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21.07.2018, 19:4221.07.2018, 19:51
Roman Möseneder
Seit Anfang des Monats läuft ein Gerichtsverfahren gegen zehn führende Mitglieder und sieben Sympathisanten der vom Verfassungsschutz als
rechtsextrem eingestuften "Identitären Bewegung Österreich" (IBÖ).
Allen 17
Angeklagten wird der Tatbestand der "Kriminellen Vereinigung", elf wird Verhetzung, 6 Sachbeschädigung und einem Nötigung vorgeworfen, wie "Prozess Report" schreibt. Auch IBÖ-Chef Martin Sellner ist unter den Angeklagten. Er ist das "hippe" Gesicht der Bewegung.
Die Identitären und deren Sympathisanten in ganz Europa schauen nun
nach Österreich. Denn eine Verurteilung würde möglicherweise auch Ableger der Identitären
Bewegung in anderen Ländern, vor allem in Deutschland, angreifbar machen.
Darum geht es:
Die Ermittlungen starteten im
April 2016. Aktivisten der Gruppierung hatten sich Zugang zum Dach der Grünen
Partei Steiermark verschafft. Dort entrollten sie ein Transparent mit dem
Slogan "Islamisierung tötet" und verschütteten Kunstblut.
Vor Gericht erklärten
die Angeklagten, dass sie mit dem Slogan lediglich den "radikalen" Islam
ansprechen wollten. Warum sie nicht einfach die klare Formulierung "Radikaler
Islam tötet" als Slogan verwendet haben, rechtfertigten die Aktivisten vor dem
Richter damit, dass überspitze Formulierungen gängige Praxis bei "aktivistischen Gruppierungen" seien.
Des Weiteren befragte der
Richter die Angeklagten zu einer Aktion am 9. Juni in Klagenfurt, bei der
Mitglieder der IBÖ in eine Vorlesung über Asyl und Migration stürmten. Dort
wurde dem Rektor der Universität vom Angeklagten Luca K. in den Bauch
geschlagen, nachdem er versucht hatte, diesen festzuhalten.
Die Methode:
Derartige Guerilla-Aktionen von
rechts sind typisch für die Identitäre Bewegung. Für sie ist es üblich,
Gebäude zu ersteigen, um Banner zu entrollen, in Vorlesungen zu stürmen oder spontane
Aktionen an öffentlichen Orten abzuhalten. Die Identitäre Bewegung Deutschland
hatte das Brandenburger Tor besetzt und eine Moschee in
Mecklenburg-Vorpommern zugemauert, die Génération
Identitaire in Frankreich eine Moschee besetzt.
Generell ist die Zusammenarbeit
zwischen den Länderorganisationen sehr ausgereift. Beispielsweise war der
Ex-FPÖ Politiker und Leiter der IB-Steiermark "Luca K." bei der Besetzung der
CDU-Parteizentrale dabei. Ein perfektes Beispiel dafür sind auch die
länderübergreifenden "Defend Europe" Aktionen. Im April kletterten
beispielsweise an die hundert Aktivisten auf den 1762 Meter hohen Pass "Col de
l’Échelle", der sechs Kilometer von der Grenze zu Italien entfernt liegt. Auch
dort waren Aktivisten aus Österreich beteiligt.
Was bedeutet der Prozess für die IB-Deutschland?
Die Forderungen und Parolen der
Identitären im deutschsprachigen Raum sind nahezu deckungsgleich. So sprechen
beispielsweise beide über "Remigration" und "Erhalt der ethnokulturellen
Identität". Sollten also bestimmte
Kampfbegriffe der Identitären Bewegung Österreich als verhetzend eingestuft
werden, wären bei Verwendung in Deutschland, Verurteilungen nach dem Tatbestand
der Volksverhetzung nicht auszuschließen.
Die Kritik am Prozess:
Vor Prozessbeginn meldeten sich
viele bekannte Gesichter der österreichischen Politik. So sagte
SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim:
"Ich stehe sicher nicht im Verdacht, Identitäre zu mögen, aber ich beobachte mit Sorge, dass Staatsanwälte vermehrt auf Instrumente zurückgreifen, die überhaupt nicht für solche Fälle geschaffen wurden, sondern für mafiöse Strukturen."
Auch die ehemalige Präsidentin des
Obersten Gerichtshofes und jetzige NEOS-Justizsprecherin Irmgard Griss warnt:
"Da muss man sehr aufpassen, dass nicht die Gesinnung bestraft wird".
Abseits von möglichen
juristischen Folgen wäre eine Verurteilung von Martin Sellner mit bis zu
prinzipiell möglichen drei Jahren Freiheitsstrafe für die IB in Deutschland
fatal.
Denn: Martin Sellner ist und bleibt das Gesicht und Aushängeschild der
Identitären Bewegung. Alleine auf seinem Videoblog hat er die dreifache Anzahl
an Abonnenten im Vergleich zum offiziellen Kanal der "Identitären Bewegung
Deutschland". Auch bei der Demonstration der IB in Berlin hat sich gezeigt,
dass Sellner nicht nur innerhalb von Österreich eine zentrale Rolle spielt. So
verhandelte Sellner mit der deutschen Polizei und besprach sich vor Auflösung
der Versammlung mit dem Demonstrationsleiter.
Die Folgen:
Im Falle eines vollständigen
Freispruches wäre dies "eine David-gegen-Goliath-Erzählung: Das vermeintliche
Establishment gegen die 'patriotischen Kritiker'" , wie der "Mosaik
Blog" schreibt. Einen Effekt hat der Prozess unabhängig des Ausgangs
ganz sicher: Aufmerksamkeit für die Gruppierung.
Aktuell sind noch zwei
Verhandlungswochen angesetzt, danach sofort ein Urteil zu erwarten, erscheint
zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht unbedingt realistisch.
Viel lustiger:
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quelle: bild: twitter/markus_soeder | montage: gk/watson.de
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