Der im vergangenen Jahr bekanntgewordene Verratsfall des mutmaßlichen russischen Spions Carsten L. beim Bundesnachrichtendienst (BND) hatte bereits vor Monaten Mängel an der Geheimdienstarbeit offenbart.
Carsten L. konnte trotz Lügen im Jahr 2007 von der Bundeswehr zum BND wechseln und ist damit auch noch durch die Sicherheitsüberprüfung gekommen.
Er sitzt seit Dezember 2022 in Untersuchungshaft. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, zahlreiche interne Dokumente an Russland geliefert zu haben. Dabei hätten interne Sicherheitsmaßnahmen des BND mehrfach versagt.
Aufgrund dessen gab es nun eine Sicherheitsüberprüfung des Geheimdienstgremiums des Bundestages, dem der Grünen-Politiker Konstantin von Notz vorsteht. Dabei wurden nicht nur gravierende Mängel festgestellt. Es kam auch zu einem Vorgehen mit echtem Seltenheitswert.
Denn das Parlamentarische Kontrollgremium tagt eigentlich geheim. Doch ihre "Unterrichtung" veröffentlichten die Mitglieder auf dem Server des Bundestages. Eine solche öffentliche Forderung des Gremiums kommt eigentlich nicht vor. Sie gilt zudem als verbindlicher Arbeitsauftrag an die Bundesregierung.
Dem Bericht zufolge haben die Parlamentarier:innen bereits im April vergangenes Jahres "die Arbeitsprozesse, die Personalausstattung, die Qualitätsstandards und rechtlichen Rahmenbedingungen für die Sicherheitsüberprüfungen bei den Nachrichtendiensten des Bundes umfassend untersucht".
Dabei wies vor allem die Affäre um Carsten L. auf einen "dringenden Handlungsbedarf zur Reform der bestehenden Verfahren bei den Sicherheitsüberprüfungen hin".
Ausgerechnet Carsten L. sollte im Rahmen einer Beförderung für ebenjene Sicherheitsüberprüfungen zuständig sein.
Eigentlich sollen dadurch verdächtige Auslandsreisen oder Hinweise auf eine Spionagetätigkeit im eigenen Land aufgedeckt werden. Doch ausgerechnet L.s Nachfolgerin wurde zur Peinlichkeit des BND: Sie hatte ihre neue Stelle direkt wieder verloren, nachdem sie unerlaubterweise mit Mobiltelefon am Arbeitsplatz aufgetaucht war.
Dass sich die Abgeordneten nun öffentlich zu ihrer Sicherheitsüberprüfung des BND äußerten, bezeichneten sie selbst als "bemerkenswerten Vorgang", der "den Ernst der Lage" dokumentiere, wie der "Spiegel" schreibt.
Das Magazin zitiert den Vorsitzenden von Notz mit den Worten: "Die Zeitenwende muss endlich auch bei den Geheimdiensten ankommen." Er fordert demnach eine "schnelle Veränderung bei der Eigensicherung und der Spionageabwehr, beim BND und allen sicherheitsrelevanten Behörden".
Von Notz gab sich zudem verwundert darüber, dass der BND seine Sicherungsmaßnahmen nicht schon viel früher verstärkt habe. Schließlich sei bereits 2014 der Spion Markus R. wegen der Weitergabe von geheimen BND-Dokumenten an den US-Geheimdienst CIA aufgeflogen.
Das Gremium fordert nun entsprechende Maßnahmen. Unter anderem sollen offene Stellen besetzt werden und eine Gesetzesänderung wird gefordert, um "eine frühzeitige Erkennung und Verhinderung von Sicherheitsrisiken" zu ermöglichen.
Zudem: "Man könnte über eine Art Lizenz für Mitarbeiter der Nachrichtendienste nachdenken", zitiert der "Spiegel" etwa den SPD-Abgeordneten Ralf Stegner.
Der BND will erste Maßnahmen schnell einführen. Unter anderem einen Scanner an den Eingängen. Damit soll verhindert werden, dass Mitarbeitende ihre privaten Handys mit an den Arbeitsplatz bringen.