Der russische Ex-Schachweltmeister Garry Kasparov hat sich am Donnerstag mit einer eindringlichen Warnung an die Twitter-Community gewandt. In einem 13-teiligen Beitrag warnt er eindringlich vor Putin und geht auch auf die Nato ein.
Dass Garry Kasparov vor Wladimir Putin warnt, ist nicht verwunderlich. Dazu muss man wissen, wer Kasparov abseits seiner Schachkarriere noch ist. Der 58-Jährige ist einer der bekanntesten Kritiker des Kreml und Putins. "Ich bin ein Aktivist und vielleicht in der Opposition, aber selbst das ist etwas vage – denn was heißt in Russland Opposition?", sagte er 2016 in einem Interview mit der Welt. Russland hat er seit 2013 nicht mehr betreten. Heute lebt er mit seiner Familie im Exil in New York.
Kasparov wurde seit Jahren nicht müde, vor Putin zu warnen. "Dass ich recht hatte, ist kein Anlass zum Feiern", sagt er in einem aktuellen FAZ-Interview. "Es ist tragisch für mein Land. Tausende junge Russen sterben für diesen verrückten Diktator. Viele von ihnen wurden unter Putin geboren und sterben unter Putin."
Auch auf Twitter äußerte er sich ausführlich zur aktuellen Situation. "Wir sind Zeuge, sehen buchstäblich live zu, wie Putin in der Ukraine einen Völkermord im industriellen Maßstab begeht, während das mächtigste Militärbündnis der Geschichte abseits steht", schrieb er am Donnerstag.
"Putin sagte Macron erneut, er solle zur Hölle fahren, keine Überraschung", schreibt er weiter. "Die NATO/EU hat Putin bereits gesagt, dass sie seine Streitkräfte nicht berühren werden, also warum sollte er zuhören?"
Am Donnerstag hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit Putin erneut telefonisch das Gespräch gesucht. Das blieb mehr oder weniger ergebnislos. Auf Twitter schreibt Macron: "Er weigert sich, seine Angriffe auf die Ukraine zu diesem Zeitpunkt einzustellen."
Macron werde weiterhin seine Bemühungen und Kontakte fortsetzen. Das Schlimmste müsse verhindert werden.
In seinem Twitter-Thread bezieht sich der ehemalige Schachweltmeister auch in der Folge immer wieder auch auf die Nato. In seinen Worten schwingt Kritik am ausbleibenden Eingreifen des Militärbündnisses mit.
Es sei kein Vertrag, der die Nato-Staaten von einer Intervention abhalten würde. Dass die Nato nicht eingreift, sei eine Entscheidung auf Grundlage des Risikos, dass Putin zu nuklearen Mitteln greifen werde.
Doch diese Erklärung reicht Kasparov nicht. "Das ist bereits der Dritte Weltkrieg. Putin hat vor langer Zeit damit begonnen und die Ukraine ist nur die aktuelle Front. Er wird sowieso eskalieren, und es ist noch wahrscheinlicher, wenn es ihm gelingt, die Ukraine zu zerstören, weil Sie ihn erneut davon überzeugt haben, dass Sie ihn nicht aufhalten werden, obwohl Sie es könnten."
"Es gibt kein Abwarten. Das ist kein Schach; es gibt kein Unentschieden, kein Patt", schreibt der 58-Jährige. Und führt fort: "Entweder zerstört Putin die Ukraine und trifft die Nato schließlich mit einer noch größeren Katastrophe, oder Putin fällt in Russland. Er kann nicht mit Schwäche aufgehalten werden."
Aber warum wird ein Eingreifen der Nato von Politikerinnen und Politikern aktuell meist kategorisch ausgeschlossen? Hierzu muss man wissen: Die Nato-Mitglieder haben im sogenannten Nordatlantikvertrag, zum Beispiel in Artikel 5, Beistand bei einem Angriff auf eines ihrer Mitglieder vereinbart. Es handelt sich also um ein reines Verteidigungsbündnis, das handelt, wenn eines ihrer Mitglieder angegriffen wird. Die Ukraine ist jedoch nicht Teil der Nato. Generalsekretär Jens Stoltenberg betonte dies noch einmal aktuell im Deutschlandfunk. Die Nato werde keine Truppen oder Flugzeuge entsenden. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hat dies im ZDF bei Maybrit Illner noch einmal ausgeschlossen. Das würde eine dramatische Eskalation und große Gefahren mit sich bringen.
Mehrere Politikerinnen und Politiker haben in der vergangenen Woche immer wieder vor dem Ausbruch des 3. Weltkriegs gewarnt, sollte die Nato in der Ukraine intervenieren.
Kasparov bewertet die Lage anders. Er ist sich sicher, dass Putin sich mit der Ukraine nicht zufriedengeben wird. "Sagen Sie nicht: 'Putin würde das nie tun'." Denn das sei das gleiche Argument, mit dem man 2014 auf das Einmarschieren auf die Krim reagiert habe. Schon damals habe man ihm erzählt, dass es zu riskant sei, Putin zu stoppen. Und er habe schon damals davor gewarnt, dass Putin niemals aufhören werden.
"Putin schwört, die Ukrainer auszurotten, während wir zusehen", schreibt er abschließend. "Die Ukraine hat nichts falsch gemacht, sondern versucht, sich der demokratischen Welt anzuschließen, die jetzt in Echtzeit Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlebt. Nicht unfähig. Unwillig."
(and)