Donald Trumps Handelskrieg macht offenbar auch vor dem Medikamentenschrank von Millionen Amerikaner:innen nicht Halt. Mit Strafzöllen auf Arzneimittelimporte will der US-Präsident die heimische Pharmaindustrie stärken. Doch damit könnte er ausgerechnet den Menschen schaden, die die Medikamente am dringendsten brauchen
Denn die USA sind massiv abhängig von Medikamentenimporten – besonders aus China. Beim beliebten Antibiotikum Amoxicillin ist die Abhängigkeit besonders brisant. Das Mittel gehört in den USA zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten – doch der Nachschub hängt mit dem Plan am seidenen Faden.
Ein konkretes Datum für die Einführung von Zöllen auf Arzneimittel wurde bisher nicht genannt. Die US-Regierung prüft derzeit die Auswirkungen, insbesondere im Hinblick auf die nationale Sicherheit und die Abhängigkeit von ausländischen Lieferketten. Expert:innen sind skeptisch.
Der US-Präsident will mit den Zöllen auf Medikamentenimporte – auch auf Generika – die Produktion zurück in die USA holen.
Generika machen laut CNN rund 90 Prozent aller US-Rezepte aus und werden zum Großteil in Indien hergestellt – mit Vorprodukten aus China. Stephen Farrelly von der niederländischen ING-Bank sagt zu CNN: "Generikahersteller haben nicht die Margen, um langfristig in ein Land mit hohen Unsicherheiten zu investieren."
Selbst wenn Unternehmen umziehen wollten, würde der Aufbau neuer Standorte Jahre dauern. Und währenddessen könnte sich der bestehende Medikamentenmangel verschärfen.
China kontrolliert laut CNN rund 80 Prozent der für die Amoxicillin-Herstellung benötigten Grundstoffe. Rick Jackson, Chef des einzigen US-Herstellers Jackson Healthcare, warnt:
Jacksons Unternehmen betreibt in Tennessee die einzige Amoxicillin-Produktionsstätte der USA. Die Fabrik stellte einst genug Antibiotikum für das ganze Land her. Doch nach dem Patentablauf im Jahr 2002 wurde sie von günstigerer Konkurrenz aus dem Ausland verdrängt und musste Insolvenz anmelden. 2021 übernahm Rick Jackson den Betrieb – mit dem erklärten Ziel, die nationale Arzneimittelsicherheit zu stärken.
Die Gründe für Chinas Vormachtstellung sind vielfältig: niedrige Produktionskosten, politische Förderprogramme und eine starke Chemieindustrie. Unter der Industriepolitik "Made in China 2025" fördert die Regierung gezielt Biopharmazeutika und Medizintechnik. Gleichzeitig produziert China große Mengen sogenannter Key Starting Materials (KSM) und Active Pharmaceutical Ingredients (API), die die Basis fast aller modernen Medikamente bilden.
Auch Indien, global größter Lieferant von Generika, ist auf China angewiesen: Laut einem Bericht der indischen Regierung von 2023 stammen 70 Prozent der dort verwendeten Wirkstoffe aus China.
Bislang hat China nicht offiziell damit gedroht, Medikamentenexporte einzuschränken. Aber Pekings staatliche Stellen machen deutlich, dass die Kontrolle über globale Lieferketten ein strategisches Mittel sein kann. Der US-Gesundheits-Experte Dinesh Thakur bezeichnet die enge Abhängigkeit bei CNN als eine "natürliche Entwicklung" – aber eben auch als Schwachstelle im geopolitischen Gleichgewicht.
Laut einer exklusiven Analyse, über die Reuters im April 2025 berichtete, könnte ein US-Zoll von 25 Prozent auf Medikamentenimporte die Arzneimittelkosten in den USA jährlich um über 50 Milliarden Dollar steigen lassen. Besonders betroffen wären Menschen ohne Krankenversicherung oder mit geringem Einkommen. Die Berechnungen stammen aus einer Studie, die Ernst & Young im Auftrag der US-Pharmalobby PhRMA erstellt hat.
Ronald Piervincenzi von der United States Pharmacopeia warnt bei CNN eindringlich: "Von jedem dieser Medikamente hängen Menschenleben ab. Wenn ein Kind seine Krebstherapie nicht bekommt, ist das eine Katastrophe. Das merkt man nicht, wenn die Lieblingsketchupmarke nicht mehr vorrätig ist."
Statt auf Konfrontation durch Zölle zu setzen, fordern Expert:innen langfristige Investitionen und gezielte Förderprogramme, um die Arzneimittelproduktion im eigenen Land wieder attraktiv zu machen. Denn ein Handelskrieg im Gesundheitsbereich trifft letztlich nicht nur Produzenten – sondern vor allem die Schwächsten in der Gesellschaft.
Auch hierzulande schrillen die Alarmglocken. Sollte es tatsächlich zu US-Zöllen auf Arzneimittel kommen, hätte das laut dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller erhebliche Folgen für die Patientenversorgung und den Wirtschaftsstandort Deutschland. Rund ein Drittel der deutschen Arzneimittelexporte geht in die USA – fallen sie durch Zölle weg, geraten exportierende Unternehmen unter massiven Druck.
Auch die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) warnte laut "Focus Online": Wenn Zölle zu steigenden Produktionskosten führen, könnten Hersteller sich zurückziehen – bei ohnehin staatlich regulierten Medikamentenpreisen. Das wäre besonders kritisch bei generischen Arzneien, auf die viele Menschen täglich angewiesen sind. Bereits jetzt fehlen in Deutschland hunderte Medikamente.
Zwar sei die Versorgung aktuell nicht unmittelbar gefährdet, betonen Expert:innen, doch die Strukturen seien fragil. Der Ruf nach europäischer Unabhängigkeit bei der Arzneimittelproduktion wird deshalb lauter.