Theresa May und ihr Brexit-Deal: Wer ist die Frau, auf die ganz Europa schaut?
15.01.2019, 21:16
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Theresa Mays großer Lebenstraum war es von
klein auf, Premierministerin zu werden. Das war der Pfarrerstochter
aus der Provinz nicht in die Wiege gelegt. Ehrgeizig, aber nie
charismatisch arbeitete sich die inzwischen 62 Jahre alte Politikerin
Stück für Stück hoch. Im Juli 2016 hatte sie nach dem knappen
Brexit-Votum der Briten ihr Ziel erreicht: Sie beerbte den
zurückgetretenen David Cameron. Seitdem ist sie eine Meisterin darin
geworden, sich trotz widrigster Bedingungen im Amt zu halten.
Doch: Wie lange wird das nach der Abstimmung am Dienstag über das Brexit-Abkommen noch gutgehen?
Erst im vergangenen Dezember hatte sie eine Misstrauensabstimmung
in der eigenen Fraktion überstanden. Es war kein glorreicher Sieg,
aber gerade genug, um sich weiterzuhangeln. Oft wurde May mit der
"Eisernen Lady" Margaret Thatcher oder mit Bundeskanzlerin Angela
Merkel verglichen. Doch keiner dieser Vergleiche trifft zu.
May ist weder eine mitreißende Anführerin, die auf den Tisch
haut, noch ist sie geschickt darin, Kompromisse zu schmieden. Ihre
Stärke liegt eher darin, nie aufzugeben. Sie selbst bezeichnete sich
einmal als "bloody difficult woman", als eine verdammt schwierige
Frau.
Beim Brexit-Referendum am 23. Juni 2016 hatte sie sich für den
Verbleib in der EU ausgesprochen, aber so zaghaft, dass es kaum
jemand merkte. Das machte sie zur idealen Kompromisskandidatin. May
schlug von Anfang an einen harten Brexit-Kurs ein. "Brexit bedeutet
Brexit" wurde zu ihrem Mantra. Was sie damit meinte, machte sie in
ihrer ersten großen Rede nach dem Referendum zum EU-Austritt Anfang
2017 deutlich: Austritt aus dem EU-Binnenmarkt, Austritt aus der
Zollunion und keine Rolle mehr für den Europäischen Gerichtshof in
Großbritannien.
Der Verlust der absoluten Mehrheit
Viele EU-Politiker und EU-freundliche Briten hatten gehofft, May
könne zur Versöhnerin werden, einen Mittelweg finden. Dass sie für
ihre Brexit-Pläne im Parlament keine Mehrheit sah, wollte sie
schließlich mit einer Neuwahl ins Lot bringen. Sie rechnete sich
einen deutlichen Sieg gegen Labour-Chef Jeremy Corbyn aus.
Doch der Wahlkampf wurde zum Desaster. May wollte sich als starke
Anführerin präsentieren. Ihr einstudiertes Auftreten ließ sie aber
als kalt erscheinen. Statt einen haushohen Sieg einzufahren, verloren
Mays Konservative ihre absolute Mehrheit. Eiligst zimmerte sie eine
Minderheitsregierung mit Hilfe der nordirisch-protestantischen DUP
zusammen. Das erwies sich als verhängnisvoll: Die DUP-Abgeordneten
lehnen jeglichen Kompromiss in der schwierigen Irland-Frage ab.
Nach einer katastrophalen Parteitagsrede im Herbst 2017 wurde sie
schon abgeschrieben. Sie litt unter Hustenanfällen, ein Komiker
überreichte ihr ein Entlassungsschreiben – angeblich im Namen des
damaligen Außenministers Boris Johnson – und hinter ihr fielen die
Buchstaben des Parteitagsmottos von der Wand. Doch May gab nicht auf.
Die Minister gehen, May bleibt
Monatelang ging es danach bei den Brexit-Verhandlungen nur
schleppend voran. Im Juli 2018 wagte sie sich schließlich aus der
Deckung. In einer Klausursitzung auf dem Landsitz Chequers
überraschte May ihr Kabinett mit einem Plan für die künftigen
Beziehungen zu Europa, der alles möglich machen sollte: einen klaren
Austritt aus den EU-Institutionen, aber keine wesentlichen Nachteile
für die Wirtschaft und keine Grenzkontrollen zwischen der britischen
Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland.
Mit dem Vorschlag war niemand zufrieden. Weder die EU, die ihn
als Rosinenpickerei verurteilte, noch die Brexit-Hardliner in Mays
Partei, die darin eine zu enge Bindung an Brüssel sahen.
Brexit-Minister David Davis und Außenminister Boris Johnson traten
zurück. Mays Regierung wackelte, aber sie klammerte sich fest.
Ähnlich war es, als sie im November schließlich ein Abkommen mit
der EU präsentierte. Ihr neuer Brexit-Minister Dominic Raab und
weitere Regierungsmitglieder warfen hin. Doch May ließ sich nicht
beirren.
Als klar wurde, dass sie für dieses Abkommen keine Mehrheit im
Parlament bekommen würde, verschob sie einfach die im Dezember
geplante Abstimmung – auf den 15. Januar. Ihre Kritiker konnte sie
seitdem aber nicht überzeugen. Ihre krachende Niederlage war vorhersehbar.
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