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Die Stimme

Bundestagswahl: 14 Millionen Menschen wählen nicht – ich darf nicht

Mitten in Berlin, aber ohne Stimme: So geht es unserer Autorin Lara. (Nein, das ist nicht Lara.)
Mitten in Berlin, aber ohne Stimme: So geht es unserer Autorin Lara. (Nein, das ist nicht Lara.)Bild: pexels / Mhajr Invincible
Die Stimme

Ohnmacht am Wahltag: Warum ich nicht wählen darf – obwohl ich gerne würde

Unsere Praktikantin Lara ist Italienerin. Sie darf in Deutschland also nicht wählen. In diesem Protokoll erzählt sie vom seltsamen Gefühl der Machtlosigkeit.
23.02.2025, 09:2223.02.2025, 09:26
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Am 23. Februar 2025 wählt ganz Deutschland einen neuen Bundestag. Ganz Deutschland? Nein. Insgesamt 14 Millionen Menschen sind hierzulande von der Bundestagswahl ausgeschlossen.

Denn so viele Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft leben laut Statistischem Bundesamt in Deutschland. Das entspricht übrigens fast genau der Anzahl an Menschen, die sich bei der Bundestagswahl 2021 bewusst dagegen entschieden haben, wählen zu gehen.

Obwohl sie hier arbeiten oder studieren, Steuern zahlen und am öffentlichen Leben teilnehmen, dürfen Menschen ohne deutschen Pass kein Kreuz setzen. Denn wählen dürfen bei der Bundestagswahl ausschließlich deutsche Staatsbürger:innen. Wenn es also darum geht, die Zukunft dieses Landes mitzubestimmen, bleibt diesen 14 Millionen Menschen aus dem Ausland nur die Zuschauerrolle.

Ich bin eine dieser 14 Millionen Menschen.

Bundestagswahl 2025: Gefangen in der Beobachterrolle

Vor mehr als zwei Jahren bin ich für mein Journalismus-Studium von Italien nach Deutschland gezogen und wahrscheinlich werde ich auch noch länger hierbleiben. Denn ich liebe Berlin. Ich liebe, wie weltoffen und tolerant diese Stadt ist. Egal, woher man kommt, was man macht oder wie man aussieht, jeder ist hier willkommen und ich würde mir wünschen, dass das auch in Zukunft so bleibt. Entsprechend gespannt blicke ich deshalb auf die Bundestagswahl.

Noch nie habe ich einen Wahlkampf so intensiv verfolgt wie dieses Jahr, nicht einmal in meiner Heimat. Durch mein Praktikum in der watson-Redaktion war ich näher dran als je zuvor: Ich habe Analysen, Umfragen, Kontroversen und Auftritte der Kandidat:innen täglich mitverfolgt. Ich habe Diskussionen über Steuerpolitik, Klimamaßnahmen und soziale Gerechtigkeit mit Freund:innen geführt und mich über die Forderungen bestimmter Parteien aufgeregt.

Ich habe die 38 Thesen des Wahl-O-Mats durchgespielt. Habe mir Gedanken gemacht und mich mit dem Ergebnis auseinandergesetzt. Gleichzeitig habe ich gehofft, dass es jeder so macht.

Ich habe TV-Duelle über mich ergehen lassen und über die Falschinformationen darin geärgert. Wie konnte man so etwas ungefiltert einfach ausstrahlen?

Jeden Erfolg der AfD habe ich besorgt beobachtet und mich gefragt, wie so viele Menschen, gegen ihre eigenen Interessen stimmen können. Gleichzeitig habe ich mir gewünscht, etwas dagegen tun zu können.

Und immer wieder habe ich dabei eines gehört: Jede Stimme zählt.

Naja, meine nicht.

Denn egal, ob ich mitentscheiden darf oder nicht – die Ergebnisse betreffen mich am Ende trotzdem. Schließlich lebe ich hier. Die Abschaffung von Paragraf 218, also die Entkriminalisierung von Abtreibungen, Steuersenkungen oder die Erhöhung des Mindestlohns wären allesamt Entscheidungen, die mein Leben und das von vielen der 14 Millionen anderen Menschen in Deutschland auch beeinflussen.

Nehmen wir mal nur das Thema Mietendeckel: Ich bin Studentin und lebe in einem WG-Zimmer. Dafür zahle ich etwa 600 Euro. Eine höhere Miete könnte ich mir nicht mehr leisten. Natürlich würde ich vom Mietendeckel profitieren.

Kein Kreuz am Wahltag – ungewisse Zukunft inklusive

Es ist ein seltsames Gefühl, so tief in die politischen Debatten einzutauchen und gleichzeitig völlig machtlos zu sein. Täglich bestimmt Politik mein Leben, aber meine Meinung spielt offiziell keine Rolle.

Während sich meine Freund:innen auf die Wahl vorbereiten, kann ich nur zugucken. Ich kann demonstrieren und ein Zeichen setzen. Klar. Aber ich kann nicht aktiv mitbestimmen, wie es mit dem Wählen möglich wäre. Stattdessen verfolge ich die Umfragen und bange mit, welche Entscheidung Deutschland am Ende treffen wird.

Gleichzeitig musste ich feststellen, dass ganz bewusst nicht alle eine Entscheidung treffen und das hat mich das sauer gemacht.

Auf Social Media stieß ich auf Personen, die öffentlich erklärten, aus Protest einfach gar nicht zu wählen. Ich war wütend: Darüber, wie leichtfertig manche mit ihren Rechten umgehen. Und auch, weil ich doch selbst so gerne ein Kreuz gesetzt hätte.

Ich will nicht behaupten, all das wäre unfair, schließlich darf ich in Italien wählen – auch wenn mich die politischen Entscheidungen dort aktuell nur wenig betreffen.

Dennoch habe ich mir mit jedem Tag, den der 23. Februar näher gerückt ist, mehr gewünscht, auch eine Stimme zu haben. Und der Frust darüber, dem, was in Deutschland gerade geschieht, nicht direkt entgegenwirken zu können, hat diesen Wunsch bis ins Unermessliche verstärkt.

Viele wissen vielleicht bis kurz davor nicht, wen sie wählen wollen. Doch wählen zu gehen, ist auch eine Verantwortung: Es ist nicht immer leicht. Aber so verdammt wichtig.

Ich kann nur hoffen, dass möglichst viele andere in meinem Sinne wählen. Dass sie Entscheidungen treffen, die auch mir und den 14 Millionen anderen Menschen ohne dieses Recht zugutekommen. Vor allem aber hoffe ich, dass die Menschen, die dürfen, überhaupt wählen gehen.

Superheld, Sprachhüter, Gourmet: Markus Söders Instagram-Posts vor der Bundestagswahl

Markus Söder ist neben seinen Rollen als CSU-Chef, bayerischer Ministerpräsident und Fast-Kanzlerkandidat auch als Social-Media-Persönlichkeit bekannt. Mal umarmt er Bäume, dann postet er ein paar Würstchen, zwischendurch auch den ein oder anderen prägnanten politischen Inhalt.

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