Aktivisten demonstrieren in Polen gegen die Autokraten Wladimir Putin und Ungarns Präsidenten Viktor Orbán. Bild: imago images / Aleksander Kalka
Gastbeitrag
In ihrem Gastbeitrag heben Grünen-Politiker:innen Jamila Schäfer und Jan-Denis Wulff die Gefahr der internationalen organisierten Kriminalität hervor und fordern die EU zum Handeln auf.
07.06.2024, 13:5807.06.2024, 15:15
gastautor:innen jamila schäfer, jan-denis wulff
"Putin ist kein Politiker, er ist ein Gangster."
Diese Worte von Julija Nawalnaja in der Washington Post verdeutlichen, dass Putins Regime nicht nur autoritär, sondern ein komplexes Gebilde organisierter Kriminalität mit mafiösen Strukturen ist.
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zeigt, dass moderne Kriege nicht nur territoriale Konflikte sind, sondern auf mehreren Ebenen geführt werden: militärische Gewalt, Unterdrückung der eigenen Bevölkerung, Zusammenarbeit mit Terrororganisationen und internationaler Kriminalität, sowie politische Einflussnahme durch Desinformation und finanzielle Unterstützung politischer Handlanger.
Für Julija Nawalnaja ist Putin ein "Gangster". Ihr Mann und Kremlkritiker Alexei Nawalny starb in Haft.Bild: Pool Sputnik Kremlin / Sergei Bobylev
Europa muss sich auf die hybride Kriegsführung einstellen
Die Bedrohungen und Verteidigungsmöglichkeiten gegen diese hybride Kriegsführung sind komplex. Es ist wichtig, diese mehrdimensionalen Angriffe zu erkennen und zu verstehen. Leider wird zu wenig darüber gesprochen, wie Demokratien widerstandsfähig gegen diese Form der Kriegsführung gemacht werden können.
Was ist eine hybride Kriegsführung?
In der hybriden Kriegsführung werden militärische, propagandistische, geheimdienstliche, cybertechnische, wirtschaftliche und kulturelle Mittel kombiniert, um den Gegner zu bekämpfen.
Jamila Schäfer ist Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen.Bild: dpa / Guido Kirchner
Internationale organisierte Kriminalität hat längst erkannt, dass sie durch internationales Handeln Rechtsstaaten und Demokratien unterwandern kann, während Nationalstaaten, die EU und die UN oft machtlos sind.
Das russische Regime besteht hauptsächlich aus einer von Oligarchen und mafiösen Strukturen geführten Vereinigung, die den Staat aushöhlen und im Krieg gegen die Ukraine ihre Interessen mit Gewalt durchsetzen. Ein Beispiel ist Putins Umgang mit Cyberkriminellen, die er nicht bekämpft, sondern für seine Zwecke nutzt. 2023 griffen prorussische Hackergruppen deutsche Websites von Landesministerien und Polizeibehörden an.
Diese Tatsachen werden zu selten in einen internationalen Kontext gesetzt und als Waffe in internationalen Konflikten erkannt. Nur durch das Verständnis dieser Bedrohungen können wir angemessen reagieren. Multidimensionale Probleme dürfen nicht auf eindimensionale Politik treffen.
EU stehen bereits Werkzeuge wie Europol zur Verfügung
Es ist an der Zeit, die betroffenen Politikfelder zu vereinen und Expertise aus verschiedenen Bereichen zu kombinieren, um wirksame Maßnahmen gegen organisierte Kriminalität zu ergreifen.
Verhandlungsdiplomatie, Stabilisierung, Strukturhilfen und öffentliche Aufklärung haben sich bewährt, um korrupten und antidemokratischen Strukturen entgegenzuwirken. Heutzutage müssen klassische Außenpolitik, Maßnahmen gegen internationale Finanzkriminalität, Cybersicherheit und die Bekämpfung von Desinformation zusammen gedacht werden.
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Angesichts der Verflechtung von Staat und organisierter Kriminalität erfordert dies eine entschlossene Kompetenzzusammenführung von Außen- und Sicherheitspolitik, einschließlich innenpolitischer Aspekte der Verbrechensbekämpfung.
Der EU stehen bereits Werkzeuge wie Europol und die AMLA (Anti-Money Laundering Authority) zur Verfügung. Diese müssen mit operativen Einheiten und entsprechenden Kompetenzen ausgestattet werden, um effektiv gegen organisierte Kriminalität vorgehen zu können.
Europol und die AMLA (Anti-Money Laundering Authority)
Europol oder Europäisches Polizeiamt ist eine Polizeibehörde der Europäischen Union mit Sitz im niederländischen Den Haag. Die EU-Behörde AMLA (Anti-Money Laundering Authority) beaufsichtigt die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in der EU.
Es bedarf des politischen Willens, den Fokus endlich auf organisierte Kriminalität zu richten. Nur durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden können diese Netzwerke wirksam bekämpft und ihre schädliche Wirkung auf die Rechtsstaatlichkeit eingedämmt werden.
Die Bevölkerung leidet unter der organisierten Kriminalität und ihren Angriffen auf die Rechtsstaatlichkeit. Ein Beispiel ist der Wohnungsmarkt.
Wohnungsknappheit aufgrund von Kriminellen
Immobilien werden von Kriminellen gekauft, oft mit Bargeld, um Geld zu waschen, während die Wohnungen leer bleiben und die Allgemeinheit unter Wohnungsknappheit leidet.
Vom organisierten Verbrechen beschlagnahmte Immobilien sollten an die Bevölkerung zurückgegeben werden. Nur durch effektive Bekämpfung der organisierten Kriminalität und den Entzug von Macht und Geld kann ihr Einfluss zurückgedrängt werden.
Viel zu lange wurde Sicherheit als nationales Thema gesehen. Die organisierte Kriminalität agiert jedoch grenzüberschreitend. Europa muss seine Freiheit und Souveränität verteidigen, indem es die veraltete Trennung zwischen den Politikfeldern aufhebt und angemessen auf die politischen Herausforderungen reagiert.
Nur so können wir verhindern, dass mafiöse Gruppierungen und Autokraten Europa für ihre Zwecke manipulieren und ausnutzen. Als Demokratinnen und Demokraten in Europa haben wir es selbst in der Hand, ob wir unseren Frieden und unsere Freiheit entschlossen verteidigen.
Mehr als zweieinhalb Jahre nach Wladimir Putins Ankündigung, Kiew innerhalb weniger Tage einzunehmen, setzt sich das Töten, Sterben und Verwunden an der ukrainischen Front ungebremst fort. Den gefährlichen Kampfeinsatz versüßt der russische Machthaber seinen Soldaten mit stetig steigenden Solden.