
Der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un lässt sich als Gott verehren.Bild: KCNA via KNS
International
Ein IT-Skandal mit geopolitischer Sprengkraft: Wie ein scheinbar unauffälliger Mann aus einem Nagelstudio zum Handlanger des nordkoreanischen Regimes wurde – und warum die USA nun alarmiert sind.
30.04.2025, 11:4930.04.2025, 11:49
In der Welt der IT-Sicherheitslücken und Cyberverbrechen ist Nordkorea längst kein unbeschriebenes Blatt mehr. Ein aktueller Fall aus den USA zeigt, wie perfide die Methoden geworden sind, mit denen das international isolierte Land versucht, an Geld – und vor allem an sicherheitsrelevante Informationen – zu kommen. Und mittendrin: ein Mann, der bis vor Kurzem noch in einem Nagelstudio in Maryland gearbeitet hat.
Nordkorea nutzt Nagelstudio-Besitzer – echter Schaden
Minh Phuong Ngoc Vong ist kein Softwareentwickler. Er hat keinen Informatikabschluss, keine relevante Berufserfahrung. Trotzdem hat er sich von 2021 bis 2024 bei über einem Dutzend US-Firmen als erfahrener IT-Spezialist ausgegeben – beziehungsweise: Er hat es anderen ermöglicht.
Denn Vong hat seine amerikanische Identität gezielt an nordkoreanische Entwickler in China vermietet. Laut dem US-Magazin "Fortune", wie mehrere Medien berichteten, bekam er dafür mehr als 970.000 Dollar, umgerechnet rund 850.000 Euro.
Die IT-Jobs, zu denen die nordkoreanischen Entwickler so Zugang erhielten, waren keineswegs harmlos: Darunter befanden sich auch Tätigkeiten mit Zugriff auf sensible Daten staatlicher Einrichtungen wie der Federal Aviation Administration (FAA), berichtet "Fortune". Der potenzielle Schaden – kaum absehbar.
Nordkorea nutzt Remote-Jobs für Finanzierung seines Atomprogramms
Das US-Justizministerium geht davon aus, dass es sich bei Vong nicht um einen Einzelfall handelt – sondern um einen Teil eines systematisch organisierten Programms aus Nordkorea. Demnach bilden nordkoreanische Behörden gezielt IT-Fachkräfte aus, die dann remote aus Ländern wie China oder Russland für westliche Unternehmen arbeiten. Der Trick: Sie nutzen fremde Identitäten, um sich zu tarnen.
Die US-Behörden schätzen laut "Fortune", dass dieses System jedes Jahr zwischen 250 und 600 Millionen Dollar einspielt – Geld, das in das umstrittene Atom- und Raketenprogramm von Machthaber Kim Jong-un fließt. "Das System ist inzwischen so weit verbreitet, dass es fast unvermeidlich ist, diese Organisationen ins Visier zu nehmen", sagte John Hultquist von Googles Threat Intelligence Group zu "Fortune".
Die US-Regierung spricht inzwischen von Tausenden nordkoreanischen IT-Arbeitskräften, die in hunderten internationalen Unternehmen untergekommen sind.
Minh Phuong Ngoc Vong hat sich inzwischen schuldig bekannt. Die genaue Länge seiner Haftstrafe wird im August erwartet. Doch der Fall zeigt schon jetzt, wie einfach sich Sicherheitslücken mit der richtigen Portion Gier und Gleichgültigkeit ausnutzen lassen – mit potenziell globalen Konsequenzen.
Nordkorea-Machthaber Kim Jong-un rüstet weiter auf
Dass es Nordkorea mit dem Ausbau seiner militärischen Macht ernst meint, zeigt auch eine andere aktuelle Entwicklung: Kim Jong-un hat laut der britischen Zeitung "The Telegraph" kürzlich ein neues 5000 Tonnen schweres Kriegsschiff in Nampho in Dienst gestellt.
Das Schiff "Choe Hyon" soll neben mehreren Kriegsraketen auch mit taktischen Atomwaffen ausgerüstet sein. In seiner Ansprache zur Schiffseinweihung betonte Kim laut The Telegraph, dass die "Sicherheitslage des Landes sehr ernst" sei – und dass "starke präventive Angriffsfähigkeiten" die beste Abschreckung gegen einen Krieg seien.
Nordkorea: Einblick in ein verschlossenes Regime
Nordkorea zählt zu den abgeschottetsten Ländern der Welt. Seit seiner Gründung 1948 als sozialistischer Staat ist es geprägt von autoritärer Herrschaft, staatlich kontrollierten Medien und systematischen Menschenrechtsverletzungen – so die Einschätzung zahlreicher internationaler Organisationen. Das Land grenzt an Südkorea, China und Russland, steht aber vor allem mit dem Westen in dauerhafter Konfrontation – besonders wegen seines Nuklearprogramms.
Humanitäre Lageberichte sind selten, die Bevölkerung weitgehend vom Ausland abgeschottet. Während das Regime Milliarden in Rüstung investiert, gehört die Demokratische Volksrepublik Korea zu den ärmsten Staaten weltweit. Der Human Development Index führt das Land nicht, offizielle Daten zur Wirtschaft fehlen. Noch in den 1990er-Jahren verhungerten dort laut Schätzungen zwischen 350.000 und 3,5 Millionen Menschen.
Donald Trumps Regierung dreht den Schutz der Presse zurück: Die US-Justiz erlaubt wieder, Reporter ins Visier zu nehmen. Der Schutz für Journalist:innen schrumpft auf Taschenformat.
Im Streit zwischen Regierungen und der freien Presse ist das Misstrauen alt, aber die Methoden ändern sich. Mal subtil, mal brachial wird versucht, Journalist:innen vom Nachforschen abzuhalten. In den USA galt zuletzt: Wer intern etwas durchsickern ließ, konnte sicher sein, dass wenigstens die Reporter:innen verschont blieben. Schließlich braucht eine Demokratie eine freie Presse. Oder wenigstens die Illusion davon.