Schon vor der Bundestagswahl 2021 war Christian Lindner (FDP) zu Gast im Podcast des Youtubers Tim Gabel. Damals vermuteten viele, dass unter anderem dieses Interview zum Hype um die FDP bei jungen Wähler:innen geführt hatte.
Jetzt war der ehemalige Finanzminister wieder zu Gast bei Gabel. Nachdem das erste Interview dafür kritisiert wurde, zu unkritisch zu sein, platzierte Gabel dieses Mal einen etwa achtminütigen Disclaimer zu Beginn des Podcasts.
In diesem erklärt er, dass es sich dabei nicht um ein kritisches Interview handele. Wer so etwas lesen wolle, solle sich bei den Mainstream-Medien informieren. Er wolle Lindner vielmehr den Raum geben, seine Argumente in der Tiefe erklären zu können.
Aber genau dazu kam es durch das Fehlen kritischer Nachfragen nicht. Vielmehr konnte Lindner einfach seine Sicht auf die Weltpolitik darstellen und musste seine Argumente nicht tiefer erläutern, da ihm Gabel immer einfach nur zustimmte.
In den Kommentaren unter dem Youtube-Video bekam er dafür viel Kritik seiner Zuschauer:innen. Ein User schrieb etwa zynisch: "Du hast vergessen, das Video als Werbung zu kennzeichnen." Ein anderer kritisierte: "Tim, du redest Lindner eine Stunde lang nach dem Mund und ihr beweihräuchert euch gegenseitig."
Was ist dran an der Kritik? Wir haben uns das Interview angeschaut, damit ihr es nicht müsst. Das sind unsere vier Erkenntnisse:
Der Block über die Schuldenbremse beginnt damit, dass sich Lindner und Gabel gegenseitig anhimmeln. So lobt der Podcaster den Ex-Finanzminister schon während der Fragestellung: "Ich finde es schön, wenn ein Politiker über sein Vier-Jahres-Mandat hinausdenkt."
Daraufhin rühmt Lindner Gabels Fragestellung: "Kompliment, dass du die Schuldenbremse über den internationalen Bereich einfliegst." Denn der Podcaster behauptet, die Abschaffung der Schuldenbremse würde zu einer neuen Staatsschuldenkrise für ganz Europa führen.
Linder unterstützt das Argument und meint, falls Deutschland die Schuldenbremse abschaffen würde, andere Länder wie Frankreich und Italien dazu verleitet werden würden, ebenfalls mehr Schulden zu machen und die europäischen Schuldenregeln zu reißen.
Über die Möglichkeit, die deutsche Schuldenbremse im Einklang mit den EU-Regeln zu reformieren, sprechen die beiden allerdings nicht. Ob es wirklich zu so einem Spillover-Effekt kommen würde und wir in eine neue Schuldenkrise schlittern würden, ist bislang auch nur Spekulation. Immerhin ist davon auszugehen, dass die europäischen Länder auch aus der letzten Krise gelernt haben.
Auch beim Bürgergeld sind sich die beiden einig: Das Grundprinzip, sich für die schwächsten der Gesellschaft einzusetzen, sei gut. Das Bürgergeld konkret allerdings schaffe zu wenige Anreize für Arbeitslose wieder arbeiten zu gehen.
Hier wird der Podcasts Gabels Anspruch der tiefergehenden Erklärungen der Argumente nicht gerecht. Denn es gibt keinerlei Nachfrage danach, welches System Lindner denn besser fände oder wie eine Reform des Bürgergelds aussehen müsse. Am Ende liefert dieser Teil des Podcasts keinen Erkenntnisgewinn zu Lindners Vorstellungen.
Auch bei diesem Thema sind sich Lindner und Gabel einig. Höhere Steuern für Reiche seien schlecht, da so Leistungsträger:innen ins Ausland abwandern würden. Wegen zu hoher Steuern gebe es schon jetzt kaum noch Investitionen aus dem Ausland in deutsche Unternehmen.
Lindner verkauft sein Argument dabei so, als wären Menschen mit einem Bruttolohn von 5000 Euro sowie selbstständige Handwerker mit einigen Mitarbeitern von einer solchen Reichensteuer betroffen. Bislang fordert allerdings keine relevante Partei eine solche Steuer. Auch darauf weist ihn Tim Gabel im Gespräch nicht hin.
Diese Kuschelatmosphäre weiß Lindner für sich zu nutzen. Tim Gabel stimmt schon fast kategorisch jeder einzelnen Aussage des FDP-Chefs zu. So kann Lindner auch ein rhetorisches "Geständnis" loswerden, das er später auf X postete.
"Wobei ich gestehe, ich habe einiges blockiert", sagte er. "Steuererhöhungen, Tempolimit, noch mehr Bürokratie. Ich gestehe, das habe ich blockiert." Damit versucht er sein Image als "Blockierer" positiv zu besetzen.
Unter seinem Post bekommt Lindner sowohl Zuspruch als auch Kritik. Ein User schreibt etwa. "Herr Lindner ist also auch noch stolz darauf, die Regierung zerstört zu haben durch seine dogmatische steinzeitliche neoliberale Haltung. Eine solche Partei, die nur blockieren will, darf nicht wieder Verantwortung bekommen!"