SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sieht in der Brandenburg-Wahl eine Schicksalswahl. Bild: IMAGO/Jacob Schröter
Exklusiv
21.09.2024, 15:5124.09.2024, 11:59
Die letzte der drei Ostwahlen steht an: Brandenburg wählt am Sonntag einen neuen Landtag. Auch hier schickt sich die AfD an, stärkste Kraft zu werden. Nur die in Brandenburg traditionell starke SPD kann sich dem noch in den Weg stellen.
Um einen Wahlsieg der in weiten Teilen rechtsextremen Partei zu verhindern, setzt die SPD in Brandenburg auf eine bemerkenswerte Taktik: Der populäre Ministerpräsident Dietmar Woidke gibt den Einzelkämpfer und meidet jeden Kontakt zur unbeliebten Bundespartei um Kanzler Olaf Scholz. Außerdem hat Woidke angekündigt, zurückzutreten, sollte die AfD gewinnen. Ein kühner Move, mit dem letzte Wähler:innen mobilisiert werden sollen.
Dietmar Woidke regiert Brandenburg seit elf Jahren.Bild: IMAGO images/Eberhard Thonfeld
Wie blickt man in der Bundes-SPD auf den Einzelkämpfer in Brandenburg? Und wie steht die Parteispitze zu einem möglichen Bündnis mit den Populist:innen vom Bündnis Sahra Wagenknecht? Watson hat dafür bei Generalsekretär Kevin Kühnert nachgefragt. Wir trafen ihn am Freitag auf einer Wahlkampfveranstaltung der Sozialdemokraten in Potsdam.
watson: Herr Kühnert, Ministerpräsident Dietmar Woidke hat im Wahlkampf auf Auftritte mit dem Kanzler verzichtet. Die Unbeliebtheit der Bundesregierung soll nicht auf die Landes-SPD abfärben. Warum sind Sie als Generalsekretär trotzdem nach Brandenburg gekommen?
Kevin Kühnert: Wie die gesamte Parteispitze bin ich nicht nur zum Schlussspurt in Brandenburg unterwegs, sondern schon seit Wochen. Aber es ist richtig: Dietmar Woidke macht seine Termine allein – und ich würde auch jeden Strategieberater feuern, der ihm empfohlen hätte, im Wahlkampf möglichst viel mit Bundespolitikern unterwegs zu sein. Dietmar Woidke ist als extrem beliebter Landesvater eine Marke und damit das beste Aushängeschild der SPD in Brandenburg. Er strahlt von ganz allein.
Und trotzdem sind Sie hier.
Ja und es ist richtig, dass wir hier sind. Übrigens auf ausdrücklichen Wunsch vieler SPD-Kandidierender. Zahllose Menschen haben mehr Fragen zur Bundes-, als zur Landespolitik. Als jemand, der Verantwortung in der Bundespolitik trägt, ist es meine Aufgabe, diese Fragen zu beantworten – und mich auch der Kritik zu stellen. Damit helfe ich auch dem Landtagswahlkampf ganz konkret.
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SPD und AfD liefern sich in Brandenburg ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Bei der U16-Wahl sah das aber ganz anders aus, hier erhielt die AfD fast 30 Prozent der Stimmen, die SPD gerade mal 15 Prozent. Wie will die SPD diese große Lücke bei den jungen Menschen schließen?
Bei U16- oder U18-Wahlen wird grundsätzlich weiter gestreut, es gibt schließlich keine Prozenthürde. Das sieht man unter anderem an dem sehr hohen Zustimmungswert für die Tierschutzpartei. Ich glaube, vielen wird bei der Wahl am Sonntag bewusst sein, dass sie ihre Stimme besser Parteien geben sollten, die eine realistische Chance haben, in den Landtag einzuziehen. Die SPD wird gewiss einen deutlich höheren Wert erzielen als bei der U16-Wahl. Aber nichtsdestotrotz sehen wir an diesem Ergebnis: Die Zeiten, in denen in Schulen vor allem Mitte-links gewählt wurde, sind vorbei. Diese Herausforderung muss meine Partei auch außerhalb von Wahlkämpfen annehmen.
Woidke hat für den Fall eines AfD-Sieges seinen Rücktritt angekündigt. Er will dadurch letzte Wähler:innen mobilisieren. Halten Sie diese Strategie für einen klugen Schachzug?
Ich glaube, das hat mehr mit seiner Persönlichkeit als mit Strategie zu tun. So ist Dietmar Woidke einfach und das ist es, wofür die Menschen ihn schätzen: Er macht klare Ansagen und alle wissen, woran sie sind. Über 50 Prozent in Brandenburg wollen, dass Woidke Ministerpräsident bleibt. Und wer das will, muss eben auch die Partei des Ministerpräsidenten wählen. Die jüngste Entwicklung der Umfragewerte zeigt: Viele Menschen haben diese Botschaft verstanden. Es geht um Stabilität mit Woidke oder Chaos mit der AfD. Dazwischen fällt die Entscheidung.
Sie haben vor den Wahlen in Sachsen und Thüringen gesagt: "Die SPD strebt Regierungen ohne das BSW an". Nun wird das BSW wahrscheinlich auch in Brandenburg zweistellig. Wie fühlt es sich an, jetzt doch über Koalitionen mit der Wagenknecht-Partei nachdenken zu müssen?
Unsere Landesverbände, die das schlussendlich zu entscheiden haben, haben aus guten Gründen nie Gespräche mit anderen Demokraten ausgeschlossen. Auch nicht mit dem BSW. Und ich halte ebenfalls nichts davon, sich im Vorfeld alles zu verbauen und am Ende keine Optionen mehr zu haben. Trotzdem ist es wichtig, dass Parteien vor Wahlen klar sagen, was sie anstreben und was nicht. Und in der SPD sind wir uns einig, dass Bündnisse mit einer Partei wie dem BSW, die inhaltlich ein völlig unbeschriebenes Blatt sind, besser vermieden werden sollten.
Was bedeutet das mit Blick auf Brandenburg?
Auch hier in Brandenburg wirbt das BSW mit seiner Namensgeberin, die hier nicht antritt, und mit Themen, die hier nicht zu entscheiden sind. Darum sagen wir bis zur letzten Minute: "Eine Stimme für das BSW ist eine Stimme für die Blackbox". Denn auch die Wähler wissen beim BSW nicht, welche Politik sie tatsächlich bekommen – und welche Politiker.
Ob in Talkshows oder im Bundestag, immer wieder sehen Sie sich mit der AfD und ihrer Faktenverdreherei konfrontiert. Wie diskutiert man mit Rechtsextremen und wie sehr sind Sie genervt davon?
Zur AfD ist es wichtig zu wissen: Ein Teil der Anhängerschaft hat sich nicht in der Tür geirrt, sondern steht inhaltlich leider genau da, wo die AfD hinwill. Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass das alles nur Protestwähler sind. Ein anderer Teil der AfD-Anhängerschaft signalisiert mir im Gespräch, dass Politik beziehungsweise Wahlen in ihrem Alltag vermeintlich keinen Unterschied machen. Das spornt mich an, ihnen stärker zu beweisen, dass demokratische Politik eben doch einen Unterschied macht.
Und die Funktionäre?
Das sind Populisten und Extremisten, wie sie im Bilderbuch stehen. Sie verdrehen Fakten, und es bringt auch nichts, sie vom Gegenteil überzeugen zu wollen. Es ist ihre Strategie, so zu agieren: Geht es dem Land schlecht, geht es der AfD gut. Sie wollen keine politischen Probleme lösen, sondern sie wollen die Probleme emotionalisieren und hochkochen. Das ist ihr Lebenselixier und das muss uns bewusst sein. Unser Fokus muss sich auf die demokratische Mehrheit und einen Teil der Anhängerschaft richten, aber nie auf die Funktionäre – sie haben nur unseren Widerstand und unsere tiefe Verachtung verdient.
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