Die Hamas und Israel haben sich auf einen Deal geeinigt. Ursprünglich ab Donnerstag, nun frühestens ab Freitag, soll schrittweise ein Austausch israelischer Geiseln mit palästinensischen Gefangenen erfolgen. Gleichzeitig soll es vorübergehend zu einer Feuerpause kommen. Wie realistisch glauben Sie, ist es, dass dieser Austausch wirklich durchgeführt wird?
Margret Johannsen: Der Austausch erfolgt ja schrittweise. Ich glaube schon, dass dadurch wenigstens ein paar Geiseln freikommen können. Ob der Austausch allerdings zu Ende geführt werden kann, so wie die Kriegsparteien das abgemacht haben, ist schwer zu sagen.
Es kommt immer darauf an, welche Entscheidungen die Köpfe hinter diesem Konflikt, also Premierminister Benjamin Netanjahu und die Hamas-Anführer in Katar, treffen. Ändern sie ihre Meinung, ihre Strategie, kommt alles anders als man denkt.
Die Hamas hat am 7. Oktober bewusst Geiseln genommen, um sie als Druckmittel zu verwenden. Warum glauben Sie, hat sie nun diesem Abkommen zugestimmt? Welche Strategie verfolgt sie?
Ich kann mir vorstellen, dass die Hamas damit eine langfristige geopolitische Strategie verfolgt. Sie will sich damit international profilieren, sich einen Ruf als kompromissbereite, verlässliche Handelspartnerin machen. Bei aller Unterstützung, die Israel in der westlichen Welt genießt, dürfen wir nämlich nicht vergessen, dass die Hamas vor allem in Drittweltstaaten auf viel Sympathie stößt. Etwa in afrikanischen Staaten oder Indien. Lässt die Hamas Geiseln frei, allen voran Kinder und Frauen, kommt das in diesen Ländern sehr gut an. Es wird beinahe als humanitäre Geste angesehen.
Was sind das für Gefangene, die Israel im Gegenzug für die Geiseln freilässt?
Das weiß man noch nicht. Ich nehme an, es werden "harmlose" Gefangene sein. Etwa Jugendliche, die das israelische Militär in den letzten Jahren gefangen nahm, weil sie Steine auf Panzer warfen. Das muss man sich mal vorstellen: Diese Jugendlichen wurden ohne Gerichtsurteil, ohne Prozess, fürs Steinewerfen für sehr lange Zeit inhaftiert. Es ist also fürs Erste schon mal eine gute Sache, dass diese Gefangenen freikommen.
Was bedeutet der Deal für Israel?
Es ist ein Teilerfolg. Die Angehörigen der Geiseln haben schon lange darauf gedrängt, dass ihr Staat einen Austausch ermöglicht. Außerdem haben sie ebenfalls schon lange eine Feuerpause gefordert. Immerhin sind schon einige Geiseln in Gefangenschaft umgekommen.
Der israelische Staat hingegen hatte bisher kein Interesse an einem solchen Deal. Doch Israel stand unter Druck von allen Seiten, allen voran von den USA. Schließlich hat Netanjahu zugestimmt, um seine internationalen Partner nicht zu verprellen.
Wie wird sich das Geisel-Abkommen nun auf den weiteren Verlauf des Krieges auswirken?
Auch darüber kann ich nur spekulieren. Ich könnte mir vorstellen, dass sich die Lage ein wenig beruhigt. Vielleicht sogar für die nächsten paar Jahre, bis der Konflikt dann erneut eskaliert. Aber ebenso wahrscheinlich ist es, dass der Krieg gleich weitergeht wie bisher. Schließlich hat sich Israel zum Ziel gesetzt, die Hamas zu zerschlagen. Und das ist fast unmöglich.
Sie kann die Hamas-Kämpfer im Gazastreifen töten. Aber die Strippenzieher, die Spitze dieser Terrororganisation, bleibt davon unberührt. So oder so: Ohne eine nachhaltige, faire Lösung für beide Seiten, wird in dieser Region nie Frieden einkehren.