Bei Protesten gegen hohe Spritpreise in Frankreich ist eine Frau ums Leben gekommen. Nach Angaben von Innenminister Christophe Castaner überfuhr eine Autofahrerin die Frau am Samstag an einer Straßenblockade im Departement Savoie im Osten des Landes. Landesweit wurden bis zum frühen Abend 106 Menschen verletzt, fünf von ihnen schwer. Es gab 52 Festnahmen, 38 Verdächtige befanden sich in Polizeigewahrsam. Insgesamt gab es rund 2000 Protestaktionen mit rund 244.000 Teilnehmern.
Die Autofahrerin in Pont-de-Beauvoisin wollte Castaner zufolge ihre Tochter zum Arzt bringen und geriet in Panik, als die Demonstranten der Protestbewegung "Gelbe Warnwesten" begannen, auf ihr Auto einzuschlagen. Sie habe Gas gegeben und die 63-jährige Frau überfahren. Die Autofahrerin erlitt einen Schock und wurde in Gewahrsam genommen. Castaner betonte das Recht auf Demonstrationsfreiheit, forderte von den Demonstranten aber ein Mindestmaß an Organisation, um "solche Dramen zu vermeiden".
Die Protestbewegung unter dem Schlagwort "Gelbe Warnwesten" (gilets jaunes) richtet sich gegen das Vorhaben der Regierung, die Steuern für Autofahrer im kommenden Jahr weiter zu erhöhen. Geplant ist unter anderem eine Anhebung der Abgaben auf Diesel und Benzin. Ein Liter Superbenzin kostet derzeit in Frankreich rund zwei Euro. Die Proteste dagegen hatten sich vor allem über die sozialen Netzwerke organisiert.
Laut Castaner ereignete sich im elsässischen Sélestat nahe der Grenze zu Deutschland ein Unfall "mit schweren Folgen". Das Opfer sei aber nicht ums Leben gekommen. In Grasse in Südfrankreich versuchte nach Angaben der örtlichen Präfektur ein Autofahrer eine Straßensperre zu durchbrechen und fuhr dabei einen Polizisten an. Der Beamte erlitt leichte Verletzungen, der Fahrer wurde festgenommen.
In Passy im Departement Haute-Savoie ging die Polizei mit Tränengas gegen Blockierer vor. In Capendu im südlichen Departement Aude fuhr ein wütender Autofahrer eine Demonstrantin an. Die Frau sei leicht verletzt worden, hieß es. Größere Straßenblockaden gab es in der Hafenstadt Caen in der Normandie, in Béziers sowie in Perpignan und Toulouse im Süden des Landes.
In Hendaye an der Grenze zu Spanien hielten etwa 150 "Gelbe Warnwesten" Schilder mit Aufschriften wie "Willkommen im Steuerland" oder "Stopp der Rentensicherheit" in die Höhe. Auf beiden Seiten des Grenzübergangs bildeten sich lange Schlangen von Autos und Lastwagen. Einige aufgebrachte Fahrer betätigten ausgiebig ihre Hupen.
In Paris marschierten mehrere Dutzend Demonstranten mit gelben Westen über den Prachtboulevard Champs Élysées und riefen "Macron - démission!" (Macron - Rücktritt). Mehrfach überquerten sie die Champs Élysées in Anspielung auf einen Ausspruch Macrons, der einem Arbeitslosen gesagt hatte, es genüge, die Straße zu überqueren, um Arbeit zu finden.
Seit Jahresbeginn sind die Steuern für Diesel-Kraftstoff nach früheren Angaben der französischen Nachrichtenagentur AFP bereits um 7,6 Cent pro Liter gestiegen, für Benzin um 3,9 Cent. Eine weitere Anhebung ist für 2019 geplant.
Ein Liter Super kostete laut der Tageszeitung "Libération" im November in Frankreich durchschnittlich 1,53 Euro - 27 Cent mehr als noch vor acht Jahren. Der Preis für Diesel stieg im selben Zeitraum um 44 Cent auf durchschnittlich 1,51 Euro.
Für viele Beobachter sind die geplanten Steuererhöhungen jedoch nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Schon im Sommer gab es Proteste gegen ein neu eingeführtes Tempolimit auf Landstraßen: Statt 90 Kilometer pro Stunde sind seitdem auf Landstraßen nur noch 80 erlaubt. Vor allem in den ländlichen Regionen ist der Unmut groß.
Doch die Wut geht über Verkehrsthemen hinaus. Oft ist die Forderung nach einem höheren Mindestlohn zu hören. Politiker dagegen sollten weniger verdienen. Nicht wenige "Gilets Jaunes" attackieren auch den Mitte-Präsidenten Macron persönlich, dessen Politik sie als Politik für die Reichen wahrnehmen. Auf Fernsehbildern sind Schilder zu sehen mit dem Konterfei Macrons und dem Schriftzug: "Hau ab!".
Macron hatte im Vorfeld in einem TV-Interview versichert, dass er den Ärger der "Gilet Jaunes" wahrnehme und verstehen wolle. Er warnte aber auch vor widersprüchlichen Forderungen nach mehr öffentlichen Jobs einerseits und weniger Steuern andererseits.
(hd/tl/dpa/afp)