Ukrainische Streitkräfte erzielten bei der Gegenoffensive im russischen Kursk Gebietsgewinne.Bild: IMAGO/ITAR-TASS
Exklusiv
12.08.2024, 17:4812.08.2024, 19:08
Rund zweieinhalb Jahre nach der russischen Invasion hat die Ukraine zum Gegenschlag auf russischem Territorium ausgeholt. Am vergangenen Dienstag sind in der Grenzregion Kursk ukrainische Streitkräfte eingefallen und konnten erste militärische Erfolge verbuchen. Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, man wolle "Gerechtigkeit schaffen und Druck auf den Aggressor" ausüben.
Tausende ukrainische Streitkräfte sind ins Nachbargebiet eingedrungen. Wie sehr das Russland trifft, zeigen nicht nur Aufnahmen von zerstörten Flugzeuge und Hubschraubern auf russischer Seite, sondern auch die weitflächigen Evakuierungsmaßnahmen in dem Gebiet.
Bis zum Einfall der Truppen in Kursk war der Vorstoß ein gut gehütetes Geheimnis im Führungszirkel Selenskyjs. Auch enge Partner wie die USA und Deutschland seien von der Aktion überrascht worden, heißt es aus Washington und Berlin. Dabei könnte der Gegenschlag neusten Informationen zufolge mithilfe deutscher Waffen durchgeführt worden sein. Kritiker:innen befürchten, dass Deutschland nun noch tiefer in den Konflikt rutschen könnte.
Deutsche Panzer in Russland: Ukrainer nutzen Marder in Kursk
Wie Satellitenbilder bestätigten, rollen derzeit auch Panzer aus deutschem Fabrikat durch Russland. Mindestens zwei Schützenpanzer des Typs Marder wurden demnach im Gefechtsgebiet in Kursk beobachtet. Der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew äußerte daraufhin drastische Worte, verkündete auf X, bald russische Panzer im Berliner Regierungsviertel auffahren zu lassen.
Verunsichern lassen, will sich die Bundesregierung von den Drohgebärden allerdings nicht. Sie stellte klar, dass der ukrainische Vorstoß, der am Montag zu einer weiteren Evakuierung von rund 121.000 russischen Zivilist:innen aus dem benachbarten Belgorod führte, "völkerrechtlich legitim" sei.
Ob der Einsatz deutscher Waffen angemessen sei, hänge lediglich davon ab, ob die Ukraine im Rahmen des Völkerrechts handele. "Und das ist gegeben", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner in Berlin. Insofern stelle man der Ukraine keine "Auflagen für die Nutzung von Waffen".
Kiesewetter kontert Kritik: "Bestärkt russische Desinformation"
Den Schulterschluss in der Waffenfrage sucht Oppositionspolitiker Roderich Kiesewetter (CDU). Der Sicherheitsexperte der Union und Oberst a.D. bezeichnete den Vorstoß auf Anfrage von watson als "militärstrategisch sinnvoll" und hob den "operativen Wert" hervor. Die Offensive helfe, das "Momentum zurückzugewinnen". Vor allem mit Blick auf die westlichen Verbündeten bewertete er die Aktion als wichtiges Zeichen.
Roderich Kiesewetter (CDU) lobt den ukrainischen ANgriff in Kursk.Bild: dpa / Monika Skolimowska
Dass erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs wieder deutsche Panzer durch Russland rollen, hält Kiesewetter entgegen den Unkenrufen als unproblematisch: "Diese hysterische Eskalationsdiskussion findet ausschließlich in Deutschland statt." Wer in den Chor der Mahner verfalle, "bestärkt lediglich russische Narrative und Desinformation."
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Rund 20 Kilometer tief ins russische Staatsgebiet hatten sich die ukrainischen Streitkräfte vorgearbeitet, ehe der Vorstoß durch Luftschläge der russischen Luftwaffe aufgehalten wurde. Medienberichten zufolge sollen Bagger bei der Aushebung von Schützengräben beobachtet worden sein.
Kiew könnte mit dem Gegenschlag die Strategie verfolgen, sich mit Gebietsgewinnen in eine bessere Position am Verhandlungstisch zu manövrieren. Präsident Selenskyj gab bei einer Ansprache am Wochenende bekannt, dass die Offensive "Russland destabilisieren" solle. In der Evakuierungen von Zivilist:innen und der Zerstörung von Militärfahrzeugen und Infrastruktur sieht Kiesewetter Anhaltspunkte in diesem Kontext einen Erfolg für die Ukraine.
"Mehr als symbolische Bedeutung": Wird Kursk bald Verhandlungsmasse?
Zunächst könnte Selenskyjs Stab vor allem kurzfristige Ziele im Auge haben. Kiesewetter glaubt, dass es der Ukraine darum gehe, "russische Kräfte dort zu binden und ihnen erhebliche Verluste zuzufügen, damit der Druck auf die Front an anderen Stellen genommen wird". Die Region Kursk sei ein wichtiger "Bereitstellungsraum", also ein logistisches Nachschubzentrum und Ausgangspunkt für Bombenangriffe auf ukrainische Stellungen und Zivilist:innen.
Während die Nachrichten über die plötzliche Offensive vor allem im Westen als ermutigendes Signal aufgefasst wird, stellt Kiesewetter den strategischen Mehrwert hervor: "Die Erfolge der Ukraine in Kursk haben auf jeden Fall mehr als eine symbolische Bedeutung." Sowohl für die Streitkräfte als auch Zivilbevölkerung seien solche Nachrichten psychologisch wichtig und heben die Kampfmoral.
Ob sich die Ukraine in der Region halten kann, und wie viel Fokus Russland vom Hauptschauplatz des Krieges abwenden muss, bleibe abzuwarten. "Für die Ukraine ist es jedoch aktuell auf operativer und strategischer Ebene bereits ein voller Erfolg." Nun müsse man schauen, wie viele Kriegsgefangene genommen sowie militärische Ziele zerstört werden können.
Russland und das abgeschottete Nordkorea nähern sich politisch immer weiter an. Im Juni dieses Jahres besuchte der russische Machthaber Wladimir Putin Nordkorea. Es waren 24 Jahre seit seinem ersten Besuch vergangen.