Kriegsverbrechen in Nahost stehen an der Tagesordnung. Doch für all jene, die sie begehen, könnte dies früher oder später Konsequenzen haben. So wie für einen ehemaligen israelischen Soldaten, der in Brasilien Urlaub machte und gegen den Vorwürfe im Raum stehen: Er musste aus dem Urlaubsland fliehen, weil er an Kriegsverbrechen im Gazastreifen beteiligt gewesen sein soll.
Es ist nur einer der Fälle, die auf Anzeigen der in Belgien ansässigen Hind Rajab Foundation (HRF) zurückzuführen sind. Die Organisation hat die Aktivitäten hunderter israelischer Soldat:innen im Gazastreifen verfolgt und bringt mutmaßliche Verbrechen zur Anzeige. Teilweise mit Erfolg.
Der israelische Außenminister spricht von einer "systematischen und antisemitischen Kampagne", die HRF vom Kampf gegen "israelische Straflosigkeit".
Vor allem Social-Media-Beiträge und Videos dienen der Organisation laut "CNN" zur Nachverfolgung, teils auf den Kanälen der Soldat:innen selbst. Erst Anfang Januar 2025 ordnete ein brasilianischer Richter infolge einer Beschwerde der HRF-Ermittlungen gegen den ehemaligen Soldaten im Brasilien-Urlaub an. Die Organisation wirft ihm vor, "im Rahmen einer systematischen Zerstörungskampagne an der massiven Zerstörung ziviler Häuser in Gaza teilgenommen zu haben".
Die Anwältin, die den Fall im Namen der Stiftung vor Gericht brachte, ist Maira Pinheiro. Sie argumentiert laut brasilianischen Medien, dass Brasilien wegen des Römischen Statuts dazu verpflichtet sei, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord zu untersuchen und bestrafen.
Das israelische Außenministerium hingegen spricht in dem Fall von "antiisraelischen" Taten. Außenminister Gideon Saar habe sofort das Außenministerium eingeschaltet und die israelische Botschaft in Brasilien habe "seine rasche und sichere Ausreise aus Brasilien" sichergestellt.
Der brasilianische Fall ist in Israel zum Politikum geworden. Während sich Soldat:innen und deren Familien sorgen und Benjamin Netanjahu zum Handeln auffordern, schiebt der Oppositionsführer Yair Lapid diese Entwicklungen auf ein monumentales politisches Versagen einer handlungsunfähigen Regierung.
Geht es nach Meinung des Außenministeriums, handelt es sich bei den Anzeigen und Forderungen jedoch um eine "systematische und antisemitische Kampagne, deren Ziel darin besteht, Israels Recht auf Selbstverteidigung zu leugnen".
Unzählige internationale Akteur:innen und "viele Länder" seien daran beteiligt. Demnach verwenden antiisraelische Kräfte die Beiträge von Militärdiensten und Soldat:innen auf Social Media, "um haltlose Gerichtsverfahren gegen Israelis einzuleiten."
Wie die Organisation HRF auf seiner Webseite verlauten lässt, hat sie auch Festnahmen israelischer Soldat:innen gefordert, die Thailand, Sri Lanka, Chile und andere Länder besuchen.
Viele IDF-Soldat:innen fühlen sich im Ausland nicht mehr sicher.
Ein ehemaliger hochrangiger Beamter des israelischen Generalstaatsanwalts sagte zu CNN, dass es im Ausland immer mehr Versuche gebe, Anklage gegen Israelis zu erheben, die im Krieg gedient hatten. Es sei allerdings noch nicht zu Verhaftungen oder Prozessen gekommen.
Kürzlich veröffentlichte die HRF ein Foto eines Soldaten und behauptete, sich an die sri-lankischen Behörden, den Internationalen Strafgerichtshof und Interpol gewandt zu haben, um seine Festnahme zu fordern. Ihm wird die Tötung eines Zivilisten in Gaza vorgeworfen.
Doch wer steht eigentlich hinter der HRF? Dabei handelt es sich um eine pro-palästinensische Nichtregierungsorganisation. Sie setzt sich nach eigenen Angaben dafür ein, "den Kreislauf der israelischen Straflosigkeit zu durchbrechen und das Andenken an Hind Rajab und all jene zu ehren, die beim Völkermord im Gazastreifen umgekommen sind". Rajab war ein Mädchen, das im Alter von fünf Jahren im Auto ihrer Familie in Gaza durch israelisches Panzerfeuer getötet wurde.
Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und Sicherheit im israelischen Parlament, der Knesset, diskutierte am Montag über das Vorgehen gegen israelische Soldat:innen weltweit.
Unterdessen läuft in Katar eine neue Verhandlungsrunde für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg. Derweil bemüht sich Israel angeblich mit Unterstützung der USA darum, die Ende November mit der libanesischen Hisbollah-Miliz vereinbarte und demnächst auslaufende Waffenruhe zu verlängern.
(Mit Material von dpa)