Mit eiserner Stimme spricht sie beinahe in die Stille hinein. Saskia Esken (SPD) steht auf der Bühne vor rund 500 enttäuschten und wütenden Juso-Delegierten. Die Co-Vorsitzende der SPD will die eigene Jugend wieder für sich gewinnen. Doch ihr Publikum ist kein einfaches.
Nur selten erhält Esken Applaus, zieht ihre Rede beinahe stoisch durch.
Einzig als sie sich Fehler bei der Nominierung von Scholz eingesteht, erntet sie einen fast schon höhnisch lauten Beifall. Sie verzieht keine Miene. Esken ist die Rolle als Punching-Bag gewohnt. Ob Kritik aus der Opposition oder aus der eigenen Parteibasis. Es wirkt stets so, als würde alles einfach an ihr abprallen.
Nach ihrer Rede muss sie weiter einstecken. Die Juso-Deligierten dürfen ihr antworten und lassen dabei kein gutes Haar an der dem Linken-Flügel der SPD zugehörigen Esken. "Es ist unfassbar, wie man sich diese Debatte als Parteiführung hat aus der Hand nehmen lassen", sagt die Juso-Delegierte Beatrice Wiesner aus Rheinland-Pfalz. "Statt Klarheit gab es Chaos und den Eindruck von Machtlosigkeit."
Auch diese Kritik geht an Esken vorbei. Statt zuzuhören, redet sie die ganze Zeit mit Juso-Chef Phillip Türmer. Und nach den Reden gegen sie verlässt sie den Kongress – ohne auf die Kritik einzugehen.
Vor knapp einem Monat konnte sich Friedrich Merz (CDU) beim sogenannten Deutschlandtag der Jungen Union feiern lassen. Die Jugendorganisation steht voll hinter dem Parteichef – sie feierte ihn in Halle (Saale) sogar schon als künftigen Kanzler.
Bei der SPD sah es am vergangenen Wochenende komplett anders aus. Gleiche Stadt, absolut andere Stimmung.
Das Hin-und-Her bei der K-Frage nehmen die Jusos der Parteiführung übel. Im Gegensatz zu Co-SPD-Chef Lars Klingbeil und dem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz traute sich Esken wenigstens zu den Jusos. Zweimal hätten sie Scholz eingeladen, trotzdem erschien er nicht zum wichtigsten Event im 120. Jubiläumsjahr seiner Jugendorganisation.
Dabei täte gerade er gut daran, wieder auf die Jugend zu hören. Auf dem kommenden Parteitag der SPD zählt der Juso-Vorstand 150 der 500 Delegierten zu seinem Einflusskreis – eine nicht zu vernachlässigende Macht innerhalb der Partei.
Und auch für den Wahlkampf sind die Jungen von bedeutender Wichtigkeit. Sie hängen Wahlplakate auf, stehen in der Kälte an den Wahlkampfständen oder gehen von Tür zu Tür. Doch wenn man sich bei den Jusos umhört, merkt man, viel Lust ist nicht mehr da, das für einen Olaf Scholz zu tun. Einen Kanzlerkandidaten, der sich nicht einmal traut, sich der Kritik der eigenen Jugend zu stellen.
Am Ende werden die Jusos trotzdem die Zähne zusammenbeißen und für das Wohl der Partei in den Winterwahlkampf starten. Doch wenn die Wahlkämpfer:innen selbst nicht einmal von ihrem eigenen Kandidaten überzeugt sind, wie sollen sie dann erst Begeisterung bei den Wähler:innen auslösen?
Sie versuchen es zumindest über Inhalte. Darüber solle möglichst viel gesprochen werden, lieber weniger über den unbeliebtesten Kanzler seit langem. Auf dem Bundeskongress beschlossen die Jusos dafür auch einige Forderungen.
Sie wollen unter anderem die Abschaffung der Schuldenbremse, Investitionen in Höhe von einer Billion Euro und eine WG-Zimmer-Garantie für Auszubildende und Studierende für maximal 400 Euro. Finanziert werden soll das etwa durch eine Vermögenssteuer.
Von diesen Forderungen kann man halten was man will, klar ist aber, dass das ein sozialdemokratisches Profil wäre – ein Profil, dass die in Umfragen abgeschlagene SPD jetzt dringend braucht, um sich sowohl von der Union als auch von den Grünen abzugrenzen.
Ob es etwas aus dem Juso-Programm auch in das SPD-Wahlprogramm schafft, wird sich dann auf dem Parteitag im Januar zeigen. Die SPD muss jetzt auf die Forderungen der Jusos eingehen.
Nach aktuellen Umfragen sieht es stark danach aus, dass die Sozialdemokraten nach der Wahl Juniorpartner in einer Koalition mit der Union werden. Sollte die SPD in einem Koalitionsvertrag mit CDU/CSU dann noch etwa an der Schuldenbremse festhalten, könne man sich im Juso-Vorstand eine Revolte vorstellen.
So wie etwa 2018 als der damalige Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert mit seiner #NoGroKo-Kampagne den Koalitionsvertrag sprengen wollte.
Damals schaffte es Kühnert zwar nicht, zog allerdings viel Aufmerksamkeit auf sich und die Forderungen der Jusos. Der jetzige Vorsitzende Phillip Türmer wäre ebenfalls genau der Typ für einen innerparteilichen Aufstand. In seinen Reden sparte er nicht an Spitzen gegen Scholz, Klingbeil und Esken – er zeigt sich konfliktfreudig. Und ob ein politisch angeknackster Scholz eine solche Kampagne überleben würde, ist zumindest fraglich.