Am Wochenende luden Teile der AfD und rechtskonservative CDU-Anhänger zum "Neuen Hambacher Fest" und kaperten damit ein republikanisches Symbol.
Ein Interview mit dem Historiker Dieter Langewiesche über die "Neue Rechte", Geschichte im Reinwaschgang und mögliche Gegenstrategien.
watson: Herr Langewiesche, Sie haben in Ihrem Buch "Republik und Republikaner" mit Blick auf die damals neue Partei von Franz Schönhuber schon in den 90er-Jahren vor der "historischen Entwertung" eines demokratischen Begriffs gewarnt. Was meinen Sie damit?
Dieter Langewiesche: Ich würde von einer Begriffsokkupation sprechen. Hier werden Begriffe einfach gekapert. Republikaner standen historisch gesehen ja immer links. In den Englischen Revolutionen im 17. Jahrhundert, in der Französischen Revolution, in den europäischen Revolutionen 1848. Republikaner definierten sich stets in ihrem Kampf gegen die Monarchie für eine demokratische Gesellschaft. Immanuel Kant hat das in seiner Schrift „Zum Ewigen Frieden“ als Republikanismus beschrieben, darunter verstand er, vereinfacht gesagt, rechtsstaatliche Strukturen, Trennung von exekutiver und legislativer Macht. Republikaner verstanden sich also – bei allen verschiedenen Spielarten – immer links. 1848, 1918 immer ging es um Opposition zum Obrigkeitsstaat.
Rechtskonservative Anhänger der Union wie der Ökonom Max Otte und Vertreter der AfD haben nun zu einem Neuen Hambacher Fest eingeladen. Damals demonstrierten 1832 rund 30.000 Menschen in der Pfalz für Pressefreiheit und gegen Fürstenherrschaft. Wenn die Neue Rechte nun solche republikanischen Symbole besetzt, stilisiert sie sich dann als Freiheitskämpfer im Streit gegen eine illegitime Ordnung?
Diese Versuche sind nicht neu. Es geht darum, einzelne Ereignisse oder Orte der Geschichte, die freiheitlich-progressiv besetzt sind, zu übernehmen. Eine Art geschichtspolitischer Enteignung. Das ist inhaltlich falsch, aber politisch geschickt. Man versucht, bekannte Symbole zu besetzen und sich in eine angesehene historische Traditionslinie einzureihen.
Es fällt auf, dass die AfD jetzt auch versucht, sich Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts einzuverleiben. Die Parteistiftung soll nach Gustav Stresemann benannt werden, einem Nationalliberalen, der als Außenminister der Weimarer Republik für einen Ausgleich mit Frankreich eintrat. Ähnlich ist es mit dem Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg oder Erwin Rommel. Lenkt man damit von eigenen antisemitischen Positionen ab?
Das zum einen. Aber historisch ist das doch bizarr, wenn einzelne honorige Personen für die eigene Politik instrumentalisiert werden sollen. Um diese Instrumentalisierungstaktik aufzudecken, sollte man fragen, was bedeutet es, sich auf Rommel zu berufen, konkret für eure Politik? Eine offensive Militärpolitik, also auf nach Afrika? So würden wohl viele erkennen:
Oder sehr gefährlich wäre, wenn man sie inhaltlich füllte.
Welche Gegenstrategie würden Sie denn als Historiker empfehlen?
Man sollte sich jetzt nicht auf einen Geschichtskampf einlassen. Ähnlich wie bei Rommel sollte man stets ganz konkret fragen: Was bedeutet die Berufung auf Geschichte für die Gegenwartspolitik der AfD? Für die Militärpolitik. Für die Gesellschaftspolitik.
Das Übersetzen historischer Symbole auf die konkrete Politik ist meines Erachtens zielführender als der Kampf, wem diese Symbole gehören.