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Brandenburg-Wahl: SPD und BSW als Regierung? Experte erklärt mögliche Lösung

Bundeskanzler Olaf Scholz 2R, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck 2L und Bundesfinanzminister Christian Lindner L schauen aufs Handy während der Rede von CDU Vorsitzenden Friedrich Merz im Bundest ...
Die Wahl in Brandenburg wirft neue Fragen für die Bundesregierung und die CDU auf.Bild: imago / Emmanuele Contini
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Brandenburg-Wahl: "Politiker in verzweifelten Situationen sind besonders irrational"

23.09.2024, 18:30
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Die Landtagswahl in Brandenburg bedeutet nicht nur für die Einwohner:innen in dem Bundesland einen großen Einschnitt. Auch in der Bundespolitik hinterlässt die Abstimmung ihre Spuren. Während Kandidat:innen und Gremien hinter verschlossenen Türen über Weichenstellungen diskutieren, arbeiten Beobachter:innen an Analysen und Ausblicken.

Der große Stimmenzuwachs für die AfD rückt die Demokratie einen Schritt weiter an den Abgrund. Das krachende Desaster der FDP, die mit 0,8 Prozent Zustimmung einen weiteren Tiefpunkt erlebte, führte trotzdem noch nicht zum großen Knall in der Bundesregierung.

Ein Experte erklärt, wie sich die deutsche Politik nach Brandenburg neu aufstellt.

SPD gewinnt in Brandenburg – trügerisches Wahlergebnis

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge richtete die SPD ihren Blick gen Potsdam. Die Sozialdemokraten bleiben weiterhin stärkste Kraft. 34 Jahre nach der Wende hat immer noch keine andere Partei die Mehrheit errungen. Damit gibt sie weiter den Takt im Landtag an. Und das, obwohl sie in den Umfragen hinter der AfD lag.

Zu verdanken hat die SPD ihren Sieg dem amtierenden und künftigen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke. Seit 2013 im Amt, hievte der 62-Jährige seine Partei im Stile eines Landesvaters zum Wahltriumph. Hajo Funke, emeritierter Politikwissenschaftler der Freien Universität Berlin, nennt die "Aufholjagd des Dietmar Woidke beeindruckend".

22.09.2024, Brandenburg, Potsdam: Dietmar Woidke, Ministerpr�sident und Vorsitzender der SPD in Brandenburg, w�hrend eines Interviews. In Brandenburg fand am Sonntag die Landtagswahl statt. (zu dpa: � ...
Dietmar Woidke zieht in Potsdam weiter die Fäden.Bild: dpa / Sebastian Christoph Gollnow

Er sei der Schlüssel gewesen für die Verhinderung eines AfD-Triumphs, die nur mit 1,7 Prozentpunkte Vorsprung geschlagen werden konnte. Dabei habe die SPD erfolgreich auf eine Persönlichkeitswahl gesetzt, wie es die CDU bereits in Sachsen mit Ministerpräsident Michael Kretschmer betrieben hat. Laut Funke wäre dies ohne Woidke undenkbar: "Die Brandenburger wissen, was sie an der Stabilität und Zuverlässigkeit von Dietmar Woidke haben."

BSW landet mit großen Themen der Welt im Potsdamer Landtag

Um eine Regierungskoalition zu bilden, sind die Sozialdemokraten auf den neu gegründeten BSW angewiesen, der aus dem Stand 13,5 Prozent der Stimmen erlangte. Die Verhandlungen mit der Sahra-Wagenknecht-Partei würden sicher nicht einfach, prognostizierte Funke. Grund dafür ist die Voraussetzung des BSW nach einer diplomatischen Entspannung mit Russland.

Funke glaubt, dass zwischen SPD und BSW letztlich eine diplomatische Lösung im Umgang mit den außenpolitischen Forderungen gefunden werden muss: "Ich rechne damit, dass im Koalitionsvertrag Formulierungen dem Willen des BSW zu mehr Diplomatie Rechnung tragen, ohne dass es auf Landesebene zu einer klaren Strategie kommen muss."

Demnach streben beide Parteien eher eine gesichtswahrende rhetorische Figur als einen inhaltlichen Kompromiss an. Denn die Knackpunktthemen für den BSW liegen außerhalb der brandenburgischen Machtbefugnisse. "Das bezieht sich auf die beiden kritischen Fragen des Ukraine-Kriegs und der Stationierung von US-Waffen in Deutschland", sagt Funke.

Taugt Woidke als Vorbild für Scholz? Experte hat klare Meinung

Dass die SPD den Schwung aus Brandenburg mit in den Bund nimmt, scheint nicht wahrscheinlich. Woidke taugt mit seiner "zugewandten, verlässlichen Art" zum Landesvater. Dagegen zeigt sich Olaf Scholz oft unnahbar. Dennoch müsse der Kanzler vorerst keine interne Konkurrenz fürchten: "Dafür ist die SPD zu konservativ und institutionalistisch. Der Kanzler ist gewählt worden, er ist gesetzt."

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Selbst mit kompetenten Politikern im Nacken ist ein Umschwung für Funke nicht undenkbar. Dabei müsse man versuchen, sich vom teils chaotischen Regierungsgebaren wirksam zu distanzieren. Im Hinblick auf die unbeliebte Politik der Ampelpartner sei das nicht unmöglich: "Als Gespann mit mehreren Akteuren wie Klingbeil, Kühnert und Heil können die sich sehr klar von der Ampel-Politik abheben."

FDP in Not – 0,8 Prozent als Wegweiser für die Zukunft?

Während sich die AfD über einen anhaltenden Aufwärtstrend, die SPD über den Wahltriumph und das BSW über eine garantierte Regierungsbeteiligung freuen dürfen, herrscht bei der FDP Erschütterung. Die Liberalen verpassten in der dritten Ostwahl binnen drei Wochen den Einzug ins Parlament und gehören trotz Regierungsverantwortung im Bund nur noch zu den "Sonstigen" in den neuen Bundesländern.

Pressekonferenz Wahlnachlese zum Ausgang der Landtagswahl 2024 in Brandenburg FDP Christian Lindner, Parteivorsitzender AfD und Bundesfinanzminister, w�hrend der Pressekonferenz nach der Brandenburger ...
Die FDP um Christian Lindner ist erschüttert.Bild: IMAGO/Chris Emil Janßen

Wie Parteichef Christian Lindner am Montag einräumte, war für die schallende Ohrfeige von 0,8 Prozent nicht der brandenburgische Landesverband verantwortlich, sondern die Darbietung in der Ampel. Funke glaubt: "Der Abwärtstrend der FDP ist selbstverschuldet, wenn man so rigide an der Schuldenbremse festhält."

Neben der umstrittenen Wirtschaftspolitik macht er das ständige Querschießen gegen die Koalitionspartner für den Absturz verantwortlich. Dabei sei die Lage nicht erst seit Sonntag bedenklich. Bereits seit längerem, attestiert Funke, häuften sich die Schnitzer bei den Liberalen: "Die Lage ist seit geraumer Zeit verzweifelt, und Politiker in verzweifelten Situationen sind besonders irrational."

Merz auf dem Irrweg? "Grenzschließung kein Gewinnerthema"

Während die SPD erstmals seit langem Morgenluft wittert, ist die CDU Leidtragende des Wochenendes. Auf 12,1 Prozent sackten die Christdemokraten ab, ein historischer Tiefpunkt in Brandenburg. Am Montagmorgen versuchte die Parteispitze das Narrativ zu dominieren, indem Friedrich Merz als offizieller Kanzlerkandidat bekannt gegeben wurde.

Die Personalie enthält Sprengstoff angesichts beliebter Konkurrenz innerhalb der Partei. Seit Merz' als Spitzenkandidat kommuniziert wurde, sind die Zustimmungswerte von Kanzler Scholz um neun Prozent gestiegen. Den Grund dafür macht Funke in dessen Rechtskurs aus: "Der rechtspopulistische Kurs, den Merz in einer Weise eingeschlagen hat, wie nie zuvor, lohnt sich nicht"

Er beruft sich auf Meinungsforscher in ganz Europa und sagt: "Der Blick ins europäische Ausland zeigt: Grenzschließungen sind kein Gewinnerthema für Volksparteien." Indem er den Themen der AfD hinterherlaufe, begehe er einen Irrtum mit potenzieller Stolpergefahr: "Die Kontrolle der Migration ist eine Chimäre. Je länger an dieser festgehalten wird, desto hohler klingt der Markenkern der CDU."

Hisbollah-Pager explodieren im Libanon – was steckt dahinter?

Am Dienstag explodieren hunderte kleine sogenannte Pager gleichzeitig im Libanon. Dabei wird eine dreistellige Anzahl an Menschen verletzt, einige Personen sterben. Am Mittwoch folgt dann eine zweite Welle. Wieder explodieren elektronische Geräte, dieses Mal auch Walkie-Talkies.

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