International
14.06.2018, 07:2014.06.2018, 07:55
Die Furcht vor einer Niederlage war groß. Doch der ist die britische Premierministerin Theresa May im Streit um den Brexit-Kurs des
Landes im Parlament diese Woche entgangen. Zwei Tage dauerte die Debatte
über Änderungen des Oberhauses am EU-Austrittsgesetzes. Sie endete am
Mittwoch schließlich ohne eine größere Schlappe für die Regierung.
Das ergaben die Abstimmungen:
- Die Abgeordneten lehnten Zusätze ab, die eine Mitgliedschaft Großbritanniens in der Zollunion mit der EU vorsahen.
- Sie lehnten ebenfalls Pläne ab, das Land im europäischen Binnenmarkt zu halten.
- Die Abstimmung über eine Zollunion mit der EU fiel mit 298 zu 325 Gegenstimmen äußerst knapp aus.
Was die Debatte gezeigt hat:
- May kann dennoch nicht in jedem Fall auf eine Mehrheit für ihren Brexit-Kurs setzen.
- Medien berichteten, dass etwa 14 Abgeordnete ihrer konservativen Fraktion für eine Mitgliedschaft des Landes im Binnenmarkt stimmten – theoretisch genug, um die Regierung gemeinsam mit der Opposition zu besiegen (die ist aber zerstritten).
- Berichten zufolge stimmten 75 Labour-Abgeordnete für den Binnenmarkt, 15 dagegen. Obwohl Labour-Chef Jeremy Corbyn seine Fraktion zur Enthaltung aufgerufen hatte.
May regiert seit der vorgezogenen
Parlamentswahl im vergangenen Jahr mit hauchdünner Mehrheit.
Mays Ausgangsposition in der Debatte:
May hatte mit einer entschärften
Version des Gesetzestextes zumindest ein "Zollabkommen" mit der EU in
Aussicht gestellt und so die proeuropäischen Rebellen vorerst
besänftigt.
Bereits am Dienstag war May nur haarscharf einer Niederlage gegen
die Opposition und EU-freundliche Rebellen aus ihrer Konservativen
Partei entgangen. Hintergrund war die Frage, ob das Parlament die
Regierung an den Verhandlungstisch zurückschicken kann, sollte das
Brexit-Abkommen bei den Abgeordneten durchfallen oder kein Abkommen
zustande kommen.
Die Zollbedingungen kurz erklärt:
Mitglieder einer Zollunion vereinbaren gemeinsame Zölle an ihren Außengrenzen, an den Binnengrenzen werden keine Abgaben erhoben. Grenzkontrollen für Waren sind überflüssig. Bliebe Großbritannien in der Zollunion, würde das vor allem die Frage nach einer festen Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Republik Irland lösen. Bliebe Großbritannien gar im Binnenmarkt, würde sich mit dem Brexit nur wenig ändern. Die britische Regierung will bislang sowohl die Zollunion als auch den Binnenmarkt verlassen.
Berichten zufolge machte May den Rebellen in ihrer Partei im
letzten Moment große Zugeständnisse. Tags darauf säte sie jedoch
Zweifel daran, wie weitgehend die Konzessionen waren. "Die Hände der
Regierung in Verhandlungen können nicht vom Parlament gebunden
werden, aber wir müssen dem Parlament Rechenschaft ablegen", sagte
sie.
Spekuliert wird daher über eine baldige erneute Rebellion der EU-freundlichen Kräfte im Parlament.
Das EU-Austrittsgesetz ist das Herzstück der Brexit-Gesetzgebung.
Mit dem Gesetz soll die Geltung von EU-Recht in Großbritannien
beendet werden. Gleichzeitig sollen alle EU-Bestimmungen in
nationales Recht übertragen werden, damit am Brexit-Tag kein Chaos
entsteht.
Der Gesetzentwurf geht derzeit im sogenannten Ping-Pong-Verfahren
so lange zwischen Oberhaus und Unterhaus hin und her, bis sich beide
Häuser über den genauen Wortlaut einig sind. Bereits am Montag
nächster Woche soll der Gesetzentwurf wieder im Oberhaus bei den Lords liegen.
Das Ringen um den richtigen Brexit-Kurs ist noch lange nicht zu
Ende.
(sg/dpa)
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