In eurem Bunde der Dritte? Von wegen. Hollands Premier Mark Rutte (r.) stellt sich gegen Emmanuel Macron und Angela Merkel.Bild: dpa
International
Du interessierst dich für Europa? Dann musst du Mark Rutte kennen
22.03.2018, 10:0425.05.2018, 15:25
von peter riesbeck
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Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) versammeln sich zum Gipfel. Eines der großen Themen: Brexit.
Die Gipfel-Statements hier live verfolgen
Großbritannien geht und
die EU sortiert sich neu. Bisher war das ja alles einfach in der EU.
Großbritannien gab den Anwalt des freien Marktes.
Frankreich den Advokaten der Gleichheit
Deutschland stand mit seiner sozialen Marktwirtschaft irgendwo dazwischen.
Nun scheidet das Vereinigte Königreich aus und Europa verliert das
Gleichgewicht zwischen britischem Marktglaube, französischem Dirigismus und
deutscher Sparwut. Ein Blick auf die neue Geometrie in Europa.
Das neue Traumpaar: Emmanuel Macron, 40, Staatspräsident Frankreichs & Angela Merkel, 63, Kanzlerin:
Lange musste der junge Franzose warten, sechs Monate brauchte Merkel für ihre
neue Koalition. So lange musste Macron warten. Der Mann hat im Vorjahr
Frankreichs Parteiensystem ausgehebelt und mit seiner neuen Bewegung „En
Marche“ das Präsidentenamt erstürm. Nun macht er sich daran, Europa zu
reformieren.
Ein Europäischer Währungsfonds unter Mandat der EU-Kommission
soll, ein Euro-Finanzminister, ein eigener Etat für die Eurozone und eine
europäische Einlagensicherung für die Vermögen der Euro-Sparer, etwas was
Deutschland für seine Sparer seit langem kennt, andere Länder müssen den
Notfallgroschen aber noch ansparen. Deshalb bremst Merkel. Im Koalitionsvertrag
bekennt sie sich zu höheren Ausgaben für die EU, aber in ihrer nach rechts
rückenden Union rumort es. So muss Merkel bremsen.
Merkel bewegt sich. Langsam.
„Das Entscheidende ist, Macron
sucht Reformen mit Berlin und nicht gegen Deutschland wie sein Vorgänger
Francois Hollande“, so Daniel Cohn-Bendit, der sich regelmäßig mit Frankreichs
Staatschef austauscht.
Nicht alle sind erfreut über das neue europäische
Traumpaar. Paris und Berlin geben die Richtung vor und die anderen EU-Staaten
sollen folgen? Es regt sich Widerstand gegen M&M.
Der Gegner: Mark Rutte, 51, Premier der Niederlande.
„Ich bin für ein starkes Europa, aber vielleicht
weniger romantisch als die Kanzlerin“, sagte Mark Rutte Anfang des Monats. Noch
weniger romantisch als die Kanzlerin mit Blick auf Europa? Das ließ schon vieles erahnen.
Widerstand mitten in Berlin
Rutte war eigens nach Berlin
gekommen, um seine Pläne einer EU ohne Großbritannien vorzustellen. Aber die
Hauptstadtpresse mochte mal wieder nicht so recht hinhören. Berlin betrieb
Nabelschau, und so legte Rutte mit einem Interview in der Info-Illustrierten "Spiegel" zu Wochenbeginn noch einmal nach. Am Mittwoch folgte ein Gespräch mit "Le Monde", damit Europa auch wirklich
seine neue Botschaft versteht. "Wir nicken nicht alles ab", sagte Rutte.
Er
forderte mehr Mitsprache der Mitgliedstaaten, auch bei einem Europäischen
Währungsfonds und überhaupt mehr Deregulierung. Auch das Beharren der Deutschen
auf ihrem Meisterbrief störte den geschäftstüchtigen Niederländer, er wolle "ernst machen mit der Liberalisierung
des Binnenmarkts". Rutte ist das
neue starke Gegengewicht in Europa, vor dem Gipfel am Donnerstag und Freitag
machte ihm selbst Macron die Aufwartung in Den Haag.
Rutte ist nicht allein. Schon zu Jahresbeginn wetterte er in Wien mit Österreichs Kanzler Sebastian Kurz gegen mehr Geld für Europa. Die EU müsse schlanker werden.
Zwei Herzen im euroskeptischen Drei-Viertel-Takt
Im März hat der liberale Premier mit sieben weiteren EU-Staaten zu einem Bündnis gegen Paris und Berlin versammelt: Dänemark, Schweden, Finnland, Estland, Lettland sowie Irland und
Litauen. Alle freihandelsorientiert, alle eher auf Sparpolitik abonniert. Vom "neuen Hanse-Bund" sprechen die Medien. Und Rutte ist der Anführer.
Großbritannien geht und Europa sucht neu nach seiner Mitte. Rutte gibt nun den
Anführer, eine Art männliche Margret Thatcher. Gegen mehr Befugnisse für Brüssel,
gegen einen höheren EU-Etat.
Ganz uneigennützig handelt der Liberale Rutte nicht. Im kommenden Jahr wird ein
Nachfolger für den scheidenden Ratspräsidenten Donald Tusk gesucht. Der
Ratschef gibt eine Art Geschäftsführer der Mitgliedstaaten in Brüssel. Rutte
sondiert schon mal die Lage und positioniert sich – als Kandidat der
Euroskeptiker. Holland gibt das neue Großbritannien.
Der Unterhändler (in eigener Sache) - Michel Barnier, 67, EU-Brexit-Makler
Bild: Getty Images Europe
Barnier verhandelt im
Auftrag der EU mit Großbritannien den Scheidungsvertrag. Ein erster Erfolg ist
erreicht. Zu Wochenbeginn verständigten sich EU und das Königreich auf eine
Übergangsphase bis zum 1. Januar 2021. So lange gelten die bisherigen Regeln
weiter: Freier Verkehr für Waren und Dienstleistungen, freie Wohnortwahl. Ein
chaotischer Abschied der Briten ist also erst einmal vermieden.
Nie ohne Chart, auch in Rom
Jetzt müssen Details
geklärt werden. Es geht um Zölle und um Jobs. Aber auch um das, was Europa so
lebenswert macht. Austauschprogramme wie Erasmus etwa und andere
Austauschprogramme. Knifflig.
Der Franzose Barnier liebt
Charts, selbst dem Heiligen Vater präsentierte er bei der Audienz eine
Infografik. Der Mann schwimmt gern und liebt Rotwein, selbstredend
französischen. Heftig mokierte sich deshalb sein Umfeld, als die Briten
unlängst den falschen Wein auftischten. Nebensächlichkeiten?
Mitnichten, bei
Verhandlungen geht es auch um die Atmosphäre. Und um ein bisschen mehr. Barnier
würde gerne im kommenden Jahr den scheidenden EU-Kommissionschef Jean-Claude
Juncker beerben. Merkel ist nicht gerade enthusiastisch. Macron noch weniger.
Barnier kämpft also nicht nur für einen soften Brexit, sondern auch um
Anerkennung.
Der Rüpel - Viktor Orban, 54, Regierungschef Ungarns:
Der Mann gefällt sich in seiner Rolle. Heftig wettert
Viktor Orban gegen Angela Merkels Flüchtlingspolitik und die Verteilung der
Asylsuchenden auf die EU-Staaten per Länderquote. Selbst den Europäischen
Gerichtshof rief Orban an. Und scheiterte. Dennoch rüpelt er weiter. Vor allem
gegen Brüssel.
Viel Verständnis in der Union
Orbans Agenda: Ihm reicht ein
Binnenmarkt, ein Europa des freien Warenverkehrs. Mehr Befugnisse für Brüssel?
Mitnichten. Aber die Unterstützung bröckelt. Polen deutete in der
Flüchtlingspolitik zuletzt Kompromisbereitschaft an, die Slowakei steckt nach
dem ungeklärten Mord an dem Enthüllungsjournalisten Jan Kuciak und seiner
Lebensgefährten in einer schweren Regierungskrise, Tschechien könnte sich
Ruttes Hanse-Bund anschließen.
Fazit: Je lauter Viktor Orban rüpelt, umso mehr steigen
die Chancen des smarten, pragmatischen EU-Eindampfers Mark Rutte auf ein wichtiges Amt in Brüssel.
Wie korrigierte unlängst ein osteuropäischer Diplomat die Vokabel
„Euroskeptiker“ in Brüssel? „Eurorealist!“. Leichter wird’s nicht in der
Europäischen Union. Auch nicht ohne die Briten.
Susie Wiles im Porträt: Gehalt als Stabschefin, Karriere und Nähe zu Trump
Susan Wiles wird die mächtigste Frau Washingtons. Nach dem Wahlsieg von Donald Trump gegen die Demokratin Kamala Harris tüftelt er bereits fleißig an der Aufstellung seines Kabinetts. Seine Wahlkampfleiterin Susan Wiles ernennt er zur Stabschefin des Weißen Hauses. Damit ist sie die erste Frau, die diesen Posten übernimmt.