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Tag des Mauerfalls: Wie das Interesse der Gen Z geweckt werden soll

ARCHIV - 09.11.2024, Berlin: Ein Wachtturm eines Reststücks der Grenzanlage der Berliner Mauer ist auf dem Gelände der Gedenkstätte Berliner Mauer zu sehen. (zu dpa: «Weimer: Gedenkstätten besonders w ...
Die Berliner Mauer bietet Geschichte zum Anfassen.Bild: dpa / Christoph Soeder
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Tag des Mauerfalls: Wie junge Menschen zum Erinnern animiert werden

Am 9. November jährt sich zum 36. Mal der Tag des Mauerfalls 1989. Gerade in Berlin wird viel unternommen, um an den Kampf für Freiheit und Demokratie und die Geschichte vor der Deutschen Einheit zu erinnern. Dabei werden zunehmend junge Menschen ins Auge gefasst – denn diese drohen, den Bezug zu verlieren.
09.11.2025, 07:3109.11.2025, 07:31

Erinnerungsarbeit wird nicht gerade einfacher, je weiter ein Ereignis in die Vergangenheit rückt – das zeigt sich auch bei den Themen Mauerbau, Mauerfall und DDR. Andere historische Ereignisse kommen hinzu und Zeitzeug:innen, die ihre Geschichten aus erster Hand erzählen können, werden langsam weniger.

Das Interesse an dieser Epoche ist daher vor allem bei jüngeren Menschen weniger ausgeprägt als bei älteren. Das zeigt eine aktuelle Forsa-Umfrage, die jüngst unter Berliner:innen durchgeführt wurde.

Soll sich diese Entwicklung nicht weiter fortsetzen, stehen Verantwortliche vor einer Herausforderung: die Geschichte lebendig zu halten und neue Zugänge zu schaffen, die auch junge Menschen ansprechen.

Die Stiftung Berliner Mauer versucht daher zunehmend, in ihrer Erinnerungsarbeit junge Menschen einzubauen, wie eine Sprecherin gegenüber watson erklärt.

"Wir müssen die jüngere Generation daran erinnern, dass Geschichte durchaus interessant sein kann", sagte der Berliner SED-Aufarbeitungsbeauftragte Frank Ebert bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse. Doch ist das Interesse junger Menschen wirklich so gering?

Gen Z und Alpha: Interesse an Mauer- und DDR-Geschichte?

Die Nachfrage nach den Angeboten der Stiftung Berliner Mauer jedenfalls ist in den vergangenen Jahren gestiegen, wie Sprecherin Hannah Berger watson gegenüber erklärt. "Wir hatten dieses Jahr erstmals 5000 Buchungen für Führungen und andere Angebote und mussten sogar mehrere hundert weitere Anfragen aus Kapazitätsgründen ablehnen. Es läuft also nicht schlecht", fügt sie hinzu. Das sei nicht immer so gewesen.

Dennoch gibt sie zu bedenken, dass die steigende Nachfrage nicht notwendigerweise mit einem erhöhten Interesse zu erklären ist. Die Stiftung habe ihr Angebot in den vergangenen Jahren stetig erweitert. Sie organisiert an mehreren Standorten in Berlin unterschiedliche Bildungsangebote, insbesondere auch für Schulklassen, aber auch für Erwachsene und Familien.

Die Klassen würden aus ganz Deutschland kommen, vermehrt jedoch aus dem Westen. Aus Brandenburg würden etwa überraschend wenige Klassen kommen, was laut Berger aber auch daran liegen könnte, dass im Osten generell die Erfahrung mit der DDR-Geschichte präsenter ist – und das Thema daher vielleicht nicht "spannend" und neu genug sei.

Wer wiederum den Weg nach Berlin auf sich nimmt, oftmals auch vom ganz anderen Ende Deutschlands, reise bereits mit Vorinteresse an. Dennoch würden auch die Schüler:innen, die ja meist wenig Mitspracherecht bei den Plänen ihrer Lehrer:innen haben, die Führungen interessiert verfolgen. "Die Rückmeldung von unseren Guides ist, dass die Führungen gut angenommen werden", erklärt Berger.

DDR-Zeitzeugen zentral – genau das könnte zum Problem werden

Ein Schlüssel seien dabei auch die vermehrt in die Führungen und Workshops eingebundenen Zeitzeug:innen der Mauergeschichte. "Die Jugendlichen nehmen Gespräche mit Zeitzeugen an", sagt Berger. Sie seien für junge Besucher:innen ein "emotionaler Anknüpfungspunkt", vor allem, wenn sie Geschichten erzählen, die sie etwa im Alter der Schüler:innen miterlebt haben. "Das macht den Zugang greifbarer."

Doch genau darin könnte in Zukunft ein Problem liegen. Denn was passiert, wenn diese persönlichen Verbindungen irgendwann fehlen?

Auch Berger und der Stiftung Berliner Mauer ist diese Herausforderung bewusst. "Die Frage ist: Wie kann man das Wissen konservieren und spannende Zugänge bieten, wenn Zeitzeugen nicht mehr leben?" Möglich machen sollen das laut Berger vor allem digitale Technologien; ein Bereich, in dem sie für die Bildungsarbeit großes Entwicklungspotenzial sieht.

Die Stiftung hat zwar längst auch digitale Angebote, wie einen Tourguide, der Interessierte online über das Hauptgelände rund um die Mauer an der Bernauer Straße in Berlin führt. Auch aufgenommene Interviews mit Zeitzeug:innen werden bereits angeboten.

Das Stiftungserbe lebe letztlich jedoch vor allem von Spuren und Objekten, die plastisch erlebbar seien, gibt Berger zu bedenken.

Berliner Mauer: Stiftungssprecherin trotz Herausforderung positiv

Dennoch blickt die Sprecherin positiv in die Zukunft. Sie erklärt, wie die Stiftung zunehmend auch junge Menschen als "Young Professionals" in die Arbeit der Stiftung integriert – mit Erfolg.

So würden junge Menschen etwa in die Organisation von Veranstaltungen eingebunden werden und dort Reden halten. Somit würden auch kommende Generationen "Teil der Erinnerungskultur" werden.

Angst vor einer möglicherweise steigenden Geschichts- und Demokratieverdrossenheit hat sie jedenfalls nicht – im Gegenteil. "Mich motiviert das, mir über Lösungen Gedanken zu machen", sagt Berger, und ihr Optimismus ist ihr anzuhören.

Letztendlich gehe es darum, den Menschen durch die Geschichte zu vermitteln, dass "Demokratie und Freiheit nicht selbstverständlich" seien und die Meinungsfreiheit ein "Schatz".

Daneben sollen die Besucher:innen in den Führungen und Workshops der Stiftung auch angeregt werden, über eigene Rechte, Pflichten und Möglichkeiten nachzudenken: "Was kann ich in einer Demokratie bewirken?"

Aufgrund dieser demokratiefördernden Wirkung, mahnt Berger die Politik davor, Bildungsangebote wie die Stiftung Berliner Mauer nicht zu kürzen. Die Stiftung gehört zum Land Berlin und wird jeweils zur Hälfte aus Landes- und Bundesmitteln finanziert. Dadurch kann etwa der Eintritt in die Dauerausstellung an der Bernauer Straße kostenfrei bleiben, der Eintritt in Führungen für Schüler:innen ebenfalls.

Berger macht klar: "Wenn wir diese Dinge nicht mehr kostenfrei anbieten, würde ein Großteil des Publikums nicht mehr kommen." Außerdem macht sie sich dafür stark, die DDR-Geschichte in den Lehrplänen der Republik nicht einzukürzen, "nur weil das eine kurze Epoche war". Sie sagt: "Das sind 28 Jahre, aus denen man viel ziehen kann."

Mit ihrer Meinung ist Berger nicht allein: Um das geschichtliche Erbe weiterzuführen, plädieren auch in der erwähnten Umfrage unter Berliner:innen 84 Prozent der Befragten für verpflichtende Besuche in DDR-Gedenkstätten in den Lehrplänen von Schulen.

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