Eines ist nach der Bundestagswahl sicher: Die Sitze im Bundestag werden massiv anders besetzt sein als bisher. Stärkste Kraft wird die Union, zweitstärkste die AfD. Besonders bitter ist es für die FDP, die als einzige von den ehemaligen Regierungsparteien komplett aus dem Bundestag geflogen ist. Auch Grüne und Linke sind im Bundestag vertreten.
Die AfD wird zwar nicht Teil der Regierung sein, bildet jedoch aller Voraussicht nach eine starke oppositionelle Kraft. Wir blicken auf die genauen Verhältnisse im neuen Bundestag und schauen, zu welchen Szenarien es dadurch im Bundestag kommen könnte. Klar ist: Die AfD hat deutlich mehr Hebel in der Hand als in der bisherigen Legislaturperiode.
Nach der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 setzt sich der Bundestag wie folgt zusammen:
Die CDU/CSU bleibt stärkste Kraft, während die AfD mit 152 Sitzen erstmals zur zweitstärksten Fraktion aufsteigt.
Eine Große Koalition zwischen CDU/CSU und SPD erscheint aktuell am wahrscheinlichsten, da sie gemeinsam eine stabile Mehrheit von 328 Sitzen erreichen. CDU-Chef Friedrich Merz betonte: "Wir wollen bis spätestens Ostern eine neue Regierung bilden."
Allerdings könnten sich die Koalitionsverhandlungen wegen unterschiedlicher Positionen schwierig gestalten. Kompromisse müssen her.
AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel feierte das Ergebnis als "grandios". "Wir werden die anderen jagen", versprach sie und gab damit schon einen Einblick in das Vorhaben der Partei. Weidel signalisierte zudem Bereitschaft für Gespräche mit der Union, obwohl diese eine Zusammenarbeit ausgeschlossen hat.
Die Regierung könnte verstärkt unter Druck geraten, ihre Politik zu rechtfertigen und Kompromisse einzugehen. Denn eines ist sicher: Die AfD als größte Oppositionspartei wird ihre Position nutzen, vor allem in Sachen Migrationspolitik.
Die AfD wird als stärkste Oppositionspartei mehr Redezeit in Debatten haben und kann dadurch die öffentliche Wahrnehmung stark beeinflussen. Ihre Strategie wird wahrscheinlich darin bestehen, die Regierung unter Druck zu setzen. Etwa, indem sie immer wieder kritische Themen aufgreift und mit emotional aufgeladenen Narrativen verbindet.
Besonders in den Bereichen Migration, innere Sicherheit und Sozialpolitik wird sie versuchen, Ängste und Unzufriedenheit in der Bevölkerung gezielt zu verstärken. Ein weiteres strategisches Mittel ist die Arbeit in den Bundestagsausschüssen.
Unumstritten ist, dass die AfD mehr Einfluss in den Ausschüssen bekommt. Das sind wichtige Arbeitsgruppen im Bundestag, in denen Gesetze vorbereitet werden. Die AfD hat jetzt viel mehr Abgeordnete und will deshalb auch wichtige Posten in diesen Ausschüssen haben. Bisher wurde ihr das verweigert.
Ob sie Ausschussvorsitze bekommt, hängt davon ab, ob die anderen Parteien zustimmen. Das ist noch nicht klar. Die AfD hat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. September 2024 keinen automatischen Anspruch auf Ausschussvorsitze im Bundestag. Früher war es so, dass die stärkste Oppositionspartei traditionell etwa den Vorsitz beim Haushaltsausschuss hatte.
Mit mehr Leuten in den Ausschüssen kann die AfD jedoch öfter reden, mehr Vorschläge machen und manchmal sogar Entscheidungen blockieren. Auf jeden Fall wird die AfD in den Ausschüssen lauter zu hören sein als früher.
Die Partei wird versuchen, durch populistische Rhetorik und gezielte Provokation die politischen Debatten zu verschieben. Es besteht die Gefahr, dass der Bundestag als Institution zunehmend für spektakuläre Auftritte und kalkulierte Eklats genutzt wird, um mediale Aufmerksamkeit zu generieren. Dies könnte die sachliche Auseinandersetzung in Parlament und Gesellschaft weiter erschweren.
Zudem könnte die AfD versuchen, die Funktionsweise des Parlaments gezielt auszunutzen: Etwa indem sie Anfragen und Anträge in einer Weise stellt, die Verwaltungsapparate überlastet oder demokratische Abläufe in die Länge zieht.
Diese Strategie wurde bereits in einigen Landesparlamenten erkennbar, wo AfD-Fraktionen durch eine Flut an kleinen Anfragen Verwaltungskräfte gebunden haben. So konnten politische Blockaden erzeugt werden.
Die Regierungsparteien stehen somit vor der Herausforderung, den demokratischen Diskurs zu schützen, ohne sich von der AfD auf deren Terrain ziehen zu lassen.
Die demokratischen Parteien haben mehrere Hebel, um der AfD im Parlament entgegenzuwirken. Erstens können sie den Vorsitz im Haushaltsausschuss durch eine Mehrheitsentscheidung verhindern.
Zweitens können sie gezielt gemeinsame Initiativen starten, um AfD-Anträge ins Leere laufen zu lassen. Wenn sie in zentralen Fragen geschlossen agieren, bleibt der AfD weniger Raum, um die Debatten zu dominieren.
Drittens können sie durch klare und faktenbasierte Gegenreden verhindern, dass die AfD Parlamentsdebatten für populistische Inszenierungen nutzt. Je geschlossener die anderen Parteien auftreten, desto schwieriger wird es für die AfD, sich als "einzige echte Opposition" darzustellen.
Trotz der Herausforderung durch eine starke AfD und die Krisen im Land bietet das Wahlergebnis auch Chancen für die demokratischen Parteien. Sie alle haben die Chance, sich klarer inhaltlich zu positionieren. Das könnte einerseits dazu führen, dass Parteien sich stärker mit den Sorgen der Bevölkerung auseinandersetzen und realpolitische Lösungen umsetzen.
Die neue politische Lage könnte darüber hinaus die Zusammenarbeit zwischen den demokratischen Parteien verbessern. Oberstes Ziel: eine stabile Regierungsarbeit.
Wenn sie es schaffen, wichtige Themen wie soziale Gerechtigkeit, Klimapolitik und Migration überzeugend zu gestalten, könnten sie das Vertrauen vieler Wähler:innen zurückgewinnen. Zudem müssen sie an ihrer Kommunikation, auch auf Social Media, arbeiten. So könnte die AfD ausgebremst werden.