Nach drei Jahren eines zermürbenden Angriffskrieges in der Ukraine mag es grotesk klingen, dass dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ein Vorwurf wegen seiner Kleidung gemacht wird. Bei seiner Begegnung mit US-Präsident Donald Trump am Freitag im Oval Office musste er sich nicht nur für seinen fehlenden Anzug rechtfertigen, sondern wurde obendrein öffentlich in die Defensive gedrängt.
Trump selbst verdeutlichte damit, dass er in der Ukraine-Frage einen anderen Kurs fahren will als die Biden-Regierung – sehr zur Freude des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Während Trumps Maga-Anhänger:innen dies feierten, empfanden zahlreiche Menschen dies als maßlose Respektlosigkeit. Als Opfer-Täter-Umkehr. Als Vertrauensbruch. Europa stellt sich seitdem umso deutlicher an die Seite der Ukraine.
In Kiew sitzt der Schock besonders tief. Während die Regierung Selenskyj nun jeden Schritt mit Bedacht überlegen muss, hat sie eine besondere Aktion für ihre Unterstützer ins Leben gerufen: Sie verschenkt T-Shirts mit einem Zitat von Präsident Selenskyj, das er bei dem Treffen mit Trump im Oval Office äußerte: "Ich werde einen Anzug tragen, wenn dieser Krieg vorbei ist."
Der Satz ist das neue Motto einer Spendenkampagne der offiziellen ukrainischen Fundraising-Plattform United24. Sie hat das T-Shirt als Teil einer Initiative zur Finanzierung gepanzerter medizinischer Evakuierungsfahrzeuge für ukrainische Soldaten vorgestellt. Menschen, die mindestens 23 Euro spenden, erhalten möglicherweise eines der T-Shirts als Dankeschön, die "sie anstelle eines Anzugs tragen können". Die T-Shirts werden unter den Spender:innen verlost.
"Die Worte unseres Präsidenten sollen daran erinnern, dass es für alles eine Zeit und einen Ort gibt. Eines Tages werden wir wieder Anzüge tragen – doch jetzt geht es darum, diesen Krieg zu beenden", heißt es auf der United24-Webseite.
Die Aktion wurde kurz nach Selenskyjs Treffen mit Trump ins Leben gerufen, bei dem es unter anderem um eine Vereinbarung zur Nutzung ukrainischer Rohstoffe sowie um einen möglichen Friedensplan ging. Der US-Präsident kommentierte bereits beim Empfang Selenskyjs im Weißen Haus dessen militärische Kleidung mit den Worten: "Heute sind Sie ja ganz schick angezogen."
Zum Hintergrund: Der ukrainische Präsident trägt seit Beginn des russischen Angriffskrieges konsequent militärische Kleidung, um seine Verbundenheit mit den Soldaten an der Front zu zeigen. So trug er in der Vergangenheit häufig olivgrüne Kleidung. Beim Treffen mit Trump entschied er sich jedoch für ein schwarzes, militärisches Sweatshirt.
Die Diskussion um seine Kleidung löste auch in den USA Proteste aus. Demonstrant:innen in Chicago und Washington DC hielten Schilder mit Slogans wie "Wird Russland aufhören, uns zu töten, wenn wir Anzüge tragen?", "Frieden braucht keinen Anzug" und "Helden brauchen keinen Anzug" in die Höhe.
Selenskyj ist nicht der erste Staatschef, der in Kriegszeiten durch seine Kleidung ein Zeichen setzt. Während des Zweiten Weltkriegs wurde Winston Churchill oft mit seinem typischen schwarzen Homburg-Hut und einer Zigarre abgelichtet – eine bewusste Geste, um Stärke zu demonstrieren, während London bombardiert wurde.