Die Abschiebung des ehemaligen Leibwächters von Al-Kaida-Anführer Osama bin Laden von Deutschland nach Tunesien hat nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen eine heftige Debatte ausgelöst. Tunesien mag seinen Staatsbürger nicht zurück nach Deutschland überstellen. Die CDU lehnt es ab, Sami A. zurückzuholen, obwohl die Justiz die Auslieferung für illegal hält. Nach Informationen der dpa sitzt Sami A. in Tunesien in U-Haft und wird in einem Terrorgefängnis in Tunis verhört.
Deutsches Recht, tunesisches Weigern und politische Reaktionen – 3 Fakten zu dem Fall
Bin Ladens ehemaliger Leibwächter Sami A. lebte seit Jahren mit Frau und Kindern in Bochum. Er war 1997 zum Studium nach Deutschland gekommen. Im Jahr 2000 soll er eine militärische Ausbildung in einem Lager der Al-Kaida in Afghanistan erhalten und zeitweise zur Leibgarde von Osama bin Laden gehört haben. Bin Laden ist der Gründer des Terrornetzwerks Al-Kaida. Er wurde 2011 in Pakistan von einem US-Kommando getötet.
Danach soll sich Sami A. in Deutschland als salafistischer Prediger betätigt haben. Der Tunesier hat diese Vorwürfe stets bestritten. Die Bundesanwaltschaft hatte laut Gericht gegen ihn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, aber mangels hinreichenden Tatverdachts wieder eingestellt.
Am Freitag wurde er in sein Heimatland Tunesien überstellt. Die tunesischen Behörden hatten zuvor zugesichert, Sami A. nicht zu foltern.
Der von den Sicherheitsbehörden als islamistischer Gefährder eingestufte Sami A. war am Freitagmorgen in Begleitung von Bundespolizisten mit einer Chartermaschine von Düsseldorf aus in seine Heimat geflogen worden. Am Donnerstag hatte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschieden, dass er vorerst nicht abgeschoben werden dürfe. Dies hatte das Gericht damit begründet, dass es keine Sicherheit gebe, dass Sami A. in Tunesien nicht gefoltert werde.
Das Gericht informierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) erst über seine Entscheidung, als Sami A. bereits im Flugzeug saß. Dass diese Entscheidung erst so spät an das Bamf ging, sei darauf zurückzuführen, dass alle beteiligten Behörden trotz mehrfacher Anfragen den Zeitpunkt der geplanten Abschiebung nicht bekanntgegeben hätten, teilte das Verwaltungsgericht mit .
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen erklärte die Abschiebung für "grob rechtswidrig". Sie "verletzt grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien". Deshalb sei Sami A. "unverzüglich auf Kosten der Ausländerbehörde in die Bundesrepublik Deutschland zurückzuholen".
Das Flüchtlingsministerium Nordrhein-Westfalens will gegen diesen Beschluss aber zusammen mit der Ausländerbehörde der Stadt Bochum Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen. Offen ist, ob Tunesien seinen Staatsbürger überhaupt nach Deutschland zurückschicken würde. Aus tunesischen Regierungskreisen heißt es laut Bild-Zeitung, aufgrund der Vorwürfe sei es kaum vorstellbar, dass Sami A. so einfach nach Deutschland zurück könne.
Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster plädierte dafür, Sami A. vorerst nicht nach Deutschland zurückzuholen. Zunächst sollte die nächste Instanz entscheiden, sagte er dem Hallenser Lokalblatt "Mitteldeutsche Zeitung". "Da habe ich keine schlaflosen Nächte. Immerhin handelt es sich um einen ausreisepflichtigen Gefährder mit Al-Kaida-Ausbildung", so Schuster.
Die Rechtsanwältinnen von Sami A. begrüßten die deutlichen Worte des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen in seiner Entscheidung zur Rückholung des Tunesiers. "Wenn Behörden sich über gerichtliche Entscheidungen hinwegsetzen, ist die Rechtssicherheit gefährdet», sagte eine der Juristinnen, Seda Basay-Yildiz, aus Frankfurt am Main. Die Anwältin sah keine Gründe, die gegen eine Rückkehr nach Deutschland sprechen. Sobald Sami A. in Tunesien freigelassen werde, müsse die Deutsche Botschaft ihm ein Visum zur Rückkehr nach Deutschland ausstellen, sagte Seda Basay-Yildiz.
Unterstützung erhielt sie vom Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen UNHCR. Eine Rückholung von Sami A sei "angemessen", lobte das UNHCR die Entscheidung des Gelsenkirchener Gerichts.
Das Flugzeug mit Sami A. an Bord landete am Freitagmorgen 8.11 Uhr Ortszeit auf dem Flughafen Enfidha bei Hammamet. Die tunesischen Behörden ermitteln nach eigenen Angaben, ob A. an "extremistischen Aktivitäten" in Deutschland beteiligt gewesen ist. Er stehe unter Arrest, sagte ein Sprecher des tunesischen Justizministeriums.
(dpa, per)