Donald Trump prägt dieser Tage einen ganz eigenen diplomatischen Stil. Zuckerbrot und Peitsche, durchtriebene Angebote, zerbrechliche Zusagen, Fallen, Demütigungen, Affronts, Männer-Handschläge, Brüllen, Grinsen. Great Deals. Siege ausschlachten, Niederlagen weglügen. Lügen generell. Durchatmen. Dann wieder alles von vorn.
Kaum ein Gast, egal von wo, kann sich sicher sein, wie ein Treffen mit Trump im Weißen Haus abläuft. Bei Emmanuel Macron etwa lief alles glatt, er unterbrach und korrigierte Trump gar vor laufender Kamera. Trump ließ ihn gewähren. Wolodymyr Selenskyj hatte weniger Glück, Trump ließ ihn, fein orchestriert, ins offene Messer laufen und schmiss ihn nach einem Streit auf offener Bühne vom Hof.
Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa musste ebenfalls einige wilde Angriffe Trumps ertragen.
Merz' Besuch im Weißen Haus ist in seiner noch jungen Kanzlerschaft dementsprechend "eine Feuertaufe" erklärt US-Expertin Laura von Daniels gegenüber watson. Besonders bei einem Thema kann es zu einer offenen Auseinandersetzung kommen.
Die Politikwissenschaftlerin des Deutschen Instituts für Internationale Politik und Sicherheit betont, dass Deutschland und auch Merz als größte Volkswirtschaft in Europa von Trump als wichtige Ansprechpartner gesehen werden. Das sachliche Verhältnis der beiden vor dem Treffen gebe "Anlass zur Hoffnung, dass die beiden über Sachthemen sprechen können, ohne unerwartete Ereignisse".
Dabei könnte auch Merz' Erscheinungsbild eine Rolle spielen, speziell seine Körpergröße, wie Politologin Cathryn Clüver Ashbrook von der Bertelsmann-Stiftung watson mitteilt: "Große Männer machen Eindruck auf den Präsidenten, genauso wie staatsmännisches Auftreten."
Laut von Daniels könne zudem Merz' Vergangenheit beim Vermögensverwalter Blackrock Eindruck bei Trump schinden. Merz kenne von damals auch die lockere Geschäftskultur der USA. Auch dass sich beide seit ihrem letzten Telefonat duzen sollen, sei "sicherlich erstmal ein gutes Zeichen".
Letztendlich könne die persönliche Ebene aber nur eine erste Voraussetzung für Gespräche und mögliche Einigungen sein, von Daniels mahnt: "Donald Trump geht es in der Politik um Ergebnisse." Die persönliche Ebene könne Merz dann im besten Fall nutzen, um Argumente an Trump heranzutragen – in zahlreichen Streitfragen.
Da wäre natürlich zuerst einmal der Ukraine-Krieg, in dem sich die USA unter Trump von Seiten des angegriffenen Landes sowie seiner europäischen Verbündeten distanziert hat. Seit einigen Wochen probieren beide Seiten, sich wieder anzunähern, Trump weicht jedoch ständig von Versprechungen ab, ist andererseits aber zunehmend genervt von Kremlchef Putin.
Dementsprechend könnten weitere gemeinsame Sanktionen gegen Russland laut von Daniels bei Merz' Besuch besprochen werden. Ebenso die Unterstützung der Ukraine, die USA fordert etwa schon länger, dass Europa und speziell Deutschland die eingefrorenen russischen Vermögen zur Finanzierung der Ukraine-Hilfen nutzt.
Von Daniels vermutet zudem, dass Trump auch Druck auf Merz ausüben und konkret nachfragen könnte, wie es denn um eine Erhöhung der deutschen Verteidigungsausgaben im Rahmen der gemeinsamen Nato-Ziele stehe (liegt aktuell bei zwei Prozent des BIP). Auch der Zollstreit zwischen der USA und der EU könnte zur Sprache kommen.
Doch bei all diesen Punkten vermutet von Daniels kein so großes Konfliktpotenzial wie bei einem anderen Thema: Meinungsfreiheit. Trumps Regierung arbeitet sich bereits seit Monaten daran ab, dass Europa und Deutschland angeblich konservative und rechte Meinungen einschränken. Vizepräsident JD Vance machte den Vorwurf zum zentralen Motiv seines Auftritts auf der Münchner Sicherheitskonferenz.
Von Daniels vermutet:
Bei diesem Thema sei es am wahrscheinlichsten, dass Merz – auch öffentlich – Trump entschieden dagegenhält und widerspricht.
Laut Clüver Ashbrook sollte Merz das sogar tun. Der Kanzler sei generell nicht dafür bekannt, seine Meinung zurückzuhalten und könne mit guter Vorbereitung versuchen, Neutralität zu beweisen. "Eine Kritik am Grundgesetz und den Schutzfunktionen unserer Demokratie muss er jedoch glaubwürdig von sich weisen – nicht nur, weil das in der Sache richtig ist, sondern auch für das Wahlpublikum in Deutschland."
Trump versuche in den USA den Begriff der Freiheit umzudeuten. Seine Regierung unterstütze zudem Parteien in Europa, welche die "freiheitlich-demokratische staatliche Ordnung, die die Menschenwürde als zentral erachtet, zersetzen". Erlebt haben wir das bereits in Deutschland: Nachdem Trump-Kumpel Elon Musk mehrfach als Unterstützer der AfD in Erscheinung getreten war, erklärte auch US-Vizepräsident JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz, es gebe keinen Platz für Brandmauern gegen Rechts.
Dies könne und dürfe der Bundeskanzler "in dieser Deutung aus der Erfahrung unserer Geschichte nicht hinnehmen", mahnt Clüver Ashbrook.
Streit könnte somit vorprogrammiert sein. Wie also kann Merz sich auf ein Treffen, in dem alles passieren kann, vorbereiten?
Symbolisch könnte Merz laut von Daniels einen groß inszenierten Staatsbesuch in Deutschland anbieten, "um Trump mit vollen Ehren zu empfangen". Das sei für eine Person wie Trump wichtig.
Dennoch geht es von Daniels zufolge aber auch um konkrete politische Angebote: "Sicherlich gibt es im Kanzleramt Überlegungen dazu, inwiefern man bei Zöllen auf die USA zugehen kann."
Merz aber kommt nicht gerade in einer Position der Stärke ins Oval Office, das dürfe er laut von Daniels "sicher im Hinterkopf haben". Seien es die aus der Sicht der USA "viel zu geringen" Verteidigungsausgaben, die Abhängigkeit von Exporten in die USA oder der Streit um Meinungsfreiheit: Merz sei aus Sicht Trumps angreifbar.
Bei Trump müsse man immer damit rechnen, "dass er Schwächen ausnutzt und dass er ständig in dieselben Kerben haut", warnt von Daniels daher. Als Trumps Gegenüber müsse man immer davon ausgehen, dass er "die Verwundbarkeiten und Druckpunkte kennt und Druck an diesen Stellen ausübt".
Es wird in jedem Fall kein durchweg angenehmer Besuch für den so auf die Außenpolitik bedachten Kanzler Merz. Seine ersten Schritte, die prominenten Auftritte zusammen mit den Staats- und Regierungschefs der Ukraine, Frankreichs, Großbritanniens und Polens, hat Merz bereits gemeistert. Nun folgt Friedrichs Feuertaufe.