Deal oder No Deal? Theresa May(be) sucht nach Antworten.Bild: imago/watson-montage
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May ringt der EU doch noch Zugeständnisse ab – 4 Szenarien zum Brexit-Showdown ab Dienstag
11.03.2019, 20:2512.03.2019, 02:27
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Theresa May zieht alle Register, um eine erneute schwere Schlappe im Ringen um den EU-Austritt zu verhindern.
Zum zweiten Mal lässt die Premierministerin am Dienstag über ihr mit der EU ausgehandeltes Austrittsabkommen abstimmen.
Beim ersten Mal wurde der Deal mit 432 zu 202 Stimmen abgeschmettert.
Kurz vor der Abstimmung hat May der EU doch noch Zugeständnisse abgerungen. Gemeinsam mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker verkündete May am Montagabend in Straßburg einen Durchbruch bei der umstrittenen irischen Grenzfrage.
Unklar ist, ob der Formelkompromiss ausreicht, May im Unterhaus eine Mehrheit für das Austrittsabkommen zu sichern.
Worum geht es bei der neuen Einigung?
Die Änderungen beziehen sich auf den sogenannten Backstop, die von der EU geforderten Garantie für eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland. Die Klausel sieht vor, dass Großbritannien so lange als Ganzes in einer Zollunion mit der EU bleiben soll, bis eine andere Lösung gefunden ist. Brexit-Hardliner lehnen das ab.
Was ist neu?
Nun soll das "rechtlich verbindliche Instrument" noch deutlicher machen, dass der Backstop höchstens eine Übergangslösung ist. Und eine gemeinsame Ergänzung der politischen Erklärung über die künftigen Beziehungen beider Seiten soll betonen, dass diese schnellstmöglich geklärt werden. Das soll den Backstop überflüssig machen. May kündigte eine unilaterale Erklärung an. Demnach sieht sich London berechtigt, Maßnahmen zu ergreifen, die zum Ende der Backstop-Regelung führen, sollten die Verhandlungen über eine künftige Beziehung scheitern. Der britische Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox wird nach Angaben Mays am Dienstag ein neues rechtliches Gutachten darüber veröffentlichen, ob die Änderungen ausreichend sind, um zu garantieren, dass der Backstop keine Dauerlösung ist.
Juncker sagte kurz darauf, im Geiste der Kooperation habe man sich auf ein "rechtlich verbindliches Instrument" als Ergänzung zum Austrittsvertrag geeinigt. "Wir sind meterweise, manchmal auch millimeterweise aufeinander zugegangen." Nichts sei unversucht geblieben, betonte der EU-Kommissionschef.
Gleichzeitig stellte er klar, dass dies die letzten Zugeständnisse der EU sein würden. Er beschwor die Abgeordneten im britischen Unterhaus, dem Vertrag nun zuzustimmen. "Es wird keine dritte Chance geben", sagte Juncker. Werde dieser Vertrag nicht angenommen, werde der Brexit womöglich gar nicht stattfinden.
Sollte Theresa May mit dieser neuen Lösung am Dienstag scheitern, hat die konservative
Regierungschefin für Mittwoch eine Abstimmung darüber angekündigt, ob
das Land am 29. März ohne jeden Deal aus der EU ausscheiden soll.
Wird auch das abgelehnt, sollen die Abgeordneten am Donnerstag
entscheiden, ob London bei der EU eine Verlängerung der
Austrittsfrist beantragen soll.
May hofft, dass die Brexit-Hardliner in ihrer Partei aus Angst
vor hohen wirtschaftlichen Schäden im Fall eines No-Deal-Szenarios
doch noch nachgeben und den Deal durchwinken. Ansonsten könnte eine
Verschiebung auch zu einem zweiten Referendum und zur Abkehr vom
Brexit führen, appellierte May nach den Verhandlungen mit Juncker an die Abgeordenten:
"Heute haben wir rechtliche Änderungen durchgesetzt. Jetzt ist es Zeit, gemeinsam diesen verbesserten Brexit-Deal zu unterstützen und den Willen des britischen Volks umzusetzen"
Diese 4 Szenarien sind denkbar:
Das Abkommen wird angenommen
Stimmt am Dienstag eine Mehrheit für das Austrittsabkommen, ist
der Weg theoretisch frei für die etwa zweijährige Übergangsphase, in
der alles beim Alten bleiben soll. Doch ob Großbritannien tatsächlich
schon am 29. März ausscheiden kann, ist zweifelhaft. Inzwischen gilt
es als sicher, dass eine kurze "technische" Verlängerung der
Austrittsfrist trotzdem notwendig sein wird, um die entsprechende
Gesetzgebung durchs Parlament zu bringen.
Eine Mehrheit könnte May theoretisch über zwei Wege zustande
bringen: Entweder die in letzter Sekunde von der EU abgerungenen Zugeständnisse reichen aus und die Brexit-Hardliner in ihrer eigenen konservativen Partei stimmen zu. Oder sie sichert sich durch einen weicheren Brexit-Kurs mit enger Anbindung an die EU die Unterstützung der Labour-Opposition. Als Lockmittel für die eigenen Leute könnte May für die Unterstützung des Deals ihren Rücktritt in Aussicht stellen. Viele Labour-Abgeordnete könnte sie mit einem zweiten Referendum über den EU-Austritt ködern - beides gilt aber als sehr unwahrscheinlich.
No Deal
Ein Austritt ohne Abkommen mit fatalen Folgen für die Wirtschaft
und viele weitere Lebensbereiche käme, wenn nicht aktiv etwas anderes
unternommen wird. Das liegt an den rechtlichen Vorgaben. Im
EU-Vertrag ist eine zweijährige Austrittsfrist vorgesehen, die nur
auf Antrag Londons und mit Zustimmung aller Mitgliedsländer
verlängert werden kann. Sie läuft am 29. März ab. Auch im britischen
EU-Austrittsgesetz ist dieses Datum als Brexit-Termin
festgeschrieben.
Auf einen sogenannten No-Deal-Brexit steuert Großbritannien zu,
wenn die Abgeordneten am Dienstag zuerst gegen das Abkommen von
Premierministerin May stimmen und dann am Mittwoch für den Austritt
ohne Deal. Doch auch eine Absage an den No Deal kann im Ausscheiden
ohne Abkommen enden, wenn die Parlamentarier tags darauf nicht für
eine Verschiebung des Brexits votieren.
Das letzte Wort wäre dann aber nach Ansicht des
Politikwissenschaftlers Simon Usherwood von der Universität Surrey
noch nicht unbedingt gesprochen. Sollte das Abkommen dieses Mal
weniger deutlich abgelehnt werden als beim letzten Mal, könnte May
ihren Deal ein drittes Mal den Abgeordneten vorlegen, glaubt er. "Nur
wenn man eine der radikaleren Varianten wählt, wie eine Neuwahl oder
ein Referendum, würde man nicht in eine dritte Runde gehen", sagte
Usherwood.
Verschiebung des Brexit
Dass Großbritannien eine Verlängerung des EU-Austritts beantragt,
gilt inzwischen als wahrscheinlichster Ausgang des
Abstimmungsmarathons zum Brexit. Doch wozu soll die Verzögerung
dienen? Brüssel hat bereits deutlich gemacht, dass die Verlängerung
der Austrittsfrist mit einem klaren Zweck verbunden sein muss, zum
Beispiel einer Neuwahl oder einem zweiten Referendum. Für beides
scheint es derzeit im Parlament keine Mehrheit zu geben.
Doch könnten die Abgeordneten die Abstimmung nutzen, um der
Regierung eine Richtung aufzuzwingen, beispielsweise eine weitere
Abstimmungsrunde über die verschiedenen Optionen.
Eine weitere Frage ist, für wie lange der Austritt verschoben
werden soll. Eine Verlängerung über den 2. Juli hinaus scheint
problematisch, weil dann das im Mai neu gewählte Europäische
Parlament zusammentritt. Wäre Großbritannien dann noch EU-Mitglied
müsste es ebenfalls Abgeordnete stellen - die aber nicht gewählt
wurden.
Brexit wird abgeblasen
Dass der EU-Austritt Großbritanniens abgesagt wird, ist zwar
theoretisch möglich – die britische Regierung könnte nach einem
Urteil des Europäischen Gerichtshof ihren Austrittsantrag bis zuletzt
einseitig zurückziehen. Doch das gilt als sehr unwahrscheinlich.
Politisch abgesichert werden könnte das wohl nur durch ein zweites
Referendum - wofür keine Mehrheit in Sicht ist. May ist auch strikt
dagegen und warnt vor einem Vertrauensverlust in die Demokratie,
nachdem die Briten 2016 mehrheitlich für den EU-Austritt gestimmt
hatten.
Erste Reaktionen auf die neue Einigung:
Entscheidend darüber, ob der Deal am Dienstag im britischen Parlament eine Chance hat, dürfte das Urteil der DUP sein. Die nordirisch-protestantische Partei, von der Mays Minderheitsregierung abhängt, äußerte sich zunächst zurückhaltend. "Diese veröffentlichten Dokumente bedürfen eingehender Prüfung", hieß es in einer Mitteilung.
Labour-Chef Jeremy Corbyn bezeichnete die Verhandlungen als "gescheitert". In der Vereinbarung sei nichts, was den Änderungen nahe komme, die May dem Parlament versprochen habe. Auch der Labour-Brexit-Experte Keir Starmer hält die Änderung für bedeutungslos. Juncker stellte ebenfalls klar, dass er nicht über das bisherige Mandat der übrigen 27 EU-Staaten hinaus gegangen sei.
"Wir haben alles Mögliche getan, um Großbritannien zu beruhigen. Nun freuen wir uns auf ein positives Ergebnis im Parlament. Ich hoffe, dass der gesunde Menschenverstand siegen wird."
Einige führende Labour-Mitglieder erklärten, dass sich an der Substanz des Brexit-Deals auch nach der neuen Einigung nichts geändert habe.
"Ich werde morgen gegen den Antrag der Regierung zum EU-Rückzug stimmen. Seit letztem November hat sich nichts geändert. Wir haben die Befugnis, einen Antrag bei einem Schiedsgericht zu stellen, um den Backstop zu verbannen, aber nicht das Recht, es alleine zu bestimmen."
Viele Kommentatoren stellten fest, dass der Schlüssel zum Erfolg darin bestehen würde, ob die Änderungen den Generalstaatsanwalt dazu veranlassen würden, seinen rechtlichen Rat zum Backstop zu ändern. Andere Abgeordnete forderten die Abstimmung am Dienstag zu verschieben, um die Dokumente ordentlich prüfen zu können.
(aj/dpa)
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