Die Eskalation zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und dem US-Präsidenten Donald Trump am vergangenen Freitag im Weißen Haus scheint die Hoffnungen auf faire Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine vorerst auf ein Minimum geschrumpft zu haben.
Der US-Vizepräsident JD Vance wird dennoch nicht müde zu betonen, dass der ukrainische Präsident "letztendlich" Friedensgesprächen mit Russland zustimmen muss.
Im Kreml bereitet man sich seinerseits auf solche Verhandlungen vor und freut sich über die Vorstöße Donald Trumps zu einem "Frieden" in der Ukraine. "Jetzt ist jede konstruktive Unterstützung des Prozesses gefragt", erklärte zuletzt der Sprecher von Wladimir Putin, Dmitri Peskow. Unter den Soldaten vor Ort ist die Stimmung nach drei Jahren Krieg jedoch offenbar alles andere als gut.
In der Region Cherson versucht das russische Militär aktuell verstärkt, auf die westliche Seite des Dnipro-Flusses vorzudringen. Hintergrund ist offenbar, dass Russland die Chancen erhöhen möchte, die Region Cherson in möglichen Friedensgesprächen für sich zu beanspruchen.
Der ukrainische Gouverneur in Cherson, Oleksandr Prokudin, berichtet bei einem Besuch in London von entsprechenden Angriffen an vier verschiedenen Stellen. Im "Guardian" spricht er von mittlerweile täglichen Angriffen, von denen jedoch nur wenige russische Soldaten zurückkehrten. Dennoch soll der Befehl lauten, den Fluss um jeden Preis zu überqueren und die angrenzenden Gebiete einzunehmen.
"Den Russen ist vollkommen klar, dass es sich um eine Selbstmord-Mission handelt", sagte Prokudin. Anhand von sichergestellten Dokumenten habe seine Delegation erkennen können, dass auch erfahrene Rekruten bei der Mission getötet wurden.
Entsprechend niedrig ist mittlerweile die Motivation innerhalb der russischen Truppen. Wie die Partisanenbewegung "Artesh" auf ihrem Telegram-Kanal berichtet, verweigert ein Teil von ihnen mittlerweile aktiv erhaltene Befehle.
Die Soldaten des 24. und 26. russischen motorisierten Gewehrregiments seien demnach dazu angehalten, die sumpfigen Inseln im Dnipro-Delta zu stürmen. Da bereits viele ihrer Kameraden von dieser Mission nicht mehr zurückgekehrt seien, führe man sie zum Teil gar nicht mehr aus.
In Militärkreisen werde laut "Artesh" zudem bereits über eine Einstellung der Feindseligkeiten in der Region gesprochen, was sich wiederum negativ auf die Motivation der Soldaten auswirke. "Sie verstehen, dass es sinnlos ist, beim Versuch, ein paar Quadratmeter fremden Landes in Besitz zu nehmen, zu sterben, wenn sie einfach abwarten können, bis die Kämpfe aufhören", erklärt die Gruppe auf Telegram.
Cherson gilt seit Beginn des Ukraine-Kriegs als Konfliktherd. Nachdem Russland zunächst die gesamte Region erobert hatte, musste das Militär sich im November 2022 von der westlichen Seite des Flusses zurückziehen.
Vor allem nach der verbalen Demütigung Selenskyjs durch Trump und Vance im Oval Office versucht Russland nun, in Cherson besondere militärische Stärke zu beweisen. Erst am Montag hatte die Ukraine einen Raketenschlag auf einen Truppenübungsplatz im Gebiet Dnipropetrowsk eingeräumt, bei dem mindestens 32 Soldaten getötet wurden.