Triggerwarnung: Im folgenden Text werden sexualisierte Gewalthandlungen und deren Folgen für Betroffene geschildert, die belastend und retraumatisierend sein können.
Seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan hat sich die Lage der Frauen im Land dramatisch verschlechtert. Wie eingeschränkt die Frauenrechte im Land sind und welchen Gräueltaten sie mitunter wegen kleinster "Vergehen" ausgesetzt sind, lassen jüngste Berichte nur erahnen.
Die britische Tageszeitung "The Guardian" berichtete bereits Anfang Juli über die Gruppenvergewaltigung einer afghanischen Menschenrechtsaktivistin in einem Taliban-Gefängnis. Die bewaffneten Männer hatten die schrecklichen Taten gefilmt und das Video später an die Aktivistin geschickt, um sie zum Schweigen zu bringen. Die Frau konnte fliehen und übergab das Video afghanischen Journalist:innen.
Klar ist: Frauen- und Menschenrechtsaktivistinnen sowie andere Frauen werden unter den Taliban massiv verfolgt. Und der Fall der Gruppenvergewaltigung ist kein Einzelfall. Ein aktueller Bericht verdeutlicht das Ausmaß der Gewalt.
Zahra Nader ist Chefredakteurin des Online-Magazins "Zan Times" und bestätigt, dass ihr Magazin eine Woche vor dem "Guardian" über ähnliche Vorfälle wie jenen über die Gruppenvergewaltigung berichtet hatte. Nader, eine 34-jährige afghanisch-kanadische Journalistin, gründete das Magazin im August 2022, um den Frauen in Afghanistan eine Stimme zu geben.
"Wir wissen nicht genau, wie viele Frauen in afghanischen Gefängnissen inhaftiert sind", sagt Nader jetzt der Deutschen Welle (DW). "Die Taliban weigern sich, viele Festnahmen zu bestätigen. Die inhaftierten Frauen sind oft willkürlich verhaftet und werden misshandelt", kritisiert sie dort.
Das Netzwerk von "Zan Times" recherchiert demnach intensiv über die Zustände in den Gefängnissen. Frauen werden den Schilderungen zufolge oft nur aus dem Grund verhaftet, dass sie ohne männliche Begleitung unterwegs sind. Selbst dann, wenn sie einen Hijab tragen.
"Gerechtigkeit existiert in Afghanistan nicht", sagt Nader. Es gebe keine Justiz, keine Verwaltung. "Die Taliban sind sich nicht einmal einig, was genau die Hijab-Vorschriften bedeuten", kritisiert sie.
Seit der Machtübernahme der Taliban haben Frauen und Mädchen ihre Rechte nahezu vollständig verloren. Sie sind aus dem öffentlichen Leben verbannt, dürfen nicht mehr arbeiten oder Bildungseinrichtungen besuchen und ihre Bewegungsfreiheit ist stark eingeschränkt.
Wenn sie sich wehren, drohen ihnen Verhaftung und Folter. Manche der verhafteten Frauen begehen nach ihrer Freilassung Selbstmord, wie Nader berichtet.
Eine der Frauen, die festgenommen worden waren, ist Lilma Dawlatzai, die ehemalige Vorsitzende des Frauenrats im Distrikt Chaharbulak. Sie erzählt der DW von ihrem Leidensweg: "Sie fanden mich und brachten mich ins Gefängnis", berichtet sie der DW. Dort sei sie geschlagen und mit Messern attackiert worden.
Doch damit nicht genug: "Sie streuten Salz auf meine Wunden", erzählt die Überlebende. Durch Verhandlungen und das Übergeben ihres Besitzes konnte sie schließlich fliehen und lebt heute in Deutschland.
Laut dem Women Peace and Security Index 2023/24 ist Afghanistan das gefährlichste Land für Frauen. Auf einer Skala von 0 (extrem gefährlich) bis 1 (sehr sicher) ergab das von den Taliban regierte Afghanistan laut Statista einen Indexwert von 0,29. Diesen Wert von 0,29 erreichte auch der Jemen – ein Land, das von einem Bürgerkrieg heimgesucht wird.
Eine Besserung der Lage für die Frauen in Afghanistan ist derzeit nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Taliban haben angekündigt, öffentliche Steinigungen von Frauen wegen Ehebruchs wieder einzuführen.
In einer Audiobotschaft über den Staatsrundfunk erklärte Taliban-Führer Hibatullah Akhundzada Ende März, an ausländische Staaten gerichtet:
Diese barbarischen Strafen sollen neben den bereits etablierten öffentlichen Auspeitschungen, Erschießungen und Erhängungen vollzogen werden.