Bundeskanzler Olaf Scholz hielt seine bisher kämpferischste Rede im Bundestag.Bild: dpa / Michael Kappeler
Deutschland
Deutschland will der Ukraine Mehrfachraketenwerfer und
ein modernes Flugabwehrsystem für den Kampf gegen die russischen
Angreifer liefern. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte den
ukrainischen Streitkräften in der Haushaltsdebatte des Bundestags am
Mittwoch zudem ein modernes Ortungsradar zu, das Artilleriestellungen
ausfindig machen soll.
Um die drastischen Preissteigerungen im Zuge des Kriegs abzufedern,
will der Kanzler Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu einer "konzertierten
Aktion" zusammenrufen. Das sei ein "ungewöhnlicher Schritt", der aber
angesichts der aktuellen Lage dringend geboten sei, sagte Scholz in
seiner bisher kämpferischsten Rede als Kanzler. Es gehe um eine
"gezielte Kraftanstrengung in einer außergewöhnlichen Situation".
Scholz war in den Wochen seit seiner Zeitenwende-Rede nach
Kriegsbeginn Ende Februar immer wieder Zögerlichkeit bei den
Waffenlieferungen vorgeworfen worden. Für den Abwehrkampf der
Ukrainer gegen Russland sind bisher zwar in großem Stil
Panzerabwehrwaffen, Flugabwehrraketen oder Maschinengewehre sowie
etwa 15 Millionen Schuss Munition zur Verfügung gestellt worden – aber noch keine schweren Waffen. Zugesagt sind sieben Panzerhaubitzen sowie 50 Flugabwehrpanzer vom Typ
Gepard. Die sind aber noch nicht in der Ukraine angekommen.
Annalena Baerbock sprach von einer "neuen Vernichtungswelle" in der Ukraine.Bild: imago images
Baerbock begründet Waffenlieferungen mit "neuer Vernichtungswelle"
Scholz wies den Vorwurf der Zögerlichkeit der Bundesregierung bei den
Waffenlieferungen mit aller Schärfe zurück. "Das ist doch einfach
dahergeredetes Zeug, dass sie da vortragen", sagte er an die Adresse
der Opposition. "Große Entschlossenheit, Mut und kluge Abwägung: Das
ist das, was wir tun."
Außenministerin Annalena Baerbock begründete die neuen
Waffenlieferungen mit dem aktuellen Vormarsch der russischen
Streitkräfte in der Ostukraine:
"Das ist eine neue Vernichtungswelle. Es ist auch eine neue Strategie der Entvölkerung, der Auslöschung der Zivilisation im Donbass."
Man brauche nun einen langen Atem bei der militärischen Unterstützung der Ukraine. Derzeit seien vor allem Luftabwehrsysteme, Artillerie und Drohnen gefragt. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte den Westen zuletzt wieder vor der Lieferung schwerer Waffen gewarnt.
Weitere Überraschung: "Konzertierte Aktion"
Neben den Waffenlieferungen hatte Scholz in seiner Rede eine weitere
Überraschung parat: Eine "konzertierte Aktion" gegen die
Preissteigerungen im Zuge des Ukraine-Kriegs. Dieses Thema stellte er
an den Anfang seiner Rede.
Der Begriff "konzertierte Aktion" ist aus Zeiten der ersten großen
Koalition bekannt. Angesichts der ersten Wirtschaftskrise der
Bundesrepublik rief Wirtschaftsminister Karl Schiller (SPD) 1967
Vertreter von Regierung, Bundesbank, Wirtschaftsverbänden und
Gewerkschaften an einen Tisch. "Konzertiert" meint "verabredet" – also den Versuch, Interessen freiwillig abzustimmen und in Einklang
zu bringen.
Scholz machte deutlich, dass dieser Abstimmungsprozess "kein
Dauerzustand" sein dürfe und dass es dort keine Lohnverhandlungen
geben werde. Die Sozialpartner und der Staat hätten in Deutschland
aber eine "lange Tradition, in solchen Lagen eng für das Gemeinwohl
zusammenzuarbeiten".
Arbeitgeber und Gewerkschaften begrüßten die Initiative des Kanzlers, obwohl dieser nicht in konkrete Details ging. "Arbeitgeberverbände
und Gewerkschaften haben in den bisherigen Krisen immer konstruktiv
an Lösungen mitgearbeitet. Wir werden es auch dieses Mal tun", sagte
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Die Vorsitzende des Deutschen
Gewerkschaftsbunds, Yasmin Fahimi, betonte, dass die
Sozialpartnerschaft "stets eine tragende Kraft unserer
Marktwirtschaft" gewesen sei und dies in Krisenzeiten "in besonderem
Maße unter Beweis stellen" könne.
Bild: imago images / imago images
"Durchgetänzelt": Schlagabtausch zwischen Scholz und Merz
Scholz, der seine Reden oft abliest, zeigte sich diesmal im Bundestag
ungewöhnlich angriffslustig. Dem Oppositionsführer Friedrich Merz
warf er vor, immer nur Fragen zu stellen und sich niemals wirklich zu
positionieren. "Sie sind hier durch die Sache durchgetänzelt und
haben nichts Konkretes gesagt", rief Scholz dem CDU-Chef zu.
Der hatte dem Kanzler zuvor in seiner Rede erneut mangelnde
Unterstützung der Ukraine vorgehalten: "Sie reden in letzter Zeit
etwas mehr als sonst, aber sie sagen unverändert nichts." Wenn man
sich in der Europäischen Union umhöre, gebe es mittlerweile nur noch
Verstimmungen, Enttäuschungen und "richtig Verärgerung" über die
Rolle Deutschlands.
(cfl/dpa)
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