Kurz vor entscheidenden Wahlen können bei Wahlkämpfer:innen schonmal die Nerven blank liegen. Obwohl Berufspolitiker:innen mehr oder weniger Profis darin sind, ihre Fassung zu behalten, kann es in solchen Situationen schonmal zu Übersprungshandlungen kommen.
Improvisation ist das Stichwort. Es ist gewissermaßen immer ein unnötiges Risiko und oft ist mehr zu verlieren als zu gewinnen. Genau ein solches Verhalten fällt nun Frankreichs Premierminister Gabriel Attal auf die Füße. Bei einer Debatte zur Europawahl trat er plötzlich spontan auf die Bühne, um seiner Kollegin Valérie Hayer zur Seite zu springen.
Die Aktion wird in Frankreichs Öffentlichkeit diskutiert, einige werfen Attal sexistisches Verhalten vor.
Bisher läuft der Wahlkampf für Attals und Hayer nur mäßig. Sie sind Mitglied in der Renaissance-Partei von Präsident Emmanuel Macron. Und diese liegt in den Umfragen auf Platz zwei – weit hinter den Rechtspopulist:innen des Rassemblement National (RN). Laut einer Umfrage von Ipsos vom Wochenende liegt RN mit 33 Prozent an der Spitze.
Die Partei von Macron und Attal kommt lediglich auf 16 Prozent und hätte kaum eine Chance auf den Sieg bei den Europawahlen. Die Verantwortung für die Misere der Renaissance-Partei wird auch seiner Spitzenkandidatin Valérie Hayer gegeben. Sie hat es im Wahlkampf weitgehend versäumt, bei der Öffentlichkeit zu punkten.
Attals spontaner Auftritt bei der Debatte könnte dementsprechend auch ein Anzeichen mangelndes Vertrauens in seine Spitzenkandidatin sein. Doch was genau wird ihm vorgeworfen?
Am Montagmorgen war Hayer bei einer Veranstaltung des Radiosenders France Info zu Besuch. Wie auch die Spitzenkandidaten anderer Parteien wurde sie zur Europawahl befragt.
Plötzlich kam zu den Moderator:innen und Hayer dann aber aus dem Hintergrund auch Attal auf die Bühne. Er umarmte Hayer, gab den Journalist:innen die Hand und begann mit den Worten:
Dem britischen "Guardian" zufolge fuhr er damit fort, dass er junge Menschen ansprechen sowie Hayer "Mut machen" wolle. Anschließend sprach er über mehrere Kernthemen, die "nur durch die EU" gelöst werden könnten, etwa der Klimawandel.
Aufnahmen zeigen, wie Hayer dabei während Attals Rede verlegen neben ihm stand.
Der Auftritt brachte Attal vor allem Kritik und Spott ein. François-Xavier Bellamy, der Spitzenkandidat der konservativen Republikanischen Partei, der im Laufe der Sendung ebenfalls interviewt wurde, sah einen "Macho-Aspekt" in Attals Verhalten.
Gleichzeitig adressierte er jedoch auch Kritik Richtung Hayer. Diese scheine, immer mehr Unterstützung von außen zu gebrauchen: "Das ist die neue 'Telefonjoker'-Lebensader, die Hayer immer mehr zu nutzen scheint."
Auch andere Politiker:innen übten Kritik, die Spitzenkandidatin der Grünen, Marie Toussaint, meinte laut BBC, Premierminister Attal habe seine Füße auf Hayer abgetreten.
Hayer selber nahm Attal hinterher in Schutz und kritisierte auf X die "Instrumentalisierung der feministischen Sache". Echter Sexismus sei "der Glaube, du könntest für mich denken".