Das Treffen zwischen Donald Trump und Kim Jong-un wird die Zukunft der ganzen Region prägen. Von einem geschichtsträchtigen Abkommen bis zu einem totalen Debakel ist alles möglich.
Am Flughafen Singapur warteten am Sonntag mehrere Kühllaster des Verpflegungsdienstleisters Sats auf die Landung eines ganz bestimmten Flugzeugs. Die Iljuschin, eine Maschine russischer Bauart, brachte Lebensmittel, Luxusautos und Dinge des täglichen Bedarfs für Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un direkt aus Pjöngjang.
Offenbar traut dieser dem Essen in der Gastgeberstadt seines Treffens mit Donald Trump nicht so ganz. Der Diktator selbst kam wenig später mit einem Jumbo-Jet eingeschwebt, den ihm die Chinesen für diese Reise geliehen hatten – schließlich hat sich noch nie ein nordkoreanischer Führer so weit von seinem Heimatland wegbewegt.
Nordkorea zeigt derzeit eine bemerkenswerte Bereitschaft, sich zu öffnen. Kim geht mit weitreichenden Angeboten in das Treffen mit Trump hinein, das in der Nacht von Montag auf Dienstag unserer Zeit stattfindet. Er hat sich zu atomarer Abrüstung bereiterklärt – und stellt damit diejenige Errungenschaft seines Landes infrage, um die er am härtesten gekämpft hat.
Schließlich hat er die nordkoreanische Wirtschaft maximal ausgequetscht, um die Ressourcen für sein Atomprogramm zusammenzukratzen. Zur Strafe musste er Sanktionen der Weltgemeinschaft erdulden. Nun soll er die Bombe Trump gegenüber einfach so wieder aufgeben? Schwer vorstellbar.
Daher ist völlig offen, was am Dienstag passiert. Über die Verhandlungspositionen ist erschreckend wenig bekannt. Trump hat sich geweigert, den Gipfel gründlich vorzubereiten. Und Nordkorea-Diplomatie war schon immer schwierig. Für Kim handelt es sich erst um das zweite Gipfeltreffen außerhalb Koreas.
Es hängt also ungewöhnlich viel von den Persönlichkeiten der beiden Staatsführer ab. Das bereitet den am meisten betroffenen Ländern erhebliche Sorge. Südkoreas Präsident Moon Jae In musste vor anderthalb Wochen bereits Feuerwehr spielen, als Kim erst gegen die Amerikaner stänkerte und Trump den Gipfel daraufhin gleich komplett abgesagt hatte. Es gelang Moon jedoch, die launischen Kontrahenten wieder zusammenzubringen.
Japan wiederum fürchtet, von Trump bei den Verhandlungen vergessen zu werden. Premier Shinzo Abe ist vergangene Woche extra in Washington vorbeigeflogen, um ihn an die Interessen des langjährigen Bündnispartners zu erinnern. Es wäre für Trump verführerisch, zu einem Abschluss mit Kim zu kommen, der erst einmal gut klingt, die Gefahr für die Region jedoch nicht entschärft.
Kim könnte beispielsweise anbieten, seine neu entwickelten Langstreckenraketen zu verschrotten. Das klingt erst einmal gut, aber Japan liegt bequem in Reichweite von Mittelstreckenraketen. Diese, sagt Abe, müssten ebenfalls weg, bevor mit den Nordkoreanern ein zivilisierter Dialog möglich sei.
Auch "atomare Abrüstung" klingt erst einmal gut, doch bisher stellen sich Trump und Kim sehr unterschiedliche Dinge darunter vor. Die USA fordern eine sofortige, unumkehrbare Zerstörung aller Bomben und der Anlagen zu ihrer Herstellung. Nordkorea denkt eher an einen langsamen Prozess, der die nukleare Abschreckung noch lange aufrechterhält.
Auf diese Unterschiede angesprochen, sagte Trump am Wochenende, er werde sofort erkennen, ob Kim sein Angebot ernst meint. "In der ersten Minute werde ich es wissen", sagte er US-Berichten zufolge. "Mein Gespür, mein Gefühl werden es mir sagen."
Kim wiederum ließ sich am Sonntag nach Begrüßung durch den Außenminister von Singapur gleich ins Hotel St. Regis fahren, begleitet von einer Motorradeskorte der örtlichen Polizei. Bei Ankunft waren dann Leibwächter in schwarzen Anzügen zu sehen, die Kims Wagen im Laufschritt umringten und finstere Blicke in alle Richtungen warfen. Er selbst versteckte sich hinter getönten Scheiben – und hat bisher nichts über seine Strategie bekanntgegeben.
Trump mag über Kim spotten, doch dieser hat sich in den vergangenen Monaten als geschickter Verhandlungspartner erwiesen. Der junge nordkoreanische Machthaber ist fest entschlossen, als Sieger wieder aus Singapur abzureisen. Das bedeutet konkret: Eine Aufhebung von Sanktionen und eine Einbindung seines Landes an den Welthandel plus Investitionen und Wirtschaftshilfe. Vielleicht fliegt er dann künftig regelmäßig an Orte wie Singapur.
Dieser Artikel erschien zuerst auf t-online.de