Mit sichtlichem Zähneknirschen trat CSU-Chef Markus Söder Mitte September vergangenen Jahres vor die Fernsehkameras, um zu verkünden, dass er ohne Zähneknirschen auf die Kanzlerkandidatur der Union verzichte. "Die K-Frage ist entschieden. Friedrich Merz macht's", sagte der bayerische Ministerpräsident. Er sei "damit fein" und unterstütze es ausdrücklich.
Explizit erwähnte er den Bundestagswahlkampf 2021, bei dem Söder wochenlang mit dem damaligen CDU-Chef Armin Laschet um die Kanzlerkandidatur gerungen hatte – und unterlag. "Ich habe ein Versprechen gegeben, das sich 2021 nicht wiederholen wird", sagte Söder also an jenem Septembertag. Friedrich Merz, der auf der Bühne neben ihm stand, habe nicht nur seine volle Rückendeckung, diese sei auch, "und das ist wichtig, mit einer sehr hohen persönlichen Wertschätzung verbunden".
Markus Söder wollte sich geändert haben. Ganz überzeugt war man schon damals nicht, im Laufe der Pressekonferenz redete der CSU-Chef zunehmend davon, dass ja auch er eine "hohe Akzeptanz und Relevanz" in den Umfragen habe, deswegen kämen grundsätzlich beide Parteivorsitzenden der Union für eine Kanzlerschaft in Frage.
Auch parteiintern bleiben Zweifel, ob sich Söder in der nun beginnenden, heißen Wahlkampfphase zurücknehme wird. "Ich kenne keinen, der glaubt, Söder würde sich am Riemen reißen", zitiert der "Tagesspiegel" ein CDU-Vorstandsmitglied. Er werde "weiter rumsödern".
Was genau mit der Wortneuschöpfung gemeint sein dürfte, ließ sich die vergangenen Monate vor allem auf Social Media beobachten. Söder lässt nicht davon ab, sich innerhalb der Union vor allem selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Er kommentiert Fußballspiele, singt Weihnachtslieder, posiert mit Hundewelpen und stellt dabei die hochpolitische Frage: "Seid ihr auch so große Hundefans wie ich?" Zuletzt imitierte er in Warschau den historischen Kniefall von Willy Brandt.
Zumindest medial macht Söder also keine Anstalten, Friedrich Merz den Vortritt zu überlassen – und bringt die CDU mit seiner Rhetorik zusätzlich in taktische Schwierigkeiten. Schon im Dezember schloss Söder eine schwarz-grüne Koalition kategorisch aus, was einerseits den möglichen Koalitionspartner SPD extrem in seiner Verhandlungsposition stärkt und die Möglichkeiten der Union einschränkt.
Laut aktuellen Umfragen sind die einzig möglichen Mehrheitsregierungen ohne Beteiligung der AfD (was die Union ausschließt) Koalitionen zwischen CDU und SPD oder CDU und Grünen. Friedrich Merz hat bislang darauf verzichtet, eine Koalition mit den Grünen auszuschließen.
Die Bundestagswahl findet in knapp sechs Wochen statt, am 23. Februar. Noch bleibt Markus Söder genug Zeit, sich zurückzunehmen – oder die CDU wie 2021 in Bedrängnis zu bringen.