Die russische Armee hat ihre Angriffsstrategie in der Ostukraine spürbar verändert – und überrascht mit einem flexibleren Mittel: Motorräder. Besonders in der stark umkämpften Region um Kupjansk, wo dichte Wälder schweres Gerät ausbremsen, setzen russische Einheiten laut ukrainischem Militär vermehrt auf motorisierte Kleingruppen.
Im Interview mit dem ukrainischen Militärsender "Army TV" begründet der Stabschef des vierten Nationalgarde-Bataillons "Bureviy", der sich "Sirius" nennt: "Der Feind geht kreativ vor." Russische Soldaten würden demnach mit Motorrädern, Quads und leichten Buggys gezielt schnelle Nadelstiche setzen – und in den Wäldern blitzschnell wieder verschwinden. Das zwingt das ukrainische Militär dort zu neuen Strategien.
Statt großflächiger Panzer-Offensiven kommen nun bei Kupjansk kleinere, flexible Trupps zum Einsatz. Sirius betont: "Die Taktik ermöglicht eine bessere Manövrierfähigkeit." In Drohnenaufnahmen der ukrainischen Armee, die ebenfalls über den Militärsender verbreitet wurden, sind russische Soldaten zu sehen. Sie bewegen sich auf unebenem Gelände mit Motorrädern fort – schnell, unauffällig, schwer zu treffen.
Das Hauptziel: Überraschungsangriffe, die die Verteidigungslinien der Ukraine unterwandern sollen. Gleichzeitig stellen solche Einsätze geringere logistische Anforderungen – ein Vorteil, wenn es an schweren gepanzerten Fahrzeugen mangelt.
Doch die Ukraine bleibt nicht untätig. Die Antwort auf Russlands mobile Kriegsführung ließ nicht lange auf sich warten: Ende Mai stellte die ukrainische Armee die erste eigene Motorrad-Angriffskompanie vor – Codename "Skala". Die neue Einheit ist Teil des 425. separaten Angriffsregiments und soll ebenfalls auf hohe Geschwindigkeit und Mobilität setzen.
Laut einem Trainingsvideo auf Youtube üben die Soldat:innen dort gezielt das Schießen vom fahrenden Motorrad aus. Die Spezialkräfte sollen feindliche Stellungen schnell durchbrechen und punktuelle Angriffe durchführen. Die Kampftruppe ist damit auf ähnliche Szenarien ausgelegt wie jene, auf die man nun bei den Russen immer häufiger stößt.
Die Idee, leichte Fahrzeuge für Angriffe zu nutzen, ist in Russlands Kriegsführung nicht neu – nimmt aber offenbar zu. Schon vor Monaten machten in Militärblogs Videos die Runde, in denen russische Soldaten mit E-Scootern oder aufgerüsteten Buggys unterwegs waren.
Medien wie "Censor.net" berichten außerdem von Motorrollern – und sogar von Tieren als Transportmittel: Esel und Pferde sollen an einigen Frontabschnitten ebenfalls zum Einsatz kommen.
Hintergrund dieser Entwicklung: Russland mangelt es offenbar zunehmend an gepanzerten Militärfahrzeugen. Die improvisierte Mobilität könnte also auch Ausdruck eines logistischen Engpasses sein – gepaart mit dem Willen, sich dennoch beweglich und angriffsfähig zu halten.
Doch Mobilität hat ihren Preis – und genau da setzt die Ukraine an. Denn je mobiler die russischen Trupps, desto abhängiger sind sie von funktionierenden Versorgungsrouten. Genau hier versucht die ukrainische Armee anzusetzen: Mit gezielten Angriffen auf Nachschubkonvois will sie den Gegner schwächen.
Laut Kommandant Sirius wurden bereits mehrere russische Lkws beschossen – darunter auch Fahrzeuge mit Treibstoff und Munition. Die Folgen: "Der Feind wird praktisch von jeder Versorgungsmöglichkeit abgeschnitten", so Sirius. Die Devise scheint klar: Wenn die russischen Trupps schneller werden, muss die eigene Verteidigung nicht nur mithalten – sondern klug zuschlagen, wo es wirklich wehtut.