Im internationalen Ferienlager Songdowon bekommen russische Kinder und Jugendliche Propaganda vom Feinsten präsentiert.Bild: IMAGO/Depositphotos
Russland
Rund drei Jahrzehnte schien es, als öffne sich Russland in Richtung Westen und westlicher Werte. Wohlhabende Russ:innen kauften vermehrt westliche Produkte, fuhren europäische Autos und reisten in die Ferien nach Griechenland, Frankreich und Spanien. Spätestens seit der Invasion in die Ukraine im Februar 2022 ist die Integration in den demokratischen Teil der Welt als Illusion entlarvt.
Stattdessen wendet sich der Kreml verstärkt dem Fernen Osten zu. Speziell mit Nordkorea hat es lange Zeit aber eher nur spärlichen Kontakt gegeben, obwohl das Land vor dem Fall der Sowjetunion kommunistischer Genosse war.
Im Juni demonstrierte Wladimir Putin bei seinem Besuch bei Nordkoreas Diktator Kim Jong-un Nähe und strategische Zusammenarbeit.
Die verläuft nicht nur auf wirtschaftlicher und militärischer Ebene, sondern auch im Tourismus. Als Werbung für Reisen nach Nordkorea diente erneut eine Gruppe russischer Schüler:innen. Denn die Ferienlager, in denen Russlands Jugend auf die Kremlpolitik eingeschworen wird, haben seit Sowjetzeiten Tradition. Das echte nordkoreanische Leben erfahren sie dort aber nicht.
Russische Kinder und Jugendliche machen Urlaub in Nordkorea
In einem Sommerferienlager zeigt sich die isolierte Diktatur von ihrer schönsten Seite. Am japanischen Meer gelegen, säumen dichte Kiefernwälder einen langen Sandstrand. Hier liegt eine Hotelanlage für internationale Besucher:innen und das internationale Kinderferienlager.
Putin zu Besuch in Nordkorea bei Kim Jong-un.Bild: Pool Sputnik Kremlin / Gavriil Grigorov
Die Anlage mit dem Titel "International Children's Camp Songdowon" besteht aus weitläufigen Gartenanlagen, Sportanlagen und Schwimmbecken mit klarem Wasser. Ein Anblick, den die wenigsten Nordkoreaner:innen jemals zu Gesicht bekommen.
In der Ferienanlage residierte während des Trips Ende Juli eine Gruppe russischer Schüler:innen. 250 ausgewählte Kinder und Jugendliche durften das sonst abgeschottete Land besuchen. Die russische Organisatorin Inna Muchina versprach eine "gute, unterhaltsame und unvergessliche Zeit".
Auf dem Reiseplan stehen etwa eine Skiausfahrt, ein Zoobesuch mit Delfinshow, ein Trip in die Hauptstadt Pjöngjang sowie ein Tag in Nordkoreas einzigem Wasserpark. Nach Vorstellung des Kreml könnten sich künftig noch mehr Russ:innen an den Ständen Nordkoreas sonnen. Mehr als 200 russische Tourist:innen durften sich 2024 ein Bild von den leeren Pisten im Skigebiet Masik-Ryong machen.
Ferienlager für "Freundschaft und Disziplin" in Nordkorea
Vorbehalten ist die Reise Schüler:innen, die sich vorbildlich mit der russischen Doktrin identifizieren. Rund 3500 Jugendliche bewarben sich bei der kremlnahen Jugendorganisation "Bewegung der Ersten" um einen der begehrten Plätze. Dafür mussten sie in einem Aufsatz begründen, warum sie Nordkorea besuchen wollten – und erklären, was sie den Einheimischen über Russland erzählen wollten.
Das internationale Ferienlager wurde bereits in den 1960er-Jahren von Staatsgründer Kim Il-sung erbaut und nun aufwendig renoviert. Neben einem gewaltigen Pool mit Wasserrutschen verfügt das Anwesen über eine Bogenschützenanlage, einen Zugang zum Strand und ein untertunneltes Aquarium.
Im Kindercamp in Songdowon können Kinder zahlreichen Hobbys nachgehen.Bild: IMAGO/Dreamstime
Laut "Bewegung der Ersten" befinde sich die Einrichtung in "exzellentem" Zustand, "um bei der Pflege der jugendlichen Disziplin" zu helfen.
Ein einstiger russischer Schüler, der den Trip bereits hinter sich hat, ist Yuri Frolov. Der junge Mann, der mittlerweile in den USA studiert, war im Teenager-Alter auf zwei verschiedenen Ausflügen in kleinerem Rahmen in Nordkorea. Was er dem US-Sender CNN über den Alltag im Feriencamp erzählt, ist keine gute Werbung für einen Urlaub in Songdowon: "Wir mussten morgens um sechs aufstehen, um die Statuen der Führer zu putzen."
Nach dem Frühdienst wurde nach Frolovs Aussage zum Frühstück gerufen, anschließend wurden Propagandalieder über Kim Jong-un und das Vaterland gesungen. "Wir wurden gezwungen, mitzusingen, dafür hatte man den Text auf russische übersetzt."
Propaganda für Kinder: Panzer Richtung Weißes Haus
Nach Frolovs Darstellung wurde die nordkoreanische Ideologie nicht frontal gelehrt: "Die Propaganda war nicht gerade heraus, die Gehirnwäsche hat auf Umwegen stattgefunden". Als Freizeitaktivität wurden etwa neben Wandern, Baden und Sport auch Videospiele angeboten – mit einem unerwarteten Dreh: "Wir fuhren virtuelle Panzer in den USA und zerstörten das Weiße Haus."
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Mitte der 2010er-Jahre, bevor sich das nordkoreanische Regime als Waffenlieferant für Russlands Angriffskrieg eine goldene Nase verdient hat, war der primäre Zweck des Schüleraustauschs nicht die ideologische Verflechtung der beiden Länder. Wie Frolov erklärte, wurden russische Tourist:innen als "Pipeline" gesehen, um den begehrten russischen Rubel ins Land zu bringen. "Sie nutzten uns wie Milchkühe, aus denen man Geld melkt", sagte er.
Inwiefern die Völkerverständigung dabei verbessert werden kann, ist fraglich. Denn, dass es zum Kontakt mit der normalen Bevölkerung kommt, ist erfahrungsgemäß ausgeschlossen. Das luxuriöse Kindercamp spiegelt die Lebensrealität der Staatsbürger:innen nicht wider. Ein Großteil der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze und darf nicht in die Nähe der Besucher:innen.
Stattdessen dürfte der Trip nach Nordkorea als Bildungsmaßnahme für künftige russische Eliten dienen. Der Tagesschau sagte der russische Pädagoge Dima Zicer: "Das ist eine ideologische Sache". Man wolle den Kindern die richtige Art von "Heimatliebe" einbläuen. "In diesem Sinne können manipulative Erwachsene verrückte Ergebnisse erzielen."
Innerhalb von Wochen sollte die Ukraine vor dem russischen Militär in die Knie gehen. Zu groß sei Russlands Heer, zu mächtig das schwere Kriegsgerät. Zweieinhalb Jahre ist es her, dass praktisch die gesamte Fachwelt und die internationale Politik diese Fehleinschätzung traf. Im Winter 2024 stellt sich der Kreml auf einen weiteren schweren Winter auf den Schlachtfeldern in der Ostukraine ein.