Bekanntlich verstehen die Französ:innen die Sprache der Liebe. Doch vor allem spricht ihr Präsident Emmanuel Macron die Sprache seines Amtskollegen Donald Trump. Bei einem kürzlichen Staatstreffen im Weißen Haus fasste er dem Republikaner scherzhaft ans Knie und löste damit regelrecht ein "Duell" aus.
Trump legte darauf seine Hand auf Macrons Knie und wollte dabei unbedingt die Oberhand behalten, obwohl sein Gesprächspartner ihn am Handgelenk packte und wegschob.
Es sind diese kleinen Machtkämpfe, die Trump gern ausübt. Er ist bekannt für seinen aggressiven Handschlag, bei dem er seinen Gegenüber nahe an sich heranzieht. Macron versteht dieses "Spiel" schon seit Trumps erster Amtszeit von 2017 bis 2021. Der Franzose balanciert zwischen Schmeichelei und Stärke.
So wagt es Macron etwa, den US-Präsidenten vor versammelter Mannschaft zu korrigieren, als er es mal wieder nicht so genau mit den Fakten nimmt.
Macrons Vorgehen: Händeschütteln, betatschen, aufgesetztes Lachen, Süßholzraspeln und dann zustechen, wenn es Trump am wenigsten erwartet. Klingt anstrengend, aber man darf nicht vergessen, woher der 78-Jährige stammt: aus der Business- und Entertainmentwelt.
Trump sagt und postet oft Dinge, die ihm wohl gerade in den Sinn kommen. Keine Spur von eloquenten Worthülsen und Diplomatie. Er beleidigt Widersacher:innen, droht Verbündeten oder teilt ein KI-Foto von sich als König der USA.
Trump ist anders und daher braucht der Umgang mit ihm auch andere Wege. Inwiefern befindet sich Friedrich Merz als baldiger Bundeskanzler hier auf festem Boden?
Politisch gesehen sind die US-Amerikaner:innen ihm vertraut. Der CDU-Politiker gilt als "Transatlantiker". Zehn Jahre lang war er Vorsitzender der Atlantikbrücke, einer überparteilichen Organisation mit Mitgliedern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in Europa und den USA.
Dazu kennt er sich im Haibecken der Geschäftswelt aus. Einige Jahre war er für den US-Finanzriesen Blackrock tätig, eines der mächtigsten Unternehmen der Welt. Inhaltlich kamen sich die Union und Trumps Maga-Lager in den vergangenen Jahren recht nahe.
Man erinnert sich an das Treffen des früheren Verkehrsministers Andreas Scheuer (CSU) und anderer CSU-Größen mit dem Hardliner und Gouverneur von Florida Ron DeSantis. Der rechtskonservative Politiker führt den Krieg gegen "Wokeness" eisern an vorderster Front an.
Durch seine Politik wird das Leben für Minderheiten in Florida zum Spießrutenlauf. Scheuer konnte sich dennoch mit DeSantis' Politik identifizieren und erntete harsche Kritik. Den Vorwurf, die CSU würde sich einem rechtsaußen Politiker andienen, konnte er nicht nachvollziehen.
Später reihte sich CDU-Mann Jens Spahn ein, als er sich als Gast beim Parteitag der Republikaner anerkennend über Trump äußerte. Das löste auch Unmut bei seinen Parteifreunden aus. Laut "rnd" warf man Spahn "zu viel Nähe" zu Trump vor.
"Auch in der Union gibt es Kräfte, die sich weiter rechts positionieren wollen und eine größere Nähe zu den Maga-Republikanern suchen", sagt USA-Experte Thomas Greven auf watson-Anfrage. Er ist Privatdozent für Politikwissenschaft am Kennedy-Institut der FU Berlin.
Laut ihm wird die Union aber insgesamt eher distanziert-diplomatisch auftreten, da eine schwarz-rote Regierung wahrscheinlich ist. Am Ende ist die Kluft zwischen Merz und Trump wohl doch größer.
Denn: "Auch Merz und die CDU/CSU verkörpern für Trump das, was er an Europa beziehungsweise der EU hasst: supranationale Regulierung sowie Integration, liberale Demokratie und Weltoffenheit", sagt Greven.
Zu große Hoffnungen auf ein besonderes persönliches Verhältnis sollte man sich demnach nicht machen.
Der USA-Experte geht nicht davon aus, dass ein Kanzler Merz die Geringschätzung Trumps für die EU kurzfristig ändern könne. Dazu müsste sich Deutschland zunächst auch sicherheitspolitisch besser aufstellen.
"Da die AfD keine Verfassungsänderungen blockieren kann, könnte es zu einer Reform der Schuldenbremse kommen, damit sich Deutschland verteidigungspolitisch realistischer aufstellen kann – aber das wird dauern", meint Greven.
Denn am Ende dürfe man in Trumps Augen nicht mit leeren Händen an den Verhandlungstisch kommen. Auch weiß der US-Präsident genau, welche Knöpfe er bei seinem Gegenüber drücken muss, um eine Reaktion zu provozieren.
Nun ist Merz bekannt für seine kleinen "Dämonen", wie es der "Spiegel" 2024 in einer Titelstory beschrieb. In der Partei kenne man den "unberechenbaren" Merz, mit dem die Emotionen wohl manchmal durchgehen, heißt es.
Auch seine Rhetorik sorgte immer wieder für Unruhe in der Partei. Zur Erinnerung: Merz warf ukrainischen Geflüchteten "Sozialtourismus" vor und nannte arabischstämmige Schüler "kleine Paschas".
Der jüngste Aufschrei: die gemeinsame Abstimmung der CDU mit der AfD im Bundestag. "Er neigt zu impulsivem Vorgehen. Ich glaube bei Merz inzwischen, dass es Kalkül ist. Die Attitüde erinnert an Donald Trump", kritisiert ihn SPD-Generalsekretär Matthias Miersch im watson-Interview vor der Bundestagswahl.
Ob Merz der Tanz auf dem politischen Parkett mit Trump glückt wie bei Macron, bleibt abzuwarten. Zumal sein französischer Amtskollege schon mehr Übung im Umgang mit dem Republikaner vorweist.