Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat Russlands Präsident Wladimir Putin die Meinungsfreiheit in dem Land massiv eingeschränkt. Die Repression in Russland erreichte damit eine neue Stufe: etwa mit vermehrten Verhaftungen von Kritiker:innen des Krieges ohne faire Prozesse, Verboten von kritischen Medienunternehmen und der massiven Einschränkung von bürgerlichen Freiheisrechten.
Es gibt zahlreiche Beispiele von unrechtmäßig Verhafteten, die – mehr oder weniger offensichtlich – im Auftrag des Staates gefoltert und ermordet wurden. Man denke etwa an das wohl bekannteste Gesicht im Kampf gegen Putins Machtfantasien: den Oppositionspolitiker Alexej Nawalny, der am 16. Februar 2024 in einem russischen Straflager starb. "Immerhin" konnte Nawalny bis Wochen vor seinem Tod über seine Anwälte mit der Öffentlichkeit kommunizieren.
Nun will Putin in Sachen Repression noch einen Schritt weitergehen. Das russische Innenministerium (MVD) hat einen neuen Verordnungsentwurf vorgelegt, der den Zugang zu sogenannten "regimegeschützten Objekten" regelt. Das sind schlechte Nachrichten für alle, die in Russland ins Visier der Polizei und des Kremls geraten.
Auf den ersten Blick ist der Verordnungsentwurf des Innenministeriums unscheinbar. Auffällig ist in dem Dokument vor allem das, was fehlt: Denn Anwält:innen werden darin nicht mehr explizit als Personen aufgeführt, die nach Vorlage eines Ausweises Zugang zu Einrichtungen des Innenministeriums haben, darunter Polizei-Dienststellen.
Dem unabhängigen russischen Exilmedium "Meduza" zufolge gibt es schon jetzt Berichte über Hindernisse für Anwält:innen, die ihre Mandanten in Polizeistationen besuchen wollen. Demnach gibt es mehrere gängige Methoden, mit denen die Polizei den Zugang von Anwält:innen regelmäßig blockiert:
Sollte die geplante Verordnung in Kraft treten, könnten sie der Polizei faktisch einen Freibrief geben, um Anwält:innen aus Polizeistationen dauerhaft fernzuhalten. Vetoshkina warnt, dass viele Beamt:innen nach Vorschrift handeln: "Wenn in den Anweisungen steht, dass Anwälte nicht hineingelassen werden dürfen, werden sie das befolgen."
Da stellt sich die Frage: Ist dieses Vorgehen überhaupt legal? Ganz klares nein, wie "Meduza" schreibt. Die Blockade von Anwält:innen verstößt gegen geltendes Verfassungsrecht.
Eigentlich.
Denn was auf dem Papier steht, ist in Russland mittlerweile in vielerlei Hinsicht obsolet, sofern das Vorgehen im Sinne des Kremls und des Machthabers Putin ist. Zwar können solche Maßnahmen weiterhin rechtlich angefochten werden, der Erfolg ist aber fraglich. Das zeigt auch ein Blick in die Vergangenheit: Das Verfassungsgericht hat sich häufig nicht auf die Seite der Anwält:innen gestellt. Das wird sich in naher Zukunft wohl kaum ändern.
Anwältin Maria Eismont zog etwa laut "Meduza" wegen des Plans "Festung" bis vor das Verfassungsgericht, scheiterte jedoch.
Dieser geplante Erlass könnte ein weiterer Schlag gegen die ohnehin schwierigen Bedingungen für Anwält:innen in Russland sein. Das Recht auf juristischen Beistand gehört zu den fundamentalen Prinzipien eines Rechtsstaats. Einschränkungen wie diese gefährden nicht nur die Rechte der Anwält:innen, sondern auch die ihrer Mandant:innen – und damit die Grundpfeiler der Rechtsstaatlichkeit selbst.