Nach der jüngsten Bundestagswahl steht die politische Landschaft Deutschlands vor einem Umbruch. Die Grünen verzeichneten einen Verlust von 3,1 Prozentpunkten im Vergleich zu 2021 und erreichten lediglich 11,6 Prozent der Stimmen. Sie sind viertstärkste Kraft, nach Union, AfD und SPD.
Ein Ausscheiden aus der Regierung scheint aktuell sehr wahrscheinlich. Personelle Veränderungen dürften folgen. Vizekanzler Robert Habeck hatte bereits angekündigt, keine führende Position mehr anzustreben, wenngleich dies noch nicht sicher ist. Unterdessen bleibt unklar, welchen Weg die bisherige Außenministerin Annalena Baerbock einschlagen wird.
In internen Kreisen der Grünen wird einem Bericht zufolge spekuliert, dass Baerbock eine internationale Position anstreben könnte. Ein Parteikollege äußerte gegenüber dem "Spiegel": "Wenn sie ein internationales Amt bekommen könnte, würde sie es nehmen."
Baerbocks umfangreiche internationale Kontakte und Erfahrungen könnten sie für Rollen bei Organisationen wie den Vereinten Nationen oder der Nato qualifizieren. Ein weiterer Insider bemerkte hierzu: "Ihr Adressbuch ist größer als das von Nato-Generalsekretär Mark Rutte."
Während einer Fraktionssitzung der Grünen blieb Baerbock vage hinsichtlich ihrer zukünftigen Rolle. Sie hat dem Bericht zufolge zwar ihr Interesse an einer Führungsrolle innerhalb der Partei bekundet – allerdings nicht mit letzter Konsequenz.
Ein Teilnehmer berichtete dem "Spiegel": "Mein Eindruck aus der Fraktionssitzung war, dass Annalena Baerbock nicht unbedingt dafür zur Verfügung steht."
Eine Mehrheit der Grünen-Anhänger:innen wünscht sich jedenfalls, dass Baerbock eine Führungsrolle übernimmt. Das zeigt eine aktuelle Civey-Umfrage für watson. Demnach sprechen sich 74 Prozent dafür aus, dass sie in einer leitenden Funktion in der Bundestagsfraktion bleibt.
Doch Baerbock selbst hat sich in den vergangenen drei Jahren als Ministerin stark auf die Außenpolitik konzentriert. In Regierungskreisen wird spekuliert, dass sie sich nur schwer mit dem Gedanken anfreunden kann, künftig als Oppositionspolitikerin Anfragen an die Bundesregierung zu stellen, statt internationale Krisen zu verhandeln.
Die großen, weltpolitisch relevanten Dossiers, die Treffen mit Regierungschefs und Amtskollegen sowie die vielen Reisen: All das würde Baerbock fehlen, sagt ein Diplomat dem "Spiegel".
Dass sie sich möglicherweise auf internationaler Ebene neu orientiert, ist also zumindest nicht unrealistisch. Allerdings gibt es derzeit kaum offene Spitzenpositionen in internationalen Organisationen.
Der Posten des Nato-Generalsekretärs ist vergeben, auch in der EU-Kommission sind keine relevanten Positionen frei. In Diplomatenkreisen heißt es: International gibt es derzeit kein Amt, das Baerbock übernehmen könnte. Dennoch halten Parteifreunde es für möglich, dass sie langfristig an einer internationalen Option arbeitet.
