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Christian Lindner vor FDP-Dreikönigstreffen: wütend, traurig, verwirrend

Leader of liberal FDP party Christian Lindner speaks during a plenary session at the German parliament Bundestag where he faces a vote of confidence, Berlin, Germany, Monday, Dec. 16, 2024. (AP Photo/ ...
Welche Trauerphase könnte Ex-Bundesfinanzminister Christian Lindner hier wohl durchleben?Bild: AP / Markus Schreiber
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Vor Dreikönigstreffen: Christian Lindners Weg durch die fünf Phasen der Trauer

06.01.2025, 07:03
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Trennungen sind schwierig, für die Geschassten besonders. Mit einem Mal stehen sie da, ihr Leben zu einem Scherbenhaufen zerschlagen. Gebeutelt, traurig, wütend. Plötzlich wird alles, was eine Person ausmachte, in Vergangenheitsform gesetzt, der Status fix umformuliert über die kleine Vorsilbe "Ex".

Ex-Frau, Ex-Mann, Ex-Bundesfinanzminister – extrem doof.

Dass Spitzenpolitiker:innen ebenso Schwierigkeiten mit Trennungen haben wie Normalos, beweist FDP-Primat Christian Lindner. Auch wenn seine Partei-Freund:innen jedwede persönliche Haltung beiseite geschoben haben, um ihn durch die schwere Zeit zu kumpeln, steckt der Mann noch tief im Verarbeitungsprozess. Und dann sitzt seine Partei auch noch in einem Flieger Richtung Bedeutungslosigkeit.

Also redet er sich den Mund fusselig, giftet rum, leugnet Realitäten. Die küchenpsychologische Schlussfolgerung: Er durchlebt die Fünf-Phasen der Trauer.

Vor dem anstehenden FDP-Dreikönigstreffen dürfte also sinnvoll sein, noch einmal zu schauen, welche Aussagen genau für welche Phasen stehen.

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Phase 1: das Nicht-Wahrhaben-Wollen

Als Scholz den Bundespräsidenten um die Entlassung Lindners bat, schaltete die PR-Maschinerie auf Vollgas. Der von da an Ex-Bundesfinanzminister stellte sich vor Kameras, gab ein Statement ab und darin Scholz die Schuld für den Bruch. Faktisch ist das richtig, Scholz hat Schluss gemacht. Als Ursache dafür benannte Lindner aber die fehlende Einsichtigkeit seiner Koalitions-Partner.

Er flüchtete sich außerdem in alternative Realitäten, benannte etwa Scholz’ Ultimatum, die Schuldenbremse auszusetzen, als Aufruf zur Verletzung seines Amtseids. Die Einhaltung der Schuldenbremse ist jedoch kein Teil davon. Ferner sei Scholz' Bruch ein kalkulierter gewesen. Fehlende Einsichtigkeit seinerseits, mögliche Kompromisse, alles Teil einer nicht-enden-wollenden Leugnungsarbeit.

Lindner will in diesem Fall nicht wahrhaben, dass seine politischen Ansätze nicht den Zuspruch erhalten, den er sich erhofft. Vielleicht aus Selbstschutz, vielleicht aufgrund einer verzerrten Selbstwahrnehmung. Wer weiß.

Phase 2: Wut

Wer wütend ist, handelt kopflos. Wie kopflos, zeigt Lindner in einem Gastbeitrag fürs "Handelsblatt". Darin schreibt er, Deutschland würde eine "Prise Milei und Musk durchaus guttun". Hinter deren Provokationen stecke eine disruptive Energie, die "Deutschland fehlt". Disruption bedeutet auch Zerstörung. Ohje!

ARCHIV - 12.09.2023, Argentinien, La Plata: Javier Milei, selbst ernannter «Anarchokapitalist» und Präsident Argentiniens, schwenkt eine Kettensäge mit seinem Namen auf einer Wahlkampfveranstaltung. D ...
Gutes Vorbild? Der argentinische Präsident Javier Milei.Bild: AP / Natacha Pisarenko

Musk und Milei wollen weniger Bürokratie, weniger Staat und mehr Marktwirtschaft. Nun ist Javier Milei, der argentinische Präsident mit der Kettensäge (Red Flag), für seine libertären Ansätze bekannt. Und die führten zu mehr Arbeitslosigkeit, weniger Kaufkraft der Löhne und Renten, schwächeren Einkommen informell Beschäftigter wie Tagelöhner:innen, erklärt zum Beispiel Ökonom Hernán Letcher in der "taz". Sein Auftreten ist radikal und medienwirksam, seine Maßnahmen nahezu staatszersetzend.

Für wütende Liberale ein klares Vorbild. Und bei Musk, nun, hier können wir uns das Tippen auch sparen.

Phase 3: Irrsinn

Eigentlich stünde an dieser Stelle die Depression, also nach dem Fünf-Trauer-Phasen-Modell, aber in Lindners Fall dürfte Irrsinn eher passen. Offensichtlich völlig trauerbenebelt schlug er vor, dass die Europäische Zentralbank Kryptowerte wie Bitcoins in ihre Reserven aufnimmt, die "Tagesschau" berichtete. Verletzte neigen zu absurden Ideen, kaufen sich zum Beispiel ein Motorrad – oder werden eben Krypto-Bros.

Zur Info: Kryptos sind rein ideell. Sie sind nirgends Landeswährung. In El Salvador war zwar der Bitcoin zeitweise eine feste Währung, doch davon rückte das Land wieder ab. Gerade Bitcoins schwanken stark, ihre Beschaffung ist energieintensiv, außerdem ist die Verteilung nicht wirklich klar. Annahme ist, dass wenige einen großen Teil der sich im Umlauf befindenden Bitcoins besitzen. Sollten sie ihre auf einen Schlag verkaufen wollen, fällt der Wert extrem.

Insofern wäre es Quatsch, wenn die EZB Bitcoin-Reserven schafft. Das gilt übrigens für alle Kryptowerte.

Phase 4: Verhandeln

Mit der dahinsiechenden Partei im Rücken, der für ihn bitteren Drei-Prozent-Realität, fehlt es Lindner an Verhandlungsmasse für mögliche Koalitionen. Er verhandelt trotzdem. Nicht mit denen, die ihn verschmähten, sondern der Union. Und auch nicht in einem Dialog, sondern ganz für sich. In einem Interview mit der Deutschen Presseagentur drängt er die Union zu einem Schwarz-Gelb-Bekenntnis.

Die Menschen würden das wollen, betont er. Die Umfragen sprechen eine andere Sprache, aber vielleicht enthalten sich die meisten FDP-Wähler:innen. Außerdem würde die CDU profitieren und niemand wolle Schwarz-Grün oder eine SPD in der Regierung. Ein trauriges Angebot, für das es (wahrscheinlich) keine Nachfrage gibt.

Wer unermüdlich mit marktwirtschaftlichen Prinzipien argumentiert, sollte eigentlich einen Rohrkrepierer erkennen. Doch Phase 4 treibt eben auch zu völlig unrealistischen Wünschen.

Phase 5: Akzeptanz

Davon ist Lindner noch weit entfernt.

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