) sagte im Innenausschuss: "Ich
gehe davon aus, nach meinem Kenntnisstand, dass die Hausleitung, auch
die damalige Hausleitung, von den Vorgängen in Bremen nicht Kenntnis
erlangt hat."
Also auch Ex-Ressortchef Thomas de Maizière (CDU)
nicht. Nachfolger Horst Seehofer (CSU) soll erst im Zuge der
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen am 19. April davon erfahren
haben, obwohl die neue - und inzwischen wieder abgelöste - Bremer
Bamf-Leiterin ihn informieren wollte.
Wie geht es nun weiter?
Im Bremer Fall laufen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Neben
den internen Bamf-Prüfungen der Bremer Bescheide sowie in den zehn
weiteren Außenstellen geht auf Wunsch Seehofers auch der
Bundesrechnungshof den Vorgängen im Bamf nach, quasi als neutrale
Instanz.
Ob der Bundestag einen Untersuchungsausschuss einsetzt, ist
fraglich. FDP und AfD wollen das, aber sie bräuchten noch die Stimmen
einer weiteren Oppositionsfraktion dafür. Die Grünen sind skeptisch,
weil so ein Untersuchungsausschuss Jahre brauche und das Bamf schnell
auf Vordermann gebracht werden müsse. Die Linke sieht Aufklärung im
Innenausschuss als ausreichend an. Dieser dürfte sich Ende Mai in
einer Sondersitzung mit der Affäre befassen.
(pb/dpa)
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