In Saudi-Arabien dürfen Frauen seit Sonntag endlich Auto fahren. Tausende feierten auf den Straßen und in den sozialen Medien das historische Ereignis.
Die Reform von Kronprinz Mohammed bin Salman ist jedoch nicht so revolutionär, wie das Königreich sie darstellt, sagt Suad Abu-Dayyeh von der NGO "Equality Now". Eine Erklärung in 4 Punkten:
Die Aufhebung des Frauenfahrverbots wurde im September vergangenen Jahres verkündet. Seitdem können Frauen Fahrstunden nehmen. Sie zahlen jedoch sechs Mal mehr als männliche Fahrschüler für den Führerschein. Frauen zahlen 3000 Saudi-Riyals (685 Euro), Männer nur 500 Riyal (114 Euro). Warum dies so ist, begründet die Regierung laut Abu-Dayyeh nicht.
Frauen, die ihren Führerschein im Ausland gemacht haben, brauchen allerdings keine Fahrstunden zu nehmen. Sie können ihre Dokumente nach einem kurzen Praxistest umschreiben lassen.
Einige hundert Führerscheine an Frauen wurden in den vergangenen Wochen bereits ausgestellt. Doch nun dürfte es einen regelrechten Ansturm auf die Fahrschulen geben, die Frauen aufnehmen. Das Problem: Nach Informationen von "Equality Now" gibt es nur 5 Fahrschulen für Frauen im ganzen Land (Saudi-Arabien hat ungefähr 32 Millionen Einwohner).
Hinzu kommt, dass die Schulen alle in größeren Städten sind. Frauen in ländlichen Gebieten werden nicht das Geld haben in die Städte zu reisen um ihren Führerschein zu machen. Laut Abu-Dayyeh können sich nur Frauen aus der Elite den Führerschein leisten. Und auch oft nur, wenn ein Mann für sie zahlt, denn viele Frauen arbeiten nicht selbst und sind wirtschaftlich abhängig von ihren männlichen Verwandten.
Mindestens acht Frauenrechtlerinnen, die auch für die Aufhebung des Frauenfahrverbots gekämpft hatten, wurden im Vorfeld der Reform wegen "Verrat" verhaftet. Davon sind laut "Equality Now" fünf immer noch in Haft, wo und unter welchen Umständen weiß man nicht. Für ihren Aktivismus könnte ihnen von einem Antiterror-Gericht Haftstrafen bis zu 20 Jahren drohen, sagt Amnesty International.
Die prominente saudische Frauenrechtlerin Hala Al-Dosari bat die Frauen in ihrere Heimat am Sonntag von den USA aus, eine Minute innezuhalten und auch an die "starken und noblen Frauen und Männer" zu denken, die den Weg für diesen Augenblick geebnet hätten.
Frauen können jetzt vielleicht fahren, aber für viele Dinge benötigen sie immer noch das Einverständnis eines männlichen Verwandten. Sie müssen, bevor sie aus dem Haus oder auf eine Reise gehen, erst einen Mann um Erlaubnis fragen. Selbst wenn eine Frau Auto fahren darf, kann sie also nicht einfach losfahren.
Das System der männlichen Vormundschaft gilt in fast allen Lebenbereichen der saudischen Frauen. Frauen dürfen nicht ohne einen Mann oder seine schriftliche Erlaubnis zum Arzt gehen, sie dürfen nicht einfach heiraten oder sich scheiden lassen. In der Öffentlichkeit müssen sie sich komplett verhüllen.
Und ergänzt: "Das Wort 'Geschlechtergleichheit' gibt es in Saudi-Arabien nicht. Dabei kann diese nur existieren, wenn die männliche Vormundschaft vollständig abgeschafft wird."
(mit afp und dpa)