Wie Altmaier Trump bändigen will – und wen er dafür opfern muss
20.03.2018, 06:1120.03.2018, 07:57
Fabian Reinbold
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Manche nennen es den Trump-Faktor, andere das pure Chaos. Doch Peter
Altmaier findet für die Unberechenbarkeit, die der US-Präsident in die
internationale Politik gebracht hat, eine nettere Beschreibung.
Er wisse nicht, sagt der Bundeswirtschaftsminister bei seinem Besuch
in Washington, ob seine Gespräche mit den Amerikanern Erfolg haben
würden, "weil wir ein sehr komplexes Umfeld haben". Er meint damit: Dass
die Worte seiner Gesprächspartner wenig zählen könnten, weil am Ende Donald Trump allein entscheidet.
Der CDU-Politiker ist seit sechs Tagen Bundeswirtschaftsminister.
Seine wahre Funktion auf seiner ersten Auslandsreise nach der
Vereidigung lautet allerdings: Krisendiplomat.
Altmaier ist auf einer Last-Minute-Mission, die Strafzölle auf Stahl-
und Aluminiumimporte auch aus Europa zu verhindern. Mancher Beobachter
sieht darin den Startschuss zu einem Handelskrieg zwischen Europa und
Amerika. Altmaier soll irgendwie erreichen, dass Trump die EU von der
Regelung ausnimmt. Es gibt leichtere Aufgaben.
Größtmögliches Verständnis für Trump
Der frischgebackene Wirtschaftsminister geht sie mit einer
interessanten Taktik an. In Washington äußert er größtmögliches
Verständnis für den US-Präsidenten.
Er könne es "verstehen, dass die USA ihre industrielle Basis schützen
wollen". Trump könne „zu Recht erwarten, dass die Nato-Staaten ihre
Zusagen einhalten“, sagt er zu dessen Kritik an den deutschen
Militärausgaben. Altmaier sieht sogar die durch Chaos geprägte
Trump-Regierung "stabilisiert". Bloß keine Eskalation!
Der Wirtschaftsminister nimmt Trump also betont ernst. Ernster als es
manch andere Politiker in Europa tun. Was beim Thema Handel nicht die
schlechteste Herangehensweise ist, denn Trump hat tatsächlich seit
langem klar gemacht, dass er den Handel mit Europa als ungerecht
empfindet – und nun macht er eben ernst.
Wenig Zeit, viele Streitpunkte
Die Ausgangslage ist schwierig, aber nicht hofflungslos. Trump hat
mit den Strafzöllen Fakten geschaffen. Er hat sogar noch weitere
Drohungen gegen Deutschland und seine Autoindustrie
hinterhergeschickt, während Berlin durch die quälend lange
Regierungsbildung gelähmt war. Altmaier hat jetzt wenig Zeit und viele
Themen, die er aus dem Weg räumen muss.
Am Freitag sollen die Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte bereits
in Kraft treten. Trump hat eine Hintertür offengelassen: Man könne
Ausnahmen verhandeln. So wie er sie Mexiko und Kanada gewährte, von
denen seine Regierung gerade Entgegenkommen bei der Reform des
Handelsabkommens Nafta erwartet. Eine solche Ausnahmeregel will auch
Berlin für die EU.
Altmaier machte erst einmal gut Wetter beim Frühstück mit seinem
Amtskollegen Wilbur Ross. Im Weißen Haus traf der CDU-Mann den noch
amtierenden Wirtschaftsberater Gary Cohn, der allerdings im Streit über
die Strafzölle von Bord gehen wird. Am Dienstag steht noch ein Treffen
mit Trumps Wirtschaftsberater Robert Lighthizer auf dem Programm. Er
gilt als treibende Kraft hinter Trumps Strafzöllen – Altmaiers
wichtigster Termin.
Ein Deal gegen China?
Bei diesen Treffen gibt es allerdings mehrere Punkte, die Altmaier
ausräumen muss. Neben der unmittelbaren Strafzoll-Entscheidung sind das
vor allem Trumps wiederholte Drohungen gegen die deutsche Autoindustrie -
eine Maßnahme, die Exportmeister Deutschland empfindlich treffen würde.
Altmaiers Ansatz lautet, die gemeinsamen Interessen zu betonen. Sich
quasi mit den Amerikanern gegen noch größere Ungerechtigkeiten auf den
Weltmärkten zu verbünden.
Das zielt ohne Zweifel auf China, das als eigentlicher Übeltäter auf
dem Stahlmarkt gebrandmarkt werden soll, weil es ihn mit Überproduktion
und Dumpingpreisen flutet. Dazu könnten anderen Probleme, die Europa und
die USA mit China haben, betont werden, etwa den Diebstahl geistigen
Eigentums.
Altmaier weiß, dass Trump in diesen Tagen Strafzölle gegen die Volksrepublik ausarbeiten lässt.
Vereinfacht ausgedrückt könnte das europäische Angebot also so
lauten: Wir helfen Euch gegen China, aber lasst uns bei den Strafzöllen
außen vor. Ein klassischer Deal. Genau das, was Trump mag.
Beim Thema Militär kann Berlin nicht viel bieten
Altmaier setzt also darauf, dass man Trump überzeugen kann. Der Ansatz
soll über den Freitag, den Stichtag der Strafzölle, hinaus gelten. "Es
wird einige Wochen dauern, eine gute Lösung zu finden", sagt er. Am
Dienstag kommt auch EU-Handelskommisarin Cecilia Malmström
nach Washington, mit der sich der Deutsche ständig abspricht. Parallel
wollen die G20-Minister in Buenos Aires eine Lösung suchen.
Deutschlands Handelsüberschuss ist Trump bekanntermaßen ein besonderer
Dorn im Auge - und ein Hindernis auf dem Weg zu einem Deal. Laut dem
"Spiegel" wollen die Amerikaner zudem, dass die Europäer ihre
Stahlexporte in die USA kappen und "Beweise", dass sie ihre
Rüstungsausgaben steigern.
Bei letzterem Punkt kann Altmaier allerdings nicht viel bieten. Obwohl
Trump Berlin und andere Nato-Partner immer wieder dafür kritisiert, zu
wenig für die Verteidigung auszugeben, hat die Große Koalition nur eine
minimale Anhebung der Ausgaben beschlossen und sie mit Geldern für die
Entwicklungshilfe gekoppelt. Vom Zwei-Prozent-Ziel der Nato, auf das
sich Trump bezieht, ist Deutschland weit entfernt. Hier wird es
besonders schwer, die Amerikaner zu überzeugen.
Altmaier will es versuchen. Es soll sein Schwerpunkt als Minister
werden, "die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit zu verbessern", sagt
er. Genug zu tun gäbe es. Schon im April könnte Altmaier erneut nach
Washington reisen.
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