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Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen: Weshalb sie so wichtig sind

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Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) kämpft in Sachsen für seine Partei zur Landtagswahl um Wählerstimmen.Bild: imago images / Wolfgang Maria Weber
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Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen: Das Wichtigste auf einen Blick

30.08.2024, 07:16
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Am Sonntag gilt es: Thüringen und Sachsen wählen jeweils ihren Landtag. Seit Wochen blicken Expert:innen mit Besorgnis Richtung Osten. In Sachsen liefern sich CDU und AfD ein Kopf-an-Kopf-Rennen, in Thüringen hat die AfD die Christdemokraten in den Umfragen längst abgehängt.

Folgt am Sonntag die traurige Gewissheit, in zwei deutschen Bundesländern eine AfD-Regierungsbeteiligung zu bekommen?

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Immerhin ist die Ganz-weit-rechtsaußen-Partei AfD bei den unter 18-Jährigen in Sachsen kürzlich bei einer simulierten Wahl stärkste Kraft geworden. Und das, obwohl (oder gerade weil?) die AfD sowohl in Sachsen als auch Thüringen als gesichert rechtsextrem gilt. Das Ergebnis der simulierten Wahl gilt allerdings nicht als repräsentativ, da in Sachsen und Thüringen erst ab 18 gewählt werden darf.

Ergebnisse der U18-Landtagswahl in Sachsen 2024
Bild: screenshot / u18.org

Sachsen ist das bevölkerungsreichste Ostbundesland; die CDU stellt seit der Wiedervereinigung durchgängig den Ministerpräsidenten (seit 2017 Michael Kretschmer in Koalition mit den Grünen und der SPD).

In Thüringen hat sich das politische Landesbild fast um 180 Grad gewandelt in den vergangenen fünf Jahren. Wo das Flächen-kleinste Ostbundesland noch größtenteils eine starke Linke mit 31 Prozent Zustimmungswerten hatte und mit Bodo Ramelow seit 2014 einen linken Ministerpräsidenten, wurde sie inzwischen von der AfD (29 Prozent laut Umfragen) abgelöst und kommt derzeit nur noch auf rund 13 Prozent.

Ostwahlen: Auf die "kleinen" Parteien kommt es an

Realistisch betrachtet sind nach derzeitigem (Wissens-) Stand in beiden Bundesländern nur Koalitionen unter der Führung der CDU oder der AfD möglich. Wenn auch die CDU die AfD ernsthaft verhindern, ihre 2021 ausgerufene "Brandmauer" gegen rechts hochhalten will, kommt es auf die kleinen Parteien an.

Sind sie bereit, mit der CDU zu koalieren – und umgekehrt – kann eine AfD-Regierungsbeteiligung noch verhindert werden. Derzeit regiert in Sachsen etwa die CDU mit SPD und Grünen und in Thüringen die Linke in einer Minderheitsregierung mit SPD und Grünen.

Möglich wären in Sachsen laut aktuellen Umfragen etwa Minderheitsregierungen unter CDU-Führung mit SPD und Grünen – oder eine Koalition mit dem BSW, um die AfD zu verhindern.

In Thüringen käme die CDU nicht um das BSW und Linke oder SPD herum, sollten sie Gespräche mit der AfD ausschließen.

Aber auch auf die Unentschlossenen kommt es an. In Sachsen haben sich rund 30 Prozent der Menschen noch nicht entschieden, wo sie ihr Kreuz setzen wollen.

Wenn dort unter anderem die Linke und Grünen, die beide um das Erreichen der Fünf-Prozent-Hürde und/oder mindestens zwei Direktmandate kämpfen, nicht in den Landtag kommen, fallen deren Sitze und ein Teil der Gelder unter anderem an die AfD.

Allerdings ist wichtig: Die Umfragen im Vorfeld von Wahlen sind oft ungenau, nicht selten liegen sie sogar daneben, gerade bei vielen unentschlossenen Wähler:innen. Es ist also noch alles offen.

Campact verursacht Chaos vor Ostwahlen

Doch die AfD könnte trotz allem eine Sperrminorität erhalten, also eine "Vetomacht". Dafür müsste sie nämlich nur einen bestimmten Prozentsatz der nötigen Sitze erreichen, die für eine Abstimmung im Landtag notwendig sind.

Das könnte passieren, wenn die Partei ihre aktuellen Umfrageergebnisse bestätigen kann und ihr etwa in Sachsen die Sitze der Linken und/oder beispielsweise der Grünen zufallen, wenn diese unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde blieben und keine zwei Direktmandate erringen können. Damit könnte die AfD letztlich unter anderem wichtige Änderungen an der Verfassung oder der Geschäftsordnung des Landtags blockieren, für die eine Zweidrittelmehrheit nötig ist.

Davor warnt auch die in Niedersachsen ansässige Kampagnenplattform Campact. Deshalb hat sich der Verein dazu entschieden, eine große Kampagne ins Leben zu rufen und eine Wahlempfehlung abzugeben.

In Thüringen empfiehlt Campact die strategische Zweitstimmenabgabe für die Grünen. Geschäftsführender Vorstand Campact e.V., Felix Kolb, sagt dazu:

"Basierend auf den letzten Wahlergebnissen und aktuellen Umfragen in Thüringen ist eine Sperrminorität der AfD ohne den Einzug der Grünen möglich, mit ihrem Einzug in den Landtag jedoch sehr unwahrscheinlich."

Die Grünen liegen in Thüringen derzeit in den Umfragen bei 3,3 Prozent.

In Sachsen sprach sich Campact für zwei der drei Direktkandidierenden der Linken und zwei der Grünen aus. Problematisch ist das allerdings in den Augen der beiden Parteien in dem Fall schon: Denn in den entsprechenden Wahlkreisen stehen sich ausgerechnet Grüne und Linke direkt gegenüber im Kampf um eines der überlebenswichtigen Direktmandate. Heißt: Die Wahlempfehlung spielt im Zweifel Grüne und Linke gegeneinander aus.

Vor Ort werden Kandidierende infolgedessen nun häufig von (potenziellen) Wähler:innen angesprochen, was diese nun am besten tun sollen. Viele sind verwirrt. Strategisches Wählen wird vor allem in vielen Teilen Sachsens stärker als je diskutiert.

AfD-Sieg? Konsequenzen für den Bund

Der Politikwissenschaftler Klaus Schroeder von der Freien Universität Berlin ist der Meinung, dass der Bund keine AfD-Regierung akzeptieren würde. "Wenn es dazu kommt, wird der Bund eingreifen und einen Staatskommissar einsetzen", sagte er im Gespräch mit watson. Heißt: In dem Szenario würde der Staat die Regierungsgeschäfte im Bundesland übernehmen und die gewählte Regierung absetzen.

Beispielsweise, in dem die AfD als verfassungsfeindlich definiert würde. Allerdings betonte der Experte auch, dass das mit Demokratie nicht mehr viel zu tun hätte.

Zudem bleibt ohnehin fraglich, ob die CDU es sich leisten könnte, vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr mit der AfD in Thüringen oder Sachsen – und perspektivisch auch in Brandenburg – zu koalieren. Das könnte schließlich zahlreiche christdemokratische Wähler:innen vor den Kopf stoßen.

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