Seit dem mysteriösen Tod des Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin reißen die Spekulationen um die Ursache des Flugzeugabsturzes nicht ab. Der 62-Jährige kam laut offizieller Darstellung bei einem Flugzeugabsturz am 23. August ums Leben. Mittlerweile haben zahlreiche westliche Regierungen den Verdacht geäußert, Russland-Machthaber Wladimir Putin könnte hinter dem Tod stecken.
Schließlich hatte Prigoschin mit seiner Gruppe Wagner genau zwei Monate zuvor einen Putschversuch auf den Kreml verübt. Andere Theorien besagen, dass der Chef der Söldnertruppe seinen Tod nur fingiert hat, um abtauchen zu können.
Allerdings kommuniziert Russland ebenso wie die Gruppe Wagner, dass Prigoschin, zwei hochrangige Leutnants seiner Söldnertruppe und vier Leibwächter bei dem Absturz tatsächlich ums Leben kamen.
Aufklärung über den genauen Grund des Absturzes könnten Untersuchungen bringen. Doch der Kreml stellt sich hier offensichtlich quer.
Klar ist: Das Modell des Prigoschin-Flugzeugs – eine Legacy 600 – galt unter Expert:innen als sicher, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Der Hersteller Embraer ist auf die Produktion von kleineren Flugzeugen spezialisiert.
Laut der Website für Flugverkehr, "International Aviation HQ", dürfen Flugzeuge des Modells Legacy 600 seit 2002 verkehren. Fast 300 dieser Modelle sind bis 2022 demnach produziert worden. Abstürze gab es laut der Website keine.
Im Jahr 2006 kam es lediglich zu einem Vorfall, der aber nichts mit technischen Fehlern des Flugzeugs zu tun hatte: Damals war einer der Jets auf dem Weg vom Embraer-Werk in Brasilien in Richtung USA mit einer Boeing 737–800 zusammengestoßen. Das Flugzeug wurde dabei beschädigt, konnte allerdings sicher landen, ohne Verletzte. Die 154 Menschen in der Boeing hatten weniger Glück. Sie alle kamen ums Leben.
Die kürzlich abgestürzte Legacy 600 gehörte seit 2020 der Wagner-Gruppe. Der Vorfall kam plötzlich. Prigoschins Flug war von Moskau nach St. Petersburg unterwegs. In der Nähe des russischen Dorfes Kujenkino, nordwestlich von Moskau, stürzte das Flugzeug Berichten zufolge nach einem dramatischen Sinkflug wie ein Stein vom Himmel.
Zwar laufen laut offiziellen Angaben aus Russland nun Untersuchungen zu dem Absturz des brasilianischen Embraer-Jets (EMBR3.SA), bei dem der Söldnerboss Jewgeni Prigoschin offenbar ums Leben kam. Allerdings lassen Aussagen vom Kreml dieser Tage aufhorchen. Wie Reuters berichtet, hat Russland die brasilianische Luftfahrtbehörde darüber informiert, dass es den Absturz "im Moment" nicht nach internationalen Regeln untersuchen wird.
Das brasilianische Zentrum für Forschung und Prävention von Luftfahrtunfällen (CENIPA) hatte im Interesse der Verbesserung der Flugsicherheit erklärt, dass es sich einer Untersuchung unter russischer Leitung anschließen würde. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Untersuchung nach internationalen Regeln abliefe. Das will man im Kreml offenbar nicht.
Dazu ist Russland – aus Sicht des Kremls wohl praktischerweise – auch nicht verpflichtet.
Denn: Die russische Luftfahrtbehörde ist nicht verpflichtet, der Cenipa ihre Zustimmung zu geben, da das Flugzeug mit Ziel St. Petersburg auf nationalem Raum abstürzte und als Inlandsflug halt.
Allerdings raten internationale Expert:innen Russland dazu, falls es nichts mit dem Absturz zu tun habe. "Es gibt keine Verpflichtung, nur die Empfehlung, dies zu tun", sagte Cenipa-Leiter Air Brigadier Marcelo Moreno gegenüber Reuters als Antwort auf die Frage, ob es Untersuchungen geben werde. "Aber wenn Russland sagt, dass es die Untersuchung eröffnet und Brasilien einlädt, werden wir aus der Ferne teilnehmen".
Der US-Luftsicherheitsberater und ehemalige Ermittler John Cox sagte, dass eine interne russische Untersuchung ohne die Beteiligung Brasiliens immer infrage gestellt werden würde. "Ich finde das sehr traurig", sagte Cox, nachdem er von der russischen Antwort erfahren hatte. Und: "Ich denke, es schadet der Transparenz der russischen Untersuchung."
Auch Jeff Guzzetti, ein ehemaliger US-amerikanischer Flugunfallermittler, ist dieser Meinung. Er findet, dass Russland die Hilfe Brasiliens akzeptieren sollte: "Wenn sie das nicht tun, dann ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass es keine transparente Untersuchung sein wird."
Russland selbst bestreitet jede Beteiligung an dem Tod Prigoschins. Allerdings hat die russische Führung am Mittwoch erstmals eingeräumt, dass der Absturz absichtlich herbeigeführt worden sein könnte. "Es ist offensichtlich, dass verschiedene Versionen in Erwägung gezogen werden, einschließlich der Version (...) einer absichtlichen Grausamkeit", sagte ein Kremlsprecher laut den Nachrichtenagenturen Reuters und Ria vor Journalist:innen. Und: "Warten wir die Ergebnisse der russischen Untersuchung ab."