Dr. Gottfried Curio hat gesprochen.
In seiner Rede zum Regierungsantritt der AfD spricht der ehemalige Kirchenmusiker und integrationspolitische Sprecher der Fraktion von einer "Messereinwanderung" und reiht nebenbei eine vermeintliche Islam-Weisheit an die andere.
Curio ist seit 2014 Mitglied der AfD, Bezirksvorsitzender im Bezirksverband Berlin Steglitz-Zehlendorf und gehört zum ganz rechten Flügel der Partei.
Bei einer Debatte über die doppelte Staatsbürgerschaft im Februar bezeichnete er die ehemalige Integrationsbeauftragte Aydan Özoğuz als "Musterbeispiel misslungener Integration".
In seiner aktuellen Rede zitiert der promovierte Physiker jetzt sogar Koran-Verse.
Wir haben 3 seiner Aussagen gecheckt:
Imame verurteilen weltweit und auch in Deutschland immer wieder terroristische Anschläge.
In Österreich gab es 2017 zum Beispiel eine Deklaration gegen Terrorismus, die von rund 300 österreichischen Imamen unterzeichnet wurde.
Unter dem Hashtag #notinmyname stellen sich seit 2014 weltweit Menschen (auch Imame) immer wieder gegen islamistischen Terror.
Und 30 Imame aus ganz Europa haben im Juni letzten Jahres eine Bus-Tour gegen den Terror veranstaltet. Bei dem "Marsch der Muslime gegen den Terrorismus" beteten sie unter anderem in Paris und am Berliner Breitscheidplatz, an dem im Dezember 2016 ein Anschlag verübt worden war.
Und dann gibt es das 2015 gegründete Muslimische Forum Deutschland, in dem auch der Religionspädagoge und Imam Mouhanad Khorchide Mitglied ist.
Auf der Website des Muslimischen Forum Deutschland heißt es:
Es gibt allerdings auch immer wieder Berichte über Imame in Deutschland, denen Verbindungen ins extremistische Milieu angelastet werden.
Ein Beispiel ist der Fall der Dar-As-Salam-Moschee in Berlin: Der Moschee und dem Imam Mohamed Sabri wurden vom Verfassungsschutz Verbindungen zur Muslimbruderschaft vorgeworfen. Sabri widerspricht den Vorwürfen bis heute vehement.
Die drei unterschiedlichen Verse, die Curio in einem Atemzug nennt, gibt es. Er wirft sie allerdings in einem Satz zusammen.
Wahrscheinlich meint Curio die Sure 9, Vers 5, die Sure 4, Vers 34 und Sure 8, Vers 55.
Und die existieren wiederum in unterschiedlichen Formulierungen. Denn vom Koran gibt es zahlreiche Übersetzungen. Mehr und weniger traditionalistische.
Und es kommt darauf an, wo man nachliest.
Das liegt daran, dass der Koran in einem speziellen Reimschema, das sich Sadsch' nennt, aufgebaut ist.
Friedrich Rückert hatte 1888 versucht, dieses Reimschema beizubehalten, der Islamwissenschaftler Rudi Paret wiederum hat das 1966 aufgegeben und versucht, so nah wie möglich am Inhalt zu übersetzen.
Die Version von Rudi Paret gilt in der Wissenschaft als Standardübersetzung.
Die Ahmadiyya-Gemeinde hat eine eigene Übersetzung herausgegeben. Und es gibt zum Beispiel auch eine Übersetzung von Mohammed Rassoul, der vor allem im salafistischem Umfeld rezipiert wird.
Die Übersetzungen sind also vielfältig. Je nachdem, wo man liest, wird man unterschiedlich fündig.
Was das "Vieh" angeht, das Curio erwähnt, heißt es bei Paret zum Beispiel:
"Als die schlimmsten Tiere (dawaabb) gelten bei Allah diejenigen, die ungläubig sind und (auch) nicht glauben werden"
Auch was bei Curio mit "schlagt die Frauen" anklingt, wird in anderen Übersetzungen anders formuliert. Eine Übersetzung der Ahmadiyya-Gemeinde zum Beispiel verwendet das Wort "strafen", andere Übersetzungen sprechen davon, Frauen zu "züchtigen".
Alles nicht toll, aber eben nicht immer nur "schlagen".
Außerhalb dessen gibt es noch die Sure 5, Vers 32. Und da heißt es unter anderem:
Es kommt immer darauf an, wer das Geschriebene interpretiert.
Den gibt es schon. Und auch in Deutschland.
Zum Beispiel den Liberal-Islamischen Bund in Deutschland.
Oder die von Seyran Ateş mitbegründete liberale Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin.
Oder die zahlreichen muslimischen Gemeinden, die für ein humanistisches Religionsverständnis plädieren.
Oder die Freiburger Deklaration der säkularen Muslime in Deutschland.
Oder einfach die vielen tausend Muslime in Deutschland, die sich selbst als liberale Muslime bezeichnen.
Außerdem müsste man erstmal klären, was "liberal" in diesem Kontext eigentlich heißt.